Zukunft des Bosenheimer Bades weiter unklar

Zusammengefasst von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Der Streit darüber, ob die Stadt das Bosenheimer Bad weiter unterhalten muss, wird seit Anfang der siebziger Jahre geführt. Mehrere Stadtratsbeschlüsse und mehr als 50 Jahre später ist die Frage immer noch unbeantwortet. Im Frühjahr 2022 hatte die CDU-Stadtratsfraktion per Antrag die Schliessung des Bades gefordert. Der Stadtrat hatte dies in seiner Sitzung am 15. Mai 2022 so auch beschlossen. Daraufhin reichte der Bosenheimer Ortsbeirat Klage beim Verwaltungsgericht ein. Worauf Oberbürgermeister Letz die Stadtrats-Entscheidung aussetzte. Am 29.9.2022 stimmte der Stadtrat dann der Aussetzung des Ratsbeschlusses vom 19.5.2022 zu und hob den Beschluss damit auf.

Das Bosenheimer Bad im Winterschlaf. Ob es aus dem je ein Erwachen geben wird, steht nach wie vor nicht fest.

Fast drei Monate später folgte dann eine weitere Stadtratsentscheidung. In der Sitzung am 15.12.2022 beschloss das Gremium die Einleitung eines Abwägungsverfahren über den weiteren Betrieb des Schwimmbades in Bosenheim. Dann tat sich – stadtverwaltungstypisch – erst mal … nichts. Wie die Stadtverwaltung in einer Mitteilungsvorlage vom 16.2.2024 selbst einräumt, ging es in der Sache erst im Juni 2023 weiter: “nach entsprechender Verfügung vom 21.6.2023 hat das Rechtsamt federführend das Abwägungsverfahren durchgeführt”. Der damals verantwortliche Stadtrechtsdirektor hatte zu diesem Zeitpunkt bereits entschieden die Stadtverwaltung zu verlassen.

Stadtrechtsdirektorin Marion Kruger (rechts) präsentierte im Beistand ihrer Kollegin Nicola Trierweiler in erfreulich verständlicher Sprache das Ergebnis der verwaltungsinternen Recherchen zum Abwägungsverfahren über die Zukunft des Bosenheimer Bades.

Und so fiel die kommunalrechtlich und -politisch “heisse Kartoffel” zunächst in die Hände von Nicola Trierweiler und Marion Kruger. Letztere wurde später zur Leiterin des Rechtsamtes befördert. Sie “durfte” daher – ausgerechnet in ihrer ersten Stadtratssitzung im neuen Amt – am vergangenen Donnerstag (29.2.2024) das Ergebnis des verwaltungsinternen Abwägungsverfahrens vorstellen. Selten wurde in einer städtischen Gremiensitzung von einer Juristin so verständlich über einen objektiv komplexen Sachverhalt berichtet. Auch wenn das Ergebnis, trotz vieler neuer, bisher unbekannter Informationen, keine Entscheidung bringt.

Kurz zusammengefasst sieht die Rechtslage aus Sicht des Stadtrechtamtes wie folgt aus: juristisch gibt es sowohl für die Schliessung des Bades als auch für seinen Erhalt etwa gleich gewichtige Argumente. Würde der Stadtrat die Schliessung beschliessen und der Bosenheimer Ortsbeirat dagegen klagen, sieht Marion Kruger “in einem Gerichtsverfahren das Prozessrisiko bei 50/50”. Bezogen auf das Eregbnis. Die Kosten des Verfahrens, die über den kompletten Instanzenweg (Verwaltungsgericht, Oberverwaltungsgericht, Bundesverwaltungsgericht) für beide Seiten zusammen mindestens fünfstellig sein werden, müsste die Stadt so oder so tragen.

