Kein Witz: Tourismusbeitrag soll auch Bäderhaus-Defizit verringern

Offiziell gibt sich die Stadtverwaltung beruhigt. “Systematisch und satzungsgemäss” werde die Erhebung des Fremdenverkehrs- und Tourismusbeitrages durchgeführt. Und die Stadt verweist auf die beiden Normenkontrollverfahren, die rechtliche Klarheit brächten. Also eines bringt das Normenkontrollverfahren Valentino in jedem Fall: endlich kommen relevante Tatsachen ans Licht. Fakten, die die Stadt und die GuT bisher auf ihren Internetseiten und Presseerklärungen nicht mitgeteilt haben. War bisher immer nur allgemein von einem Millionendefizit im Tourismusbereich die Rede, liegt nunmehr eine schriftliche prüffähige Aufstellung vor. Und deren Inhalt ist brisant. Es sind viele grosse Zahlen. Aber wer sich dadurch nicht abschrecken lässt kann sehr wertvolle Einblicke gewinnen.

In ihrer Aufstellung weist die Stadt für 2016 als “Summe Aufwendungen” 9.808.000 Euro und als “Summe Erträge” 6.199.000 Euro aus. Zu den Erträgen addiert die Stadt 1.893.000 Euro (rund 3,8%) von den 50.063.000 Euro Steuereinnahmen pp der Stadt anteilig hinzu. Als Gesamtdefizit für 2016 im Bereich Fremdenverkehr und Tourismus gibt die Stadt 1.716.000 Euro an. Nach der Rechnung der Stadt beträgt der Aufwand für das Bäderhaus 2.611.000 Euro und für das Thermalbad 2.460.000 Euro. Als Einnahmen gibt die Stadt für das Bäderhaus 1.645.000 Euro an und für das Thermalbad 1.072.000 Euro. Daraus errechnet sich für das Bäderhaus ein Defizit von 966.000 Euro und für das Thermalbad von 1.388.000 Euro.

Von diesen Beträgen zieht die Stadt dann einen “Gemeindeanteil” ab. Ein solcher Anteil muss gemäss Recht und Gesetz berechnet werden. Denn Fremdenverkehrs- und Tourismuseinrichtungen dienen allen Bürgerinnen und Bürgern Bad Kreuznachs. Jede und Jeder kann kostenlos durchs Salinental spazieren und die herrliche salzhaltige Luft atmen. Jede und Jeder kann für ein paar Euro das Freibad Salinental nutzen. Jede und Jeder kann durch den Stadtwald wandern, radfahren, Römerhalle, Stadtbibliothek und PuK besuchen usw. In der Höhe dieses “Gemeindeanteils” drückt sich aus, wem die entsprechende Einrichtung mit welchem Anteil zur Verfügung steht. Und dabei ist die Alternative klar: was nicht den Beitragspflichtigen nutzt (also den rund 4.500 erfassten Empfängern der Umsatzanfragen), das muss von der Steuerzahlergemeinschaft gezahlt werden. Wenn also im Stadtsäckel Geld fehlt müsste gespart werden. Oder Eintrittspreise zB erhöht. Das ist sicher unangenehm. Aber das ist die vom Gesetz definierte Alternative zum ungebremsten Schuldenmachen.    

Und diesen wichtigen Gemeindeanteil setzt die Stadtverwaltung wie folgt an: beim Bäderhaus 15% und für das Thermalbad mit 25%. Das bedeutet: von 966.000 Euro Defizit beim Bäderhaus sollen nach dem Wunsch der Stadt nur 144.900 Euro aus Steuermitteln und 821.100 Euro über Fremdenverkehrs- bzw Tourismusbeitrag bezahlt werden. Und von 1.388.000 Euro Verlusten des Thermalbades sollen nach dem Wunsch der Stadt nur 347.000 Euro aus Steuermitteln bezahlt und 1.179.800 Euro über Fremdenverkehrs- bzw Tourismusbeitrag bezahlt werden. Würde der “Gemeindeanteil” beim Bäderhaus und Thermalbad bei 100% liegen müsste die Stadt beim “Tourismusaufwand” ihrer Rechnung 1.862.000 Euro streichen. Und dann würde der komplette Fremdenverkehrs- und Touristikbereich in der Rechnung der Stadt nicht mit einem Defizit dastehen (weil das in der Rechnung der Stadt ja “nur” 1.716.000 Euro beträgt), sondern mit einem Überschuss. Den müsste die Stadt dann zwar nicht ausschütten. Aber Beiträge dürfte sie auf der Basis eines Überschusses nicht erheben, sagt Valentinos Steuerberater: “ohne Defizit keine Fremdenverkehrs- oder Tourismusbeiträge”.

