Herbert Emrich spricht Klartext zum Bosenheimer Bad

Beobachtet und kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

“Wie oberflächlich darf ein Rechtsamt arbeiten, bevor ein Bericht im Stadtrat vorgetragen wird?” Diese Frage von Herbert Emrich, aufgeworfen in der Sitzung des Bosenheimer Ortsbeirates am Mittwochabend dieser Woche (20.3.2024, diese seite berichtete), wird noch lange nachhallen. Denn der erfahrende Verwaltungsjurist beliess es mit seinen Ausführungen in Anwesenheit von Oberbürgermeister Emanuel Letz und Stadtrechtsdirektorin Marion Kruger nicht bei der Frage. Sondern führte einen Fakt nach dem anderen an, mit der er den von Kruger in der Stadtratssitzung am 29. Februar gegebenen Bericht zum Abwägungsverfahren in Sachen Bosenheimer Bad zerlegte.

Rechtsanwalt Herbert Emrich (stehend) trägt dem Ortsbeirat seine Argumente vor.

Marion Kruger nahm zur Emrich-Kritik an ihrem Bericht in der Ortsbeiratssitzung reglos zur Kenntnis. Und versuchte die Differenzen als geschäftsüblichen Meinungsstreit a la “drei Juristen, vier Meinungen” dazustellen. Emrich argumentierte allerdings nicht mit Meinungen, sondern Fakten. Und widerlegte z.B. die Behauptung Krugers, es dem Spezialfall “Auseinandersetztungsvretrag” gebe es kaum relevante Rechtsprechung, durch das Anführen gleich mehrerer einschlägiger Urteile, etwa aus den Jahren 2005, 2013 und 2016. Natürlich gibt das Redemanuskript nicht die bemerkenswerte Dynamik und Rhetorik des Redners wieder. Aber seine Sachaussagen (weiterer Bericht folgt).

Das Redemanuskript des Rechtsanwaltes Herbert Emrich im Wortlaut:

“Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, lieber Herr Ortsvorsteher Dr. Hertel, liebe Bosenheimer, der Bericht der neuen Leiterin des städtischen Rechtsamtes in der Sitzung des Stadtrates am 29. Februar 2024 wurde sehr gelobt, Herr Stadtrat Zimmerlin sprach von einem beeindruckenden Vortrag. Dem kann ich mich nicht anschließen. Da es sich bei der neuen Leiterin des Rechtsamtes bis dato um eine Kollegin handelt mit dem Schwerpunkt Pferderecht, bemühe ich mich sehr um Sachlichkeit, auch wenn es mir schwerfallen wird. Im Übrigen muss ich ihr ja auch die hunderttägige Schonzeit zubilligen, die damals Präsident Franklin in Amerika postulierte.

Führung braucht eben Zeit! Nach der Auffassung des Rechtsamtes hat die Ortsgemeinde Bosenheim mit der Stadt Bad Kreuznach 1969 n u r (dies ist eine Zusatzbezeichnung von mir) einen Auseinandersetzungsvertrag abgeschlossen. Dieser Auseinandersetzungsvertrag wird dann noch despektierlich behandelt und in die Nähe eines bloßen Abwicklungsvertrages gerückt. Dies ist grob falsch. Bosenheim hat mit der Stadt Bad Kreuznach einen klassischen echten Eingemeindungsvertrag abgeschlossen. Der Stadtrat der Stadt Bad Kreuznach hat in seiner Sitzung am 22. Mai 1969 einen Eingemeindungsvertrag beschlossen.

Oberbürgermeister Peter Fink hat diesen Tagesordnungspunkt aufgerufen mit der Überschrift „Abstimmung über einen Eingemeindungsvertrag“. Obwohl ihm aufgrund Wortmeldungen in der Stadtratsitzung der Fachbegriff des Auseinandersetzungsvertrages bekannt war, blieb er dabei und bestand darauf, dass der Stadtrat einen Eingemeindungsvertrag beschließt. So ist es dann auch geschehen. Hätte das Rechtsamt tatsächlich so sorgfältig und intensiv gearbeitet wie es im Stadtrat dargestellt wurde, hätte dies bemerkt werden müssen. Wenn trotzdem im Stadtrat davon berichtet wird, dass nur ein Auseinandersetzungsvertrag mit der Annäherung an einen Abwicklungsvertrag vorliege, ist dies eine Missachtung des Stadtrates und ein Affront gegen Bosenheim.

Die weitere Auseinandersetzung des Rechtsamtes mit den Begriffen bzw. den Begrifflichkeiten Eingemeindungsvertrag und Auseinandersetzungsvertrag ist – bei aller Zurückhaltung – rechtlicher Unfug. Es wird vorgetragen, in Baden-Württemberg hießen diese Verträge Eingemeindungsverträge, weil es sich um freiwillige Eingemeindungen handelt, in Rheinland-Pfalz lägen aber nur Auseinandersetzungsverträge vor, weil der Gesetzgeber kraft Gesetzes die Eingemeindungen beschlossen habe. Rechtlich relevante Unterschiede zwischen einem Eingemeindungsvertrag und einem Auseinandersetzungsvertrag im hier zu behandelnden Kontext gibt es nicht; die Schlussfolgerungen des Rechtsamtes sind fehlerhaft.

