Zielabweichung in der Hermannstrasse

Zwischen dem Oberen Mühlweg und dem Kleingartenverein „Städtische Wiese“ soll ein neues Wohngebiet entstehen. Bisher ist die Fläche landwirtschaftlich und durch die Gärtnerei Vogt genutzt. Über 60 Ein- und Zweifamileinhäuser sollen hier entstehen. Und eine Kindertagesstätte. Dieses Vorhaben muss, um genehmigungsfähig zu sein, mit den Vorgaben des regionalen Raumordnungsplanes in Übereinstimmung gebracht werden.

Um dieses Ziel zu erreichen hat die Verwaltung schon in die vom Stadtrat beschlossenen Aufstellungsbeschlüsse ökologische Sprachelemente integriert. Beabsichtigt ist eine “Renaturierung des Ellerbachs”, eine “Grünfläche entlang des Ellerbachs” und die “Verbesserung des Hochwasserschutzes”. Letztere bräuchte es ohne Wohnbebauung nicht. Aber weil der bestehende Damm eine Schutzfunktion “nur bezogen auf eine landwirtschaftliche Fläche erfüllt und technisch veraltet ist” soll er ersetzt werden.

Hochwassergefahr

Wer noch über die Unterlagen der Hochwasser AG des Planungsausschusses aus den neunziger Jahren verfügt, darf die aktuellen Pläne durchaus mit Verwunderung betrachten. Denn das mit grossem Abstand schlimmste dokumentierte Hochwasser in der Stadtgeschichte ging nicht von der Nahe aus. Es fand im späten Mittelalter zu einer Zeit statt, als noch kein einziger Quadratzentimeter im Landkreis versiegelt war.

Ellerbach zerstörerisch

Der Ellerbach wütete damals zerstörerisch durch die heutige Neustadt und riß eine Reihe von Fachwerkhäusern einfach mit sich. In der Nikolauskirche stand das Hochwasser damals über 1,5 Meter höher, als bei den verheerenden Hochwässern 1918, 1993 und 1995. Die Wiederholung dieser Naturkatastrophe würde heute natürlich vor allem Rüdesheim und die Lohrer Mühle treffen wo der Gräfenbach in den Ellerbach mündet. Aber auf ein Schadenereignis dieser Grössenordnung sind die aktuellen Pläne nicht ausgelegt.

“Richtige Richtung”

Die Verwaltung ist sich allerdings nach Rücksprache mit den Aufsichtsbehörden sicher, dass ihre jetzigen Pläne mit der Grünfläche entlang des Ellerbachs und dessen Renaturierung in die richtige Richtung weisen, um deren Anforderungen zu erfüllen. In der Beschlussvorlage heisst es: “Die dem Ausschuss bereits vorgestellte Hochwasserschutzplanung (Geländemodellierungen mit flachen Böschungen und Verwallungen) wurde mit der Struktur-und Genehmigungsdirektion Nord abgestimmt.

Fußläufige Anbindung

Auch die untere Naturschutzbehörde teilte mit, dass das Plangebiet aktuell nicht die Anforderungen an eine naturgerechte Aue und Biotopverbindungsstrukturen erfüllt. Die vorgesehene Planung mit der Grünfläche entlang des Ellerbachs und dessen Renaturierung weisen jedoch in die richtige Richtung, um diese Anforderungen zu erfüllen. Des Weiteren wird gemäß landesplanerischer Stellungnahme durch die Grünfläche und deren fußläufige Anbindung an das Wohngebiet dem Bedürfnis der Bevölkerung nach einer naturnahen Erholungsfläche in Wohnungsnähe Rechnung getragen.

Zielabweichungsverfahren erforderlich

Diese positiven Stellungnahmen zeigen bereits auf, dass die vorgesehene Planung eine Verbesserung hinsichtlich der festgesetzten Ziele herbeiführen kann. Um das Verfahren weiter führen zu können ist es formell erforderlich das Zielabweichungsverfahren durchzuführen. Nach Einreichung der erforderlichen Gutachten und Planungen prüft die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord die Planung hinsichtlich deren Vereinbarkeit mit den oben aufgeführten Zielen der Raumordnung. Bei Erteilung des positiven Zielabweichungsbescheids wird die Verwaltung das
vom Stadtrat beschlossene Regelverfahren mit Umweltbericht fortführen und die frühzeitige Beteiligung der Flächennutzungsplanänderung und der Bebauungsplanänderung vorbereiten”.