Im Hauptausschuss prallen Theorie und Wirklichkeit aufeinander

Kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Es gibt viel zu kritisieren an den Informationsmöglichkeiten über kommunalrechtliche Fragen. Mit ein bisschen Mühe kann jeder Depp im Internet eine Bauanleitung für Bomben finden. Atombomben. Auch für solche, die mit Material aus dem Baumarkt und einer Drogerie komponiert werden. Wer dagegen im www rechtliche Details der Arbeit von Gemeinde- und Stadträten sucht, findet … das Kommunalbrevier. Also so gut wie nichts. Denn in dem öffentlich frei zugänglichen Handbuch, das alle hiesigen Stadtratsmitglieder mit ihrer Verpflichtung in gebundener Form als Begrüssungsgeschenk im Ehrenamt erhalten, sind eine Vielzahl relevanter kommunalpolitischer Alltagsfragen nicht geklärt.

So wäre es, wenn … tatsächlich wird es zusätzliche Gewinner und Verlierer geben.

Nicht einmal annährend. Auch zu jenen nicht, zu denen die heute noch gültige Rechtsprechung schon Jahrzehnte alt ist. In kaum einem Politikbereich gilt das alte Motto, “Wissen ist Macht”, so sehr, wie bezüglich der Kommunalpolitik. Das liegt daran, dass die demokratische Grundstruktur auf die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker ausgerichtet ist. Der dominante bürokratische Überbau aber allein aus Sicht der hauptamtlichen Verwaltung gestaltet wird. Und der für die Gesetze zuständige Landtag und die für die Hilfestellungen zuständige Landesregierung natürlich ganz auf der Seite ihrer Kolleg*Innen im öffentlichen Dienst stehen.

Das macht den ehrenamtlichen Mandatsträger*Innen ihre ohnehin schon anspruchsvolle Aufgabe noch schwerer. Jenen, die Mitglieder des städtischen Hauptausschusses sind, treffen sich am kommenden Montag (19.2.2024) zu einem der Themen, bei dem es in der Vergangenheit schon Auseinandersetzungen gab. Es geht um die Neuwahl der Ausschüsse. Seit dem diese Seite auf das Erfordernis dazu hingewiesen hat, gibt es Anstrengungen einzelner Ratsmitglieder, die die Neuwahl gern vermeiden würden. Deren Hauptargument: die Wahlzeit des Stadtrates – und damit auch die der von ihm gebildeten Ausschüsse – endet am 30. Juni.

Für die viereinhalb Monate bis dahin lohne die Neuwahl nicht. Sondern schaffe nur Unruhe. Das mag ja sein. Also das mit der Unruhe. Sicherlich wird eine Neuwahl zu neuen Besetzungen führen. Einerseits wegen der Verschiebungen der Zahl der Plätze, die auf die einzelnen Fraktionen und Parteien entfallen (diese Seite berichtete). Aber auch, weil in den einzelnen politischen Gruppen hinsichtlich der Kommunalwahl personalpolitische Gärungsprozesse stattfanden und stattfinden, die sich in teils sehr konkreten Veränderungsvorstellungen ausformen. Warum sollten auch Personen in Ausschüsse jetzt wiedergewählt werden, die in ihren Fraktionen keine Zukunft mehr haben.

Aufgrund eigener Entscheidung (wie bei Dr. Heinz Rüddel und Günter Meurer, SPD). Oder weil die eigenen Parteifreunde sich distanzierten (wie bei Lothar Bastian, Grüne). Ja, diese Ausschussneuwahl sorgt für Gesprächsbedarf. Die Hoffnung sie abwenden zu können, ist allerdings abwegig. Das hat das rheinland-pfälzische Innenministerium auf Anfrage der Redaktion dieser Seite klargestellt. Wenn die beiden im Gesetz angeführten Bedingungen erfüllt sind, muss neu gewählt werden: “diese Entscheidung steht nach der gesetzlichen Vorgabe nicht zur Disposition der kommunalen Vertretungskörperschaft”. Meint: selbst einstimmig könnte der Stadtrat die Neuwahl nicht abwenden.

Das Ministerium stellt fest, dass “die maßgebliche Regelung über die Neuwahl von Ausschussmitgliedern aufgrund von Veränderungen während der laufenden Wahlzeit in § 45 Abs. 3 der Gemeindeordnung (GemO) geregelt ist”. Demnach sind die Ausschüsse neu zu wählen, wenn sich die Stärkeverhältnisse der im Gemeinderat vertretenen politischen Gruppen ändern und sich aufgrund dieser Veränderung eine andere Verteilung der Ausschusssitze ergibt. Liegen diese beiden Voraussetzungen kumulativ vor, „sind“ die Ausschussmitglieder neu zu wählen”. Damit ist klar: am 29.2. werden die Ausschüsse neu besetzt. Ganz egal wieviele Stadtratsmitglieder an der Sitzung teilnehmen.

Reine Theorie sind die von der Stadtverwaltung dazu erstellten Tabellen und Rechenmodelle, die am Montag im Hauptausschuss beraten werden. Die Zahlen stimmen. Theoretisch. Praktisch wurde schon lange nicht mehr so abgestimmt, wie es die nackten Zahlen hergeben. Denn die aus der Kommunalwahl 2019 hervorgegangenen Solitäre und andere können sich zu Wahlgemeinschaften zusammenschliessen. Und so Ausschussplätze für sich ergattern, die anderen verloren gehen. Verluste müssen auch Fraktionen hinnehmen, deren Mitglieder am 29.2. nicht vollzählig an der Stadtratssitzung teilnehmen können. Wie dies bei der CDU voraussichtlich der Fall sein wird.

Alle, die sich über den Vorgang als solchen und / oder die Veränderungen ärgern, sollten nicht vergessen, wem sie die zu verdanken haben. Auslöser ist nach Auskunft der Stadtverwaltung der Austritt von Jürgen Eitel aus der FDP. Dort war Eitel nach jahrzehntelanger Mitarbeit in Ungnade gefallen. Erst hat man ihn vom Vorsitzenden zum Ehrenvorsitzenden gewählt. Um ihm diesen Posten dann wieder wegnehmen zu wollen. Wobei Jürgen Eitel ja nicht der einzige FDP-Streitfall ist. Mariana Ruhl ist eben leidensfähiger und solidarischer. Und sitzt daher noch heute in der FDP-Fraktion, für die sie am 9.6.2024 auf eigenen, von Parteifreunden motivierten Wunsch nicht mehr kandidiert.