Hans-Josef Kaluza kandidiert im Mai 2019 nicht zum Stadtrat. Der Leiter des Bauhofes kann sich daher offene Worte leisten. Und zum Glück für die Entscheidungsträger im Finanzausschuß macht er von dieser Freiheit auch Gebrauch. Ohne Umschweife brachte er die Erfahrung seiner Mitarbeiter auf den Punkt: “Billig, billig, billig gilt längst auch auf dem Friedhof”.
Erbe statt Pietät?
Sein Eindruck vom Interesse vieler Angehöriger: “Wie kriege ich die günstigste Bestattung, damit möglichst viel vom Erbe übrig bleibt”. Kaluza konsterniert: “Wo bleibt da die Pietät?” Schon zuvor hatte der Bauhof-Chef ein heisses Eisen schmerzfrei angepackt, als er den Finanzausschuss darauf hinwies, dass die Schliessung eines Teils der neun Friedhöfe in den Stadtteilen und Aussenbereichen zu Einsparungen führen würde.
Kein Einsparpotential mehr
Mit nur zehn Mitarbeitern müssten 200.000 qm Friedhofsfläche bei teils erheblichen Fahrstrecken in Schuss gehalten werden. Und das überwiegend mit manueller Arbeit. “Da gibts keine Möglichkeiten mehr gross zu sparen”, fasste Kaluza zusammen. Er hatte mit Christine Senft-Witt und Markus Foos zwei Friedhof-Fachpersonen mitgebracht, die den Ausschussmitgliedern auch für konkrete Rückfragen zur Verfügung standen. Die Offenheit und das breite Informationsangebot des Bauhofes überzeugte die Mehrheit im Ausschuss.
Kohl und Butzbach stimmen mit SPD
Mit 12 Jastimmen gegen 8 Neinstimmen wurde der Verwaltungsvorschlag, die Gebühren für die Nutzungsrechte um 40% zu erhöhen, angenommen. Den Ausschlag gab das Stimmverhalten der CDU-Ausschußmitglieder Mirko Kohl und Peter Butzbach, die mit SPD, Freien, Parteilosen, BüfEP und Verwaltung stimmten. Hätten beide nicht gegen die eigenen Parteifreunde, FWG und Grüne die Hände gehoben, sondern mit diesen, wäre der Verwaltungsvorschlag bei Stimmengleichheit (10 zu 10) gescheitert.
“Situation weiter verschärft”
Die Verwaltung hatte diesen erheblichen Aufschlag auch schriftlich umfassend begründet. Der Bauhof erinnerte daran, dass er bereits 2017 wegen der auflaufenden Defizite eine Anhebung um 25% zum 1.1.18 vorgeschlagen hatte. Das hatte der Stadtrat in seiner Sitzung vom 28.11.17 abgelehnt. “Durch diese nicht erfolgte Gebührenanhebung hat sich die Situation weiter verschärft, da zu den Verlusten der Jahre 2014 bis 2017 noch auch noch die aus 2018 hinzukommen” rechnet die Verwaltung vor. Der Bauhof-Leiter hatte in Vorgesprächen von Stadtrats- und Ausschußmitgliedern gehört, “wir können nicht so stark erhöhen, schon gar nicht vor den Wahlen”. Kaluza dazu wörtlich: “Ohne Kostendeckung laufen wir mit dem ganzen Betrieb gegen die Wand”.
Bestattungsleistungen nicht teurer
Nicht erhöht werden die Gebühren für die Bestattungsleistungen. Dazu zählen die Kosten für das Ausheben von Gräbern, den Einbau von Schalkästen und deren spätere Verfüllung. Auch die Beträge für Urnenbeisetzungen, die Ausschmückung der Leichenhalle und deren Nutzung, die Nutzung der Kühlanlage, der Orgel und der Sargträger bleiben unverändert. Hier wird eine Ermässigungsregelung von 10% eingeführt, wenn Angehörige auf eine der Leistungen verzichten.
Stadtanteil wieder erhöhen
Die Ausschussmitglieder von CDU, Grünen und FWG zogen nicht die Sachdarstellung des Bauhofes in Zweifel. Sondern favorisierten ein anderes Finanzierungsmodell für die Mehrkosten. Sie schlugen vor den 2013 auf 10% gesenkten Stadtanteil wieder auf 20% zu erhöhen, um dann mit einer Gebührensteigerung um 25% auszukommen. Die Verdoppelung des Stadtanteiles solle aus allgemeinen Haushaltsmitteln aufgebracht werden.
“Wie Kur- und Schlosspark”
Lothar Bastian trug dazu eine an rein ökologischen Tatsachen orientierte Argumentation vor. Der Grüne wies darauf hin, dass der Hauptfriedhof mitten in der Südstadt mit seinen weit über 1.000 Bäumen die grösste zusammenhängende Grünfläche nördlich der Bahnlinie darstellt. Damit habe der Friedhof die gleiche Bedeutung wie Kur- und Schlosspark. Dazu wies er auf die Querungsfunktion zwischen Alzeyer und Mannheimer Strasse hin. Er bezeichnete den Hauptfriedhof als “goldenes Geschenk für den Planungsausschuss”, in dem Aspekte wie die durch Bäume bewirkte Feinstaubreduzierung, Atemluftbefeuchtung und Tagestemperaturabsenkung im Sommer Themen sind.
