RadfahrerInnen unzufrieden

Bereits vor über 24 Jahren hatte die Stadt die Arbeitsgruppe “Rad” eingerichtet. Und viele MitbürgerInnen haben Vorschläge gemacht und sich engagiert. In der Wahrnehmung der RadfahrerInnen kam dabei zu wenig heraus. Das wurde am 14.8.18 auf einer Veranstaltung des VCD (Verkehrsclub Deutschland) im Haus des Gastes deutlich. “Total frustriert” zeigte sich die Mehrzahl der über 100 Zweiradfreunde über mangelnde Fortschritte.

Oberbürgermeisterin Dr. Kaster-Meurer, die selbst viele Strecken im Stadtgebiet auf dem Rad zurücklegt, sah sich mit Kritik in deutlichen Worten konfrontiert. Ihr wurde vorgehalten, “da wo Chancen sind nicht anzupacken”, Radfahrer würden “an den Rand gedrängt” und “in 32 Hektar neuen Baugebieten gibt es keinen einzigen Radweg”. Die seit mehr als sechs Jahren amtierende Verwaltungschefin trug als Entschuldigung vor, die Bebauungspläne seinen vor ihrer Wahl verabschiedet worden. Und der Stadtrat stelle zu wenig Geld zur Verfügung, um mehr für den Radverkehr zu machen. Sie verschwieg, dass sie persönlich alle diese Haushaltspläne mit ihrer eigenen Stimme im Stadtrat befürwortet hatte.

“Die Leute werden ungeduldig” fasste ein Redner die Stimmung der Radfahrer zusammen. Tatsächlich scheinen die Fronten verhärtet. Die jahrelange Auto-Zuerst-Politik hat Spuren hinterlassen. Und so legten mehrere Diskussionsteilnehmer offen, wie sie mit ihrer persönlichen Radfahrpraxis dem Zweirad mehr Geltung verschaffen wollen: mitten auf der Spur fahren, damit Autos nur überholen können, wenn kein Gegenverkehr kommt. Gefordert wurde eine “Rote Welle” für Pkws und Tempo-30 auf allen Strassen im Stadtgebiet.

Olk geschickt

Norbert Olk, Chef des Landesbetriebes Mobilität, hatte naturgemäss keinen leichten Stand. Aber mit seiner hohen Sachkompetenz gab der diskussionserfahrene Strassenverwalter den “Schwarzen Peter” mehrfach geschickt weiter. So bei der Viktoriastrasse, in der er die Einführung von Tempo-30 befürwortet – wenn die Stadt die Kosten für die Anpassung der Ampelschaltungen übernimmt. Oder in der Wilhelmstrasse, wo er sich eine Verlängerung der von ihm selbst vorgeschlagenen Angebotsstreifen von der Kreuzkirche Richtung Nahe über die Kreuzung am Bourger Platz hinaus bis zur Mühlenstrasse gut vorstellen kann – wenn es den LBM nichts kostet.

“mehr Miteinander”

Auch bei den neutralen ZuhörerInnen lösten die Erfahrungsberichte einiger RadfahrerInnen Betroffenheit aus. Wenn etwa Wurzelausbrüche zu Sturzursachen werden und das “Strassenbegleitgrün” weit in die Radwege reicht. Ein einziger Diskutant, der sich als Rad- und Autofahrer vorstellte, regte angesichts der teilweise aggressiven Wortbeiträge an, “sich über mehr Miteinander Gedanken zu machen” und auch das “eigene Verhalten zu ändern”. Dass dazu Anlass besteht erlebeten die Berichterstatter dieser Seite auf dem Heimweg im wahrsten Sinne des Wortes “hautnah”.

Fussgängerfreudliches Radfahren

Zu Fuß zur Fahrradveranstaltung gelaufen machten sie sich auch per Pedes auf den Heimweg durch die Kurhausstrasse – und wurden dort von gleich mehreren VeranstaltungsteilnehmerInnen, die erkennbar schnell nach Hause wollten, mit deutlich mehr als 20 km/h bei sehr dichtem Vorbeifahren überholt. Obwohl dort Schrittgeschwindigkeit gilt. Nicht jeder Zweiradfreund zieht also aus dem Erleben der eigenen Benachteiligung die Konsequenz für sich selbst darauf zu achten anderen dieses Leid nicht zuzufügen. Und so können sich Autofahrer auch weiterhin bei der Durchsetzung ihrer ökologisch und aus Gesundheitssicht bedenklichen Interessen hinter dem schwächsten Glied in der Verkehrsteilnehmerkette verstecken: hinter den Fussgängern. Nachdem 25 Jahre Arbeit “Pro Rad” in der Wahrnehmung der Betroffenen so wenig gebracht hat, wäre vielleicht ein neuer Ansatz erfolgversprechend: Werbung für fussgängerfreundliches Radfahren.