Ganz nebenbei hat das Rechtsamt mit seiner Stellungnahme noch ein anderes Fass aufgemacht. Das in Rüdesheim und der Verbandsgemeinde Rüdesheim Fragen aufwerfen wird: sowohl im mündlichen Vortrag vor dem Rat der Stadt am 29.2.2024 als auch in der nachstehend im Wortlaut abgedruckten schriftlichen Zusammenfassung spricht das Rechtsamt wörtlich davon, dass Rüdesheim am 7. Juni 1969 nach Bad Kreuznach eingemeindet wurde. Ob das damit etwas zu tun hat, dass auch Rüdesheim über ein Freibad verfügt? Sobald der Redaktion dieser Seite die amtliche Erklärung der Stadtverwaltung zu dieser Frage vorliegt, werden wir den Grund für diese Behauptung veröfentlichen.

Kurzzusammenfassung der Mitteilung des Rechtsamts im Rahmen der Stadtratssitzung am 29.2.2024 über das Abwägungsverfahren zum Freibad Bosenheim im Wortlaut:

Vorwort des Rechtsamtes: “nachfolgende Zusammenfassung beruht auf dem mündlichen Vortrag (Ergebnismitteilung) bezüglich des Abwägungsverfahrens Freibad Bosenheim, den das Rechtsamt im Rahmen der Stadtratssitzung am 29.2.2024 erstattet hat. Es stellt kein Rechtsgutachten dar, sondern richtet sich an und dient als Gedächtnisstütze für die Stadtratsmitglieder in Verbindung mit vorgenanntem Vortrag.

Ausgewertete Unterlagen

Dem Rechtsamt lagen die in der Anlage näher aufgeführten Quellen, Stellungnahmen und Literatur vor. Es gibt nur zwei Urteile, die sich überhaupt mit Auseinandersetzungsverträgen aus Rheinland-Pfalz auseinandersetzen. Ansonsten existiert keine einschlägige Rechtsprechung oder Literatur. Hierzu unten mehr.

Problemaufriss

Zunächst ging es gemäß dem entsprechenden Beschluss des Stadtrates vom 15.12.2022 um die Durchführung eines reinen Abwägungsverfahrens. Es sollte untersucht werden, ob sich die Verhältnisse seit Abschluss des Auseinandersetzungsvertrages wesentlich geändert haben und damit ermöglichen, sich aus dem Vertrag zu lösen. Hierzu wurden entsprechende Stellungnahmen der diversen Ämter angefordert und von diesen vorgelegt. Recht schnell drängte sich die Frage in den Vordergrund, warum der streitige Vertrag als Auseinandersetzungsvertrag bezeichnet wurde.

Und nicht als Eingemeindungsvertrag. Hiermit einhergehend stellte sich die Frage, ob diese Begriffe synonym verwendbar sind. Hiervon war in den vergangenen Jahren automatisch ausgegangen worden, wenn über den Vertrag diskutiert wurde. Daher war ein Blick in die Entstehungsgeschichte des streitigen Vertrages und damit untrennbar in die Geschichte der Eingemeindung Bosenheims unabdingbar.

Historie der Eingemeindung Bosenheims

Mitte der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gab es Bestrebungen einer Verschlankung der Verwaltung bzw. der Verwaltungseinheiten in der gesamten Bundesrepublik. Dieses Vorhaben ging jedes Bundesland auf seine eigene Weise und in eigener Verantwortung an. In Baden-Württemberg zum Beispiel wählte man den Weg freiwilliger Zusammenschlüsse. Man kommunizierte gegenüber den Gemeinden den Wunsch, die Anzahl der Gemeinden durch Zusammenschlüsse zu reduzieren. Sodann gab man den Gemeinden fünf Jahre Zeit, selbst zu entscheiden und zu verhandeln ob und mit wem man zusammengehen möchte. Auf dieser Grundlage reduzierten sich die ehemals 3.379 Gemeinden auf nur noch 1.914 Gemeinden.

Im Zuge dieser freiwilligen Zusammenschlüsse gab es entsprechende Eingemeindungsverträge. Zwangsweise Zusammenschlüsse gab es danach lediglich in sehr geringem Umfang. In Rheinland-Pfalz hingegen entschied man sich von Anfang an für zwangsweise Zusammenschlüsse. Die Gemeinden hatten keinerlei Einfluss darauf, wer mit wem zusammengeschlossen wurde. Diese Entscheidung traf das Land „am Reißbrett“. Die betroffenen Gemeinden wurden zwar angehört, aber diese Anhörung schien reine Formalität gewesen zu sein. Im Zeitraum von 1966 bis 1974 erließ der Landtag Rheinland-Pfalz insgesamt 18 Landesgesetze zur Verwaltungsvereinfachung.

