Noch am Sonntagabend nutzten zwei dutzend EinwohnerInnen die Kirschsteinanlage. Zum Entspannen unter Bäumen. Zum Abkühlen mit Füssen im Wasser. Zum Gespräch miteinander. Und ohne jede Belästigung für Passanten und Anwohner. Aber nach 22 Uhr. Und daher war all das bereits verboten. Denn seit dem 9.6.18 dürfen Menschen ab dieser Uhrzeit die Kirschsteinanlage, den Fischerplatz und den Schlosspark nur noch flott Durchschreiten. Am Montagabend, nach einem Gewitter und stundenlangen Regelfällen, war der kleine Park menschenleer.
Scheffler: “längst geregelt”
Fast. Denn neun Teilnehmer des “Grundkurses zügiges Durchqueren” und ein Redakteur der Allgemeinen Zeitung ließen es sich am 11.6.18 um 22 Uhr nicht nehmen von Rechtsanwalt Thomas Scheffler Informationen zur neuen Grünanlagensatzung zu erhalten. Zwar fänden sich dort auch vier zusätzliche Punkte, “aber alles andere ist längst geregelt”. Und zwar in der Gefahrenabwehrverordnung der Stadt. Dies wies Scheffler in einer 26 Positionen umfassenden “Synopse bestehender Vorschriften” nach. Nur eines hat sich dramatisch verändert: die Höhe der bei Verstössen möglichen Bussgelder. Statt 500 Euro in der Verordnung gelten jetzt die 5.000 Euro in der Satzung, stellte Scheffler fest.
Der Rechtsanwalt stört sich schon am Namen des Regelwerkes: “Grünanlagensatzung – das klingt nach Schutz für Beete und Bäume”. Dabei gehe es vordergründig darum “Störer aus den Parks rauszuhalten: was eigentlich verfolgt wird sind polizeiliche Zwecke”. Die Satzung treffe jetzt aber jeden, ihr Name sei eine Art “Etikettenschwindel”. Eine ganze Reihe von Satzungsbestimmungen seien unklar und interpretationsbedürftig. Andere Punkte wie das wörtliche Verbot “frei lebende Tiere zu fangen” seien bereits bundes- oder landesgesetzlich geregelt.
Baumeln = Baden?
Der erfahrene Rechtsanwalt vermutet daher, dass diese Regelungen im Detail gar nicht zur Anwendung kommen werden. Denn die Polizei habe andere Möglichkeiten vorzugehen. Scheffler erwartet, dass bei Kontrollen unter Hinweis auf die Satzung zB Platzverweise ausgesprochen werden. “Und dann wird auf einer ganz anderen Rechtsgrundlage bestraft, wer dagegen verstösst”. Was die laut Satzung verbotenen “Saufgelage” sind mochte Scheffler ebensowenig endgültig definieren, wie den Grenzwert “grossflächiger Rasenflächen” und das “Besteigen von Denkmälern und baulichen Einrichtungen”. Anlehnen an ein Denkmal scheine wohl erlaubt zu sein, schon das Sitzen auf dem Sockel könne problematisch werden. Vollkommen offen ist, ob MitbürgerInnen, die etwa zur Abkühlung an heissen Sommertagen ihre Füsse im Schlossteich baumeln lassen oder diesen durchwaten, damit “baden” – was verboten wäre.
Verschiebung statt Lösung
“Da bleiben viele Punkte offen”, war sich ein Teilnehmer sicher. Und Scheffler sieht Arbeit auf die Gerichte zukommen, wenn künftig flächendeckend kontrolliert, massenhaft Menschen aus den Parks gejagt und Bussgelder verhängt werden. “Die Gerichte stehen auf der Seite der Freiheit” freut sich der Rechtsanwalt über deren “gute Tendenz” in vielen Urteilen bundesweit. Scheffler wies auch darauf hin, dass sich die in den Parks ungern gesehenen Mitmenschen ja nicht in Luft auflösen, wenn sie dort nicht mehr sind: “dann sind sie eben anderswo – das Problem ist so nur verschoben und nicht gelöst”.
Polizei schützte die Veranstaltung
Was zügiges Durchqueren, wie es die Satzung vorschreibt, oder “zackig” wie es Bürgermeister Heinrich zur Belustigung der Oberbürgermeisterin im Stadtrat nannte, im Endeffekt konkret bedeutet, blieb weitgehend offen. Scheffler führte den aus anderen Rechtsbereichen bekannten Begriff der “Unverzüglichkeit” an. Aber auch dort bedarf es oft richterlicher Klärung, ob jetzt im Einzelfall etwas “schuldhaft verzögert wurde” oder nicht. “Wer mag das beurteilen, ob da einer provozierend langsam geht – oder einfach nicht schneller kann?” war eine der Fragen, auf die es keine Antwort gab. Von der Polizei, die die Veranstaltung mit einem Streifenwagen beschützte, hat das Team Valentino auf Anfrage erfahren, dass derzeit eine Kontrolle der Parks und Grünanlagen noch nicht stattfindet, weil die in der Satzung erwähnten Schilder fehlen.
Auch hier Normenkontrolle?
Erst wenn die aufgestellt sind wird es also ernst. “Wir werden am Ball bleiben und schauen, was passiert”, versprach Antonio Valentino. Möglich ist ein Normenkontrollantrag, wie ihn Valentino gegen die Tourismusbeitragssatzung beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz gestellt hat, auch gegen die Grünanlagensatzung. Nach einigen Gesprächen mit verantwortungsbewussten MitbürgerInnen hat Valentino den Eindruck gewonnen, dass “so ein Antrag dann kommen wird, wenn die Ordnungskräfte im Sommer auch leise Parkbesucher nach 22 Uhr bzw 24 Uhr verjagen”. Für diesen Fall ist auch Rechtsanwalt Thomas Scheffler bereit “für die Bürgerfreiheit und gegen Regelungswahn” tätig zu werden.