Normenkontrolle droht
Bastian erinnerte daran, dass der Stadtanteil “aus rein fiskalischen Gründen” erst 5 Jahre zuvor heruntergesetzt und dabei der tatsächliche Nutzen nicht betrachtet worden sei. Vielmehr habe damals allein die Haushaltskonsolidierung gezählt. “Es geht mir nicht um den finanziellen Aufwand, sondern um die ökologische Bedeutung”. Ohne dass der Grüne dies ausführte: genau diese Argumentation ist auch beitragsrechtlich von grosser Bedeutung. Denn wenn die von Bastian vorgetragenen Punkte dem zuständigen Oberverwaltungsgericht (OVG) auf dem Weg einer Normenkontrollklage dargelegt werden, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die Bad Kreuznacher Friedhofsgebührensatzung ebenso aufgehoben wird, wie die anderer Städte mit nur 10% Gemeindeanteil.
Nutzen für die Lebenden
Auch Werner Klopfer betonte den “Park- und Erholungscharakter” des Hauptfriedhofes. Der CDU-Fraktionsvorsitzende warnte angesichts auswärtiger Angebote etwa in Ruheforsten vor einer Abwanderung von Bestattungen: “Die Leute gehen weg, wenns zu teuer wird”. Auch eine Erhöhung des Stadtanteiles von 25% hätte Klopfer mitgetragen, “denn wir leisten uns auch noch Dinge, die schön sind für die Bevölkerung”. Zudem hätten nicht die Toten den Nutzen, sondern die Lebenden. Daher sei es gerecht, wenn die Allgemeinheit mehr zahle.
40% schwer vermittelbar
Wolfgang Kleudgen von der FWG befürwortete das Modell “20% Stadtanteil, 25% Gebührenerhöhung”. Er stellte fest, “selbst wenn keine Wahlen wären wäre es schwer vermittelbar, um 40% hochzugehen”. Er hätte auch einen 25%igen Stadtanteil mitgetragen. Professor Dr. Rüddel (SPD) erinnerte daran, dass Rasengräber “viel zu billig” angeboten worden seien. Weil sich in diesem Moment Ausschussmitglieder der CDU untereinander austauschten holzte Dr. Herbert Drumm (Freie) verbal dazwischen: “Gebt doch jetzt mal Ruhe mit dem Geschwätz”.
“individuelle Kosten”
Um dann inhaltlich den Verwaltungsvorschlag zu unterstützen: “Es wurde so kalkuliert, das ist zu akzeptieren”. Dr. Drumm bezeichnete es als “Frechheit gegenüber dem Normalbürger” den Stadtanteil hochzusetzen und damit nicht Betroffene die Bestattungen Dritter mitbezahlen zu lassen. Ähnlich positionierte sich auch Barbara Schneider (Parteilose). Es sei “populistisch” den Stadtanteil zu erhöhen, da es sich um “individuelle Kosten” handele.
SPD: Grabpatenschaften
Bezogen auf die Reduzierung der Zahl der städtischen Friedhöfe stellte Günter Meurer fest: “man darf auch mal über Dinge laut nachdenken, das ist nicht verboten”. Also auch über den Vorschlag, “aus drei kleinen Friedhöfen einen grossen zu machen”. Wo er dafür einen Platz sieht und welche drei kleinen er meint, sagte der SPD-Ortsparteichef nicht. Von einem Vortrag über die Friedhofsproblematik, den er kürzlich in Bonn gehört habe, brachte er den Vorschlag von “Grabpatenschaften” mit, ohne diesen näher vorzustellen.
CDU: keine Friedhöfe schliessen
Manfred Rapp (CDU) zeigte sich “erschrocken über die Idee, Friedhöfe in den Vororten zu schliessen”. Er bezeichnete die Bestattungsfelder vor Ort als “Kulturgut” und stellte für die CDU fest: “für uns spielt das keine Rolle”. Diesen Punkt griff auch der Winzenheimer Ortsvorsteher auf. Er riet der Verwaltung dazu, diesen Vorschlag schnell zu verwerfen. Mirko Kohl wörtlich: “Das sollte auf keinen Fall passieren”.
Nun ist der Stadtrat am Zug
Ob die vom Ausschuß beschlossene Erhöhung um 40% tatsächlich umgesetzt wird, hat jetzt der Stadtrat zu entscheiden. Der kam schon 2017 zu einem anderen Ergebnis, als der Finanzausschuss. Berichterstatter des Ausschusses im Stadtrat ist ausgerechnet Werner Klopfer (“ungern, aber ich mache es”). Sollte es zur Verabschiedung der Satzung kommen, haben EinwohnerInnen ab dem Tag der amtlichen Bekanntmachung ein Jahr lang Zeit eine Normenkontrollklage zu erheben.