So wurden zunächst die Gemeinden räumlich neu geordnet, dann die kreisfreien Städte und dann die Landkreise usw. Der Plan des Landtages für Bosenheim sah zunächst vor, dass die Gemeinde aus dem Landkreis Bingen gelöst werden sollte, mit weiteren Gemeinden zu einer neuen Verbandsgemeinde zusammengeschlossen werden sollte und sodann (weiterhin als eigenständige Gemeinde) in den Landkreis Bad Kreuznach eingegliedert werden sollte. Dem stimmte der Gemeinderat zu. Dies war im August 1968. Anfang Oktober 1968 erfuhren dann die Bürger Bosenheims ohne jegliche vorherige Ankündigung durch das Land über einen Zeitungartikel davon, dass das Land die Eingemeindung nach Bad Kreuznach plane.

Sowohl der Gemeinderat als auch die Bürger waren gegen diese Eingemeindung nach Bad Kreuznach. Es gab einen entsprechenden Bürgerentscheid im November 1968, bei dem sich 78 % der Einwohner Bosenheims gegen die Eingemeindung ausgesprochen haben. Auch dem Landtag Mainz wurde im Rahmen des Anhörungsverfahrens mitgeteilt, dass man keine Eingemeindung wünsche. Hiervon ließ sich der Landtag jedoch nicht beeindrucken. Der Gemeinderat stellte sodann Überlegungen an, eine Verfassungsklage zu erheben. Zeitgleich wurden mehrere Verfassungsklagen von anderen Gemeinden vor dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz anhängig gemacht, unter anderem auch von der Nachbargemeinde Planig.

Mit dem fünften Landesgesetz über die Verwaltungsvereinfachung vom Lande Rheinland-Pfalz vom 14. Februar 1969 wurde Bosenheim zum Stichtag des 7. Juni 1969 nach Bad Kreuznach zwangseingemeindet – gemeinsam mit Planig, Ippesheim, Winzenheim und Rüdesheim. Nachdem im März 1969 der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz eine Grundsatzentscheidung gefällt hatte, dass diese Zwangseingemeindungen aus Gründen des Allgemeinwohls nicht als verfassungswidrig anzusehen sind und zudem die Klage der Nachbargemeinde Planig im April 1969 abgewiesen worden war, entschied sich der Gemeinderat Bosenheims dazu, keine Verfassungsklage zu erheben.

Ernsthafte Verhandlungen über einen Auseinandersetzungsvertrag mit der Stadt Bad Kreuznach wurden jedoch nicht aufgenommen. Die Tendenz des Gemeinderats ging zunächst dahin, einen derartigen Auseinandersetzungsvertrag der zuständigen Bezirksregierung zu überlassen. Letztlich wurde kurz vor der Eingemeindung ohne größere Verhandlungen zwischen der Gemeinde und der Stadt der Vertragsentwurf der Stadt von beiden Gremien (Gemeinderat und Stadtrat) in letzter Minute „durchgewunken“. Einiges deutet darauf hin, dass dieser Vertragsentwurf der Stadt ein ursprünglich vom Land zur Verfügung gestelltes Formular gewesen ist. Der Auseinandersetzungsvertrag datiert auf den 4.6.1969, also drei Tage vor der Eingemeindung.

Auseinandersetzungsvertrag – was ist das?

In den damaligen Gesetzen zur Verwaltungsvereinfachung wurde angeordnet, dass die von der Zwangseingemeindung betroffenen Gemeinden Auseinandersetzungsverträge schließen müssen. Sollte dies nicht bis zum Tag der Eingemeindung geschehen sein, so ordnete das Gesetz an, dass es zwangsweise Auseinandersetzungsverträge durch die jeweiligen Bezirksregierungen geben soll. Es gab keine Freiwilligkeit hinsichtlich dessen, dass letztlich ein Auseinandersetzungsvertrag existieren musste. Diese waren nach Abschluss durch die Bezirksregierung zu bestätigen. Die Bestätigung diente lediglich der Kontrolle, dass entsprechende Auseinandersetzungsverträge geschlossen worden waren.