Die Preisfrage an die rund 4.500 potentiellen Tourismusbeitragszahler im Stadtgebiet Bad Kreuznach für deren richtige Beantwortung die Beitragsfreiheit winkt, lautet also: sind das Bäderhaus und das Thermalbad überhaupt tourismusbeitragsfähig? Zumindest für das Bäderhaus ist diese Frage schnell geklärt. Richtig ist, dass seinerzeit die Millionen-Investition Einbau einer Saunalandschaft in einen bautechnisch maroden Altbau in verkehrstechnisch ungünstiger Lage von einem einzigen zentralen Argument geführt wurde: der Stadt sollte der (unterhaltstechnisch) “faule Zahn” Bäderhaus gezogen werden. In der Planungsphase wurde für die Zeit nach der Anlaufphase eine schwarze Null für den Saunabetrieb in Aussicht gestellt. Zu der kam es im operativen Geschäft der Sauna leider aber nicht. Das Millionendefizit ist eine harte Realität. Da also eine wesentliche Motivation der Stadt seinerzeit in der steuergünstigen Verrechnung der erheblichen Instandssetzungs- und Erhaltungskosten für das Bäderhaus lagen, ist nach Valentinos Auffassung das Defizit aus allgemeinen Deckungsmitteln zu zahlen. Und nicht – sei es auch nur anteilig – über Fremdenverkehrs- und Tourismusbeiträge.

Valentinos Steuerberater dazu: die Einbeziehung der Verlustabdeckung Bäderhaus in die Fremdenverkehrs- und Tourismusbeiträge ist ein krasser Verstoss gegen das Äquivalenzprinzip. Denn mit einem Beitrag dürfen nur jene Kosten ausgeglichen werden, die einer Einrichtung zuzuordnen sind, die einen Nutzen für den Beitragsschuldner bringt. Ohne Nutzen kein Beitrag.

Da bundesweit unzählige Saunaanlagen mit Gewinn betrieben werden kann dies kein Hexenwerk sein. Die Beseitigung des Defizits im Bäderhaus ist auch möglich. Nämlich durch kostendeckende Eintrittspreise. Derzeit kostet der Eintritt im Bäderhaus 29 Euro für die Tageskarte und 22 Euro für ein 3-Stunden-Ticket. Würden die rund 70.000 Gäste stärker zur Kasse gebeten (44 Euro Tageskarte und 36 Euro für ein 3-Stunden-Ticket) würde rechnerisch kein Defizit entstehen. Die Rechnung der Stadt wirft eine klare Frage auf: ist es gerecht, dass eine Planiger Friseurmeisterin mit ihrem Beitrag anteilig einem Bäderhaus-Gast ein paar Stunden Entspannung in einer “Premium Sauna für Jedermann” subventioniert?

 

Hier die Aufstellung der Einzelpositionen, die die Stadt beim Aufwand für Fremdenverkehr und Tourismus (Daten aus 2016) zugrunde legt:

 

 Teilhaushalt:    Gemeindeanteil: Aufwand in T Euro davon Tourismusaufwand: 
 1
GuT GmbH
     
 1.1.
Marketing/Veranstaltungen
 20% 1.248 998
1.2.
Gesundheitszentrum/Kur 
30% 1.102  771
1.3.
Salinen/Heilquellen
25% 1.038 778
1.4.
GuT gesamt (Overhead)
22% 261 203
2
Bad GmbH
     
2.1.
Bäderhaus Sauna
15% 2.611 2.219
2.2.
Thermalbad crucenia thermen
25% 2.460 1.845
2.3.
Freibad Salinental
80% 811 162
3
Parkeinrichtungen (Kfz)
60% 2.915 1.166
3.1.
VW-Kosten Bußgelder
   50  50
4
Parks und Grünflächen
20% 1.116 893
4.1.
Toilettenanlagen
60% 154  62
5
Wanderwege/Radwege
     
5.1.
Wanderwege
50% 106 53
5.2.
Radwege
5% 24 22
6
Messen/Märkte
20% 172 137
7
Museen/Kultur
     
7.1.
Schlossparkmuseum
50% 280 140
7.2.
Römerhalle
50% 186 93
7.3.
Museum für Puppentheaterkultur
50% 325 163
7.4.
Stadtbibliothek
95% 710 36
7.5.
Theater/Kulturpflege
90% 173 17
Summe Aufwendungen     9.808

(Quelle für die Aufstellung der Einzelpositionen: Rechtsamt der Stadt Bad Kreuznach)

 

Glossiert: Wir haben nur abgetippt und nicht nachgerechnet – Tippfehler bitten wir zu entschuldigen. Ob mit “GuT gesamt (Overhead)” gemeint ist, dass die Sache der GuT über den Kopf wächst, wissen wir nicht. Unbekannt ist uns auch, welche Toilettenanlagen erfasst wurden und ob mit “VW-Kosten Bußgelder” an den Autokonzern geleistete Zahlungen gemeint sind, weil bei uns Dank der Salinen die Feinstaubbelastung unter der anderer Städte liegt – oder hier doch tatsächlich Verwaltungskosten für Knöllchen dem Tourismusbeitrag angelastet werden. Aber wir werden versuchen das aufzuklären.