In den einzelnen Bundesländern werden die Verträge, die zwischen Gemeinden bei deren Zusammenlegung abgeschlossen werden, ganz unterschiedlich benannt. Sie werden so benannt, wie der Landesgesetzgeber es vorgibt. So hat nun einmal das Land Rheinland-Pfalz in den Gesetzen 1968/1969/1970 und 1971 für die zwischen den Gemeinden abzuschließenden Verträge Auseinandersetzungsverträge benannt; dies folgt aus § 125 Abs. 1 S. 1 des Vierten Landesgesetzes über die Verwaltungsvereinfachung im Lande Rheinland-Pfalz vom 10. Januar 1969, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Jahr 1969, Seit 5 ff.

In Sachsen-Anhalt heißen diese Verträge Gebietsänderungsverträge, in Baden-Württemberg Eingemeindungsverträge. Das Land Thüringen spricht auch von Auseinandersetzungsverträgen, Schleswig-Holstein wiederum von Eingemeindungsverträgen. Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen spricht für das dortige Landesrecht von Eingliederungsvereinbarungen. Dass es falsch ist, bei der Einordnung eines solchen Vertrages, also bei der Abgrenzung eines Eingemeindungsvertrages zu einem Auseinandersetzungsvertrag darauf abzustellen, ob die Zusammenlegung der Gemeinden freiwillig oder per Gesetz erfolgt, hätte das Rechtsamt bei der sorgfältigen Durcharbeitung des Urteiles in Sachen Stadt Ingelheim und Ortsbezirk Ingelheim/Groß-Winterheim, Urteil v. 09.11.1999, Az.: 7 C 10881/99.OVG feststellen müssen.

Im Vortrag heißt es dazu – “ebenso wenig sind Urteile über Eingemeindungen nachfolgender Zeit aus Rheinland-Pfalz verwertbar”. Zu den nicht verwertbaren Urteilen zählt das Urteil Ingelheim/Groß-Winternheim und es wird dem Verwaltungsgericht Mainz zugeschrieben. Auch hier muss ich die Frage aufwerfen, wie oberflächlich darf ein Rechtsamt arbeiten, bevor ein Bericht im Stadtrat vorgetragen wird? Bei dem Urteil Ingelheim/Groß-Winternheim geht es um eine für Rheinland-Pfalz insgesamt ganz wichtige Entscheidung des 7. Senates des Oberverwaltungsgerichtes und nicht des Verwaltungsgerichtes Mainz, der 7. Senat tagte als Normenkontrollsenat. Für uns heute Abend ist aus diesem Urteil folgendes abzuleiten:

1. Der Vertrag zwischen der noch selbstständigen Gemeinde Groß-Winternheim und der Stadt Ingelheim wurde ganz klar und eindeutig auf freiwilliger Grundlage abgeschlossen und trotzdem hat man diesen Vertrag von Anfang an Auseinandersetzungsvertrag genannt, weil eben das Land Rheinland-Pfalz in seinen Gesetzen zur Verwaltungsvereinbarung diesen Fachbegriff verwendete. Hierzu gibt es die Entscheidung des Normenkontrollsenates des Oberverwaltungsgerichtes Rheinland-Pfalz aus Koblenz vom 09.11.1999. Dort wurde der Vertrag zwischen der noch selbstständigen Gemeinde Groß-Winternheim und der Stadt Ingelheim ganz klar und eindeutig auf freiwilliger Grundlage abgeschlossen und trotzdem hat man diesen Vertrag Auseinandersetzungsvertrag genannt, weil eben das Land Rheinland-Pfalz in seinen Gesetzen zur Verwaltungsvereinbarung diesen Fachbegriff eingeführt hat. Wäre die Auffassung des Rechtsamtes richtig, hätte ja zwischen der selbstständigen Gemeinde Groß-Winternheim und der Stadt Ingelheim ein Eingemeindungsvertrag abgeschlossen werden müssen.

2. Dem Rechtsamt hätte es ja auch zu denken geben müssen, dass das Normenkontrollgericht in diesem Urteil die Begriffe Auseinandersetzungsvertrag und Eingemeindungsvertrag nebeneinander nutzt. So heißt dieser Vertrag in den Textziffern 6 und 7 Auseinandersetzungsvertrag, in der Textziffer 32 heißt es dann: “Angesichts dieser gesetzlichen Regelung kommt der Frage der Wirkung des § 3 des Eingemeindungsvertrages vom 30. September 1970 keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Zwar hat der Vertrag durch die Genehmigung der Kreisverwaltung Mainz-Bingen als Auseinandersetzungsvertrag auf der Grundlage des Landesgesetzes usw. Wenn sogar das Normenkontrollgericht die Begriffe synonym nebeneinander verwendet, kommt es auf die vom Rechtsamt vorgenommene juristische Herleitung nicht an, die Herleitung ist schlichtweg falsch.