Sie hatten nicht die Funktion einer Bewilligung oder inhaltlichen Prüfung durch die Bezirksregierung. Auch inhaltlich gab es durch das Gesetz großenteils genaue Vorgaben, was und auf welche Weise Angelegenheiten geregelt werden sollten. Zum Beispiel wurde vorgeschrieben, dass Ortsbezirke für die aufgelösten Gemeinden zu bilden seien oder dass bereits beschlossene Maßnahmen durchzuführen seien. Ziel der Auseinandersetzungsverträge war es, Einzelheiten festzuhalten. In den Gesetzen gaben 15 Paragrafen den genauen Inhalt überwiegend exakt vor. Tatsächlich ist vieles im streitigen Auseinandersetzungsvertrag fast wörtlich aus dem jeweiligen Gesetzestext abgeschrieben.

Festzuhalten ist, dass das damalige Gesetz selbst das Wort „Auseinandersetzungsverträge“ nutzt und nicht das Wort Eingemeindungsverträge, obwohl diese Verträge Inhalte zu (Zwangs-)Eingemeindungen regelten. Dem Landesgesetzgeber war auch zum damaligen Zeitpunkt der Begriff des Eingemeindungsvertrages und seine Bedeutung bewusst. Wenn man der Frage nachgeht, woher der Begriff Auseinandersetzungsvertrag kommt und ob er vielleicht in anderen Rechtsgebieten Verwendung findet, stellt man fest, dass dieser Begriff im Zivilrecht bekannt ist. Hier kennt man diesen Begriff vor allem in Bezug auf Gesellschaften und im Bereich des Erbrechts.

Es gibt z.B. die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft oder die Auseinandersetzung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mittels Auseinandersetzungsverträgen. Diese Art Auseinandersetzungsverträge haben das Ziel, das Vermögen (der Gesellschaft oder der Erbengemeinschaft) zu verteilen und die Gesellschaft bzw. Erbengemeinschaft aufzulösen. Die Gesellschaft bzw. Erbengemeinschaft wird durch den Auseinandersetzungvertrag endgültig abgewickelt. Sieht man sich in der juristischen Literatur und Rechtsprechung den Begriff „Eingemeindungsvertrag“ an, so wird deutlich, dass dieser zwei Voraussetzungen hat: Eingemeindungen beruhen auf freiwilligen Zusammenschlüssen und haben ein Austauschverhältnis.

Bei dieser Art Eingemeindungen entscheiden die Gemeinden daher frei über das „Ob“ und über das „Wie“ einer Eingemeindung und regeln dies dann in einem Eingemeindungsvertrag. Eine Gemeinde gibt ihre Selbstständigkeit freiwillig auf und erhält im Gegenzug von der aufnehmenden Gemeinde entsprechende Zusagen. Diese Eingemeindungsverträge sind grundsätzlich bindend (können jedoch bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse ggf. gekündigt werden). Ein derartiger Fall liegt bei der Eingemeindung Bosenheims nicht vor, denn diese Eingemeindung war durch Gesetz des Landes Rheinland-Pfalz erzwungen. Der Auseinandersetzungsvertrag ist daher kein Eingemeindungsvertrag im juristischen Sinne.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass in dem streitigen Auseinandersetzungsvertrag nicht geregelt ist, dass Bosenheim nach Bad Kreuznach eingemeindet wird – dies wird vielmehr als Tatsache vorausgesetzt. Es ist deutlich, dass der damalige Landesgesetzgeber ganz bewusst die Formulierung „Auseinandersetzungsvertrag“ gewählt hat. In diesen Auseinandersetzungsverträgen sollte nur noch das „Wie“ der Eingemeindungen geregelt werden. Und selbst dieses „Wie“ war in großen Teilen durch das Gesetz selbst vorgegeben.

Der streitige Auseinandersetzungsvertrag lässt sich am ehesten mit einer Art Abwicklungsvertrag vergleichen. Er muss zusammen mit seiner Entstehungsgeschichte und dem Entstehungshintergrund bewertet und ausgelegt werden. Aus diesem Grunde sind sowohl Literatur als auch Gerichtsentscheidungen nur verwertbar, wenn es um Auseinandersetzungsverträge in Rheinland-Pfalz aufgrund der damaligen Verwaltungsvereinfachungsgesetze geht. Die Literatur zu Eingemeindungen aus dieser Zeit lässt sich daher nicht verwenden.

Denn es geht in der einen Dissertation wie auch in der einen Bachelorarbeit, die zu Eingemeindungen aus der Zeit der damaligen Kommunalreform vorliegen, um das Land Baden-Württemberg. Wie bereits ausgeführt ging Baden-Württemberg jedoch den Weg der freiwilligen Zusammenschlüsse. Diese Eingemeindungsverträge, mit denen sich die Dissertation als auch die Bachelorarbeit auseinandersetzen, sind daher nicht mit den Auseinandersetzungsverträgen aus Rheinland-Pfalz vergleichbar. Ebenso wenig sind Urteile über Eingemeindungen nachfolgender Zeit aus Rheinland-Pfalz verwertbar.

Es finden sich in Bezug auf die damalige Kommunalreform in Rheinland-Pfalzund die damals geschlossenen Auseinandersetzungsverträge nur zwei Urteile. Bei einem geht es um einen Streit zwischen Mainz und Laubenheim und bei dem anderen geht es um einen Streit zwischen Ingelheim und Groß-Winternheim. Beide beschäftigen sich jedoch nicht mit der Problematik oder Frage, ob die damaligen Auseinandersetzungsverträge heute noch einzuhalten sind. Es lassen sich hier lediglich am Rande Schlüsse zu der hier vorliegenden Problemstellung ziehen.

Welche Bindungswirkung hat der Auseinandersetzungsvertrag (noch)?

Da der Auseinandersetzungsvertrag kein Eingemeindungsvertrag ist, sondern vielmehr eine Art Abwicklungsvertrag, stellt sich die Frage, ob er nach 55 Jahren noch eine Bindungswirkung entfaltet oder ob er sich zwischenzeitlich „erledigt“ hat. Da es hierzu weder Rechtsprechung noch Literatur gibt, ist dies die Kernfrage. Sie unterliegt der juristischen Auslegung. Bei den aktuell zwei Juristinnen im Rechtsamt wird diese Kernfrage in der Tat gegenteilig ausgelegt. Dies ist nichts Außergewöhnliches, sondern vielmehr absolut normal, wenn es um die Auslegung von Sachverhalten oder Verträgen geht, zu denen keinerlei Literatur oder Rechtsprechung existiert.

Mit jeweils guten Gründen lassen sich gegenteilige Meinungen juristisch vertreten. Nach einer Meinung entfaltet der Auseinandersetzungsvertrag heute keinerlei Wirkung mehr. Er hat sich erledigt. Denn der Sinn und Zweck des Vertrages war lediglich, den Übergang zu regeln und eine Eingliederung zu erleichtern. Diese Übergangsphase ist lange vorbei. Nach allen Unterlagen spielte zudem das Freibad bei Vertragsschluss keinerlei Rolle und wurde auch in der Berichterstattung der damaligen Zeit mit keinem Wort erwähnt. Weiterhin wurde im Vertrag selbst keine dauerhafte Bindung abgesichert.

Man hätte hier z.B. regeln können, dass eine etwaige Schließung nur mit Zustimmung des Ortsbeirats Bosenheims erfolgen darf. An anderen Stellen wurden solche Absicherungen durch die „Absegnung“ des Ortsbeirats konkret formuliert, in Bezug auf das Freibad nicht. Ebenso ist festzuhalten, dass Kreuznach keinerlei Gegenleistung in Form der Aufgabe der Selbständigkeit von Bosenheim empfangen hat. Bosenheim konnte auch keine Gegenleistung anbieten, da der Gemeinde Bosenheim die Entscheidung über die Aufgabe der Selbstständigkeit durch das Land abgenommen worden war. Im Gegenzug trafen die Stadt Bad Kreuznach nur (gesetzlich angeordnete) Pflichten.