3. Es ist im Zusammenhang mit diesem Urteil auch noch auf eine weitere zumindest höchst missverständliche Darstellung des Rechtsamtes hinzuweisen.. Aus dem Urteil soll sich nämlich ergeben, dass „bei bestimmten Konstellationen“ in diese Verträge eingegriffen werden kann. Das kann ich so nicht stehen lassen. Das Gericht stellt in der Textziffer 58 lediglich deklaratorisch klar, dass ein Gesetzgeber nicht gehindert ist, gesetzliche Regelungen zu locken. Dies ist aber ein allgemein gültiger Satz. Natürlich kann ein Gesetzgeber unter Berücksichtigung der sich aus der Verfassung ergebenden Grundsätzen Gesetze ändern, das heisst Gesetze lockern, aber auch verschärfen.

Auch in der Textziffer 32 heißt es, dass der Gesetzgeber mit Blick auf solche Vereinbarungen nicht gehindert ist, für die Zukunft modifizierende Regelungen vorzusehen. Daraus ergibt sich für den hier zu bewertenden und abgeschlossenen Eingemeindungsvertrag, dass dieser weder von der Stadt Bad Kreuznach noch vom Ortsbeirat Bosenheim einseitig geändert werden kann. Das Land Rheinland-Pfalz könnte durch Landesgesetz eingreifen. Dies ist aber nicht ernsthaft zu diskutieren. Für die Stadt Bad Kreuznach heißt dies, dass die Regelungen des § 60 des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu beachten sind.

Das Rechtsamt beschäftigt sich mit der angeblich fehlenden Bindungswirkung des Vertrages, weil es keine „ernsthaften Verhandlungen über einen Auseinandersetzungsvertrag mit der Stadt gegeben habe und an anderer Stelle heißt es, dass der Vertrag von dem Gemeinderat Bosenheim und dem Stadtrat Bad Kreuznach „in letzter Minute durchgewunken worden sei“. Auch dem ist entschieden entgegenzutreten, weil die historische Darstellung der damaligen Gegebenheiten so nicht zutrifft. Viel Zeit für Verhandlungen gab es sicherlich damals nicht, weil die Euphorie der Verwaltungsreform und der Verwaltungsvereinfachung groß war und alle politisch Verantwortlichen die Gunst der Stunde nutzen wollten.

Der Urantrag, also die Gesetzesinitiative zur Eingemeindung von Bosenheim stammt ja doch erst vom Oktober 1968, das dazugehörige Landesgesetz stammt vom 14.02.1969. Es ist belegt, dass sich der Gemeinderat Bosenheim sofort Anfang 1969 in mehreren Sitzungen mit den Themen beschäftigte. Die Fraktionen des Stadtrates besuchten Bosenheim und warben für den Abschluss eines Vertrages. Ausweislich der geschichtlichen Dokumente wurde dieser ordnungsgemäß verhandelt, dass man sich dabei an den Vorgaben der Landesregierung orientierte ist nichts Abwertendes. Auch heute verwendet jede Gemeinde, jede Stadt Mustervereinbarungen und Mustersatzungen, die von den Interessenverbänden oder aber dem Land herausgegeben werden.

Der Landtag hat sich gerade mit dem Inhalt von Auseinandersetzungsverträgen beschäftigt und hat Vorschläge und Vorgaben gemacht, was in einem solchen Vertrag hineingenommen werden kann. Und so werden in den Vorschlägen der Landesregierung ausdrücklich die Frei- und Hallenbäder genannt, die als verpflichtende Regelung in den Vertrag aufgenommen werden können. Wenn ich dann in dem Vortrag des Rechtsamtes abwertend und geringschätzig höre, dass Bosenheim ja nichts einzubringen hatte, so stimmt mich dies sehr ärgerlich.

Bosenheim hat der Stadt Bad Kreuznach Entwicklungsflächen zur Verfügung gestellt, die … zu bewerten sind. Im Gegenzug dazu muss Bosenheim heute betteln, dass das vertraglich zugesicherte Freibad erhalten bleibt und gegebenenfalls erneut wieder gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen muss. In dem Vortrag höre ich, dass es zu den Themen, die wir heute besprechen, wenig Urteile und wenig juristisches Material gebe. Auch dieses löst bei mir Kopfschütteln aus. Wenn man natürlich nichts sehen und nichts hören will, dann sieht und hört man auch nichts.

Das, was ich Ihnen heute vortrage, habe ich zu Papier gebracht und übergebe es dem Herrn Ortsvorsteher. Alles was ich gesagt habe, kann an den Stellen, die ich genannt habe, nachgelesen werden. Ich will schließen mit dem Appell an den Herrn Oberbürgermeister, dieses höchst ärgerliche und unwürdige Abwägungsverfahren zu beenden und soweit dies für ihn nicht durchsetzbar ist, weil der Stadtrat ihm nicht folgt, möge er den Weg frei geben für die gerichtliche Auseinandersetzung, damit wir alle wissen, wie hier in Zukunft zu verfahren sein wird. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.”

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