Weiter ist festzuhalten, dass es keine Vertragsverhandlungen im eigentlichen Sinne gegeben hat. Der Vertrag war für beide Seiten zwingend zu schließen und zwar nach den sehr konkreten Vorgaben des Gesetzes. Daher war auch für die Stadt Bad Kreuznach kein gänzlich freies Verhandeln möglich. Viele Inhalte aus dem Auseinandersetzungsvertrag wurden rein deklaratorisch aus dem Gesetz übernommen. Einige Anhaltspunkte sprechen für die Vermutung, dass von der Stadt Bad Kreuznach damals ein Muster vom Land übernommen wurde, bei dem an entsprechender Stelle schlicht aufgelistet wurde, welche Einrichtung(en) in den jeweiligen einzugemeindenden Gemeinden vorhanden waren.

Und dass dann schlicht diese Einrichtungen eingetragen worden sind. Ebenfalls kann argumentiert werden, dass objektiv damals nicht bezweckt gewesen sein kann, dass das Schwimmbad bis in alle Ewigkeit zu erhalten ist. Viel wahrscheinlicher ist davon auszugehen, dass keine der damaligen Vertragsparteien überhaupt an das Schwimmbad und vor allem die Dauer seiner Erhaltung gedacht hat. Außerdem griffe es zu sehr in das Selbstverwaltungsrecht aller damaligen aufnehmenden Gemeinden ein, wenn man eine derartige Ewigkeitsbindung zuließe. Das kann vom damaligen Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sein.

Dies wird bestärkt dadurch, dass gemäß einschlägiger Verwaltungsvorschrift schon seit geraumer Zeit eine derartige ewige Bindung schon bei Eingemeindungsverträgen nicht mehr zulässig sind. Außerdem hat das Verwaltungsgericht Mainz in dem Urteil betreffs des Streites zwischen Groß-Winternheim und Ingelheim am Rande bemerkt, dass es in bestimmten Konstellationen sogar denkbar wäre, dass ein Ortsbezirk wieder aufgelöst würde. Dies sogar vor dem Hintergrund, dass eine Einrichtung der Ortsbezirke damals explizit im Gesetz angeordnet gewesen ist. Die Anordnung, eine Einrichtung einer aufgelösten Gemeinde, wie z.B. ein Freibad, zu übernehmen war nicht derart explizit angeordnet.

Eine andere Meinung, die man vertreten kann ist, dass die Bindung noch heute fortbesteht. Auch wenn der Auseinandersetzungsvertrag kein Austauschvertrag wie der Eingemeindungsvertrag ist, bedeutet dies nicht, dass er weniger bindend sein muss. Das Rechtssystem kenn auch einseitig bindende Verträge. Der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind (Rechtsgrundsatz des „pacta sunt servanda“) gilt hier ebenso. Auch wenn ein Muster als Vorlage verwendet wurde, macht dies die getroffenen Vereinbarungen nicht weniger verbindlich. Betrachtet man die konkrete Regelung zum Schwimmbad ist zum Einen festzustellen, dass dort wörtlich geregelt ist, dass das Schwimmbad zu betreiben ist.

Und die Benutzung dieser Einrichtung den Einwohnern zu gewährleisten ist. Diese Formulierung bedeutet in der juristischen wörtlichen Auslegung, dass keine Wahlmöglichkeit besteht. Es stellt eine „Muss“-Regelung dar. Es ist gerade keine zeitliche Einschränkung gemacht worden. Zum anderen ist im Gegensatz hierzu z.B. im Vertrag geregelt, dass das Gemeindehaus nur vorerst als Gemeindehaus erhalten bleiben soll. Es wurde jedoch nicht geregelt, dass das Freibad auch nur vorläufig erhalten bleiben soll. Dies zeigt, dass hinsichtlich der vorhandenen Einrichtungen bewusst differenziert wurde.

Einer fortdauernden Bindung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Vertrag einem wohl vorgegebenen Muster des Landes folgt und im Übrigen hauptsächlich deklaratorische Regelungen trifft. Die Stadt und Bosenheim hätten einen derartigen Vertrag letztlich auch nicht schließen müssen und hätten die Regelung der Bezirksregierung überlassen können. Das wurde aber gerade nicht gemacht. Literatur und Rechtsprechung zu Eingemeindungsverträgen sind nicht direkt und 1:1 auf Auseinandersetzungsverträge anzuwenden. Sie können aber durchaus „entsprechend“ angewendet werden, da wo Eingemeindungs- und Auseinandersetzungsverträge vergleichbare Sachverhalte betreffen.

So führt der wissenschaftliche Dienst in seinem Gutachten zu Eingemeindungsverträgen aus, dass durch Auslegung zu ermitteln sei, was in zeitlicher Hinsicht zur Bindung gemeint gewesen sei. Dabei ist der wissenschaftliche Dienst der Ansicht, dass bei Eingemeindungsverträgen grundsätzlich von einer unbefristeten Bindung auszugehen sei. Denn „Eingemeindungsverträge wurden gerade zu dem Zweck abgeschlossen, dass die aufnehmende Gemeinde getroffene Zusagen später als nicht mehr zweckmäßig erachtet.“ Das kann man auch hinsichtlich der vertraglichen Regelung der Gestaltung der Eingemeindung und damit der Zusagen im Rahmen eines Auseinandersetzungsvertrages so verstehen.

Bei Bejahung einer Bindungswirkung: Wesentliche Änderung der Verhältnisse?

Hier geht es um das eigentliche Abwägungsverfahren. Die Frage, ob sich die Verhältnisse gegenüber den Verhältnissen im Jahr 1969 bezogen auf das Schwimmbad wesentlich verändert haben, muss im Ergebnis wohl eher verneint werden. Nach Auswertung der beim Rechtsamt eingegangenen Stellungnahmen ist festzuhalten, dass das Freibad in allen wesentlichen Belangen weder damals noch heute eine besondere Rolle spielte. Es wurde damals wie heute vor allem von den Einwohnern Bosenheims und der direkt angrenzenden Gemeinden/Ortsbezirke genutzt.

Außerdem war das Bad auch schon immer defizitär. Dennoch ist fraglich, ob ein Gericht bei Annahme einer Bindungswirkung der Stadt und bei Annahme, dass sich die Verhältnisse nicht wesentlich geändert hätten, die Stadt Bad Kreuznach tatsächlich verpflichten würde, das Bad quasi auf Gedeih und Verderb auf ewig weiter zu betreiben. Gerade angesichts der Tatsache, dass es sich hierbei eigentlich um eine freiwillige Aufgabe der Gemeinde handelt und der Haushalt schwierig ist.

Gesamtergebnis

Die vom Stadtrat gestellte Kernfrage ist, ob ein Beschluss zur Schließung des Bades durch den Stadtrat möglich ist. Hierauf gibt es juristisch keine eindeutige Antwort. Aus den vorgetragenen Gründen ist es juristisch vertretbar, zu sagen, dass die Stadt nicht verpflichtet werden kann, das Bad weiter zu betreiben. Die Entscheidung hierüber obliegt dem Stadtrat. Sollte der Stadtrat nach vorheriger Anhörung des Ortsbeirats von Bosenheim einen Beschluss zur Schließung des Bades fassen, läge in einem sodann zu erwartenden Gerichtsverfahren das Prozessrisiko bei 50/50.

Hier kommt es darauf an, wie die bei Gericht mit der Angelegenheit befassten Juristen/Richter die Frage nach der Bindungswirkung des Auseinandersetzungsvertrages beantworten. Der Ausgang eines derartigen Gerichtsverfahrens ist daher offen. Seitens des Rechtsamts wurde daher ganz bewusst darauf verzichtet, eine Beschlussvorlage einzubringen. Es obliegt der Entscheidung des Stadtrates, wie mit dem Bad zu verfahren ist. Der Stadtrat kann frei entscheiden, ob das Bad saniert und weiterbetrieben oder ob es endgültig geschlossen werden soll. Lediglich für den letzteren Fall wurde hiermit aufgezeigt, wo die rechtlichen Risiken liegen”.