Jürgen Locher bleibt der Linken treu

Beobachtet und kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Schon der Start in die aktuelle Legislaturperiode war schwierig. Bei der letzten Bundestagswahl im September 2021 scheiterte “Die Linke” an der 5%-Hürde. Trotzdem sitzt die Linkspartei mit einigen Dutzend Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Aufgrund einer Sonderregelung, die bei der Gestaltung des Grundgesetzes per Hintergedanke für die CSU festgeschrieben wurde. Für eine Partei, deren Kandidat*Innen mindestens drei Bundestags-Direktmandate gewinnen, gilt die 5%-Klausel nämlich nicht. Richtige Freude über diesen Erfolg auf dem Sonderweg kam bei den Linken allerdings nie auf.

Die aktuelle Fraktion der Linken im Stadtrat: Jürgen Locher (am Mikrophon) und Bianca Steimle.

Denn ab dem ersten Tag wurde die Linken-Bundestagsfraktion mit der Spaltungs-Frage konfrontiert. Die ehemalige Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht kokettierte immer wieder medienwirksam mit der Idee, eine neue Partei zu gründen. Seit wenigen Tagen steht fest: das “Bündnis Sahra Wagenknecht” wird kommen. Die Protagonistin stellt das Projekt am heutigen Montag (23.10.2023) der Bundespressekonferenz in Berlin vor. Wagenknechts Begründung: sie will “eine politische Leerstelle in der deutschen Parteienlandschaft füllen”.

Auswirkungen dürften sich von der Bundeshauptstadt bis nach Bad Kreuznach ergeben. Im Rat der Stadt ist die Linke aktuell mit einer zweiköpfigen Fraktion vertreten. Jürgen Locher und Bianca Steimle wurden 2019 in den Stadtrat gewählt. Den beiden stellt sich jetzt die Frage: bei den Linken bleiben – oder ins Bündnis Sahra Wagenknecht wechseln? Jürgen Locher hat diese auf Anfrage der Redaktion dieser Seite unmissverständlich beantwortet: “für mich kann ich sagen, dass ich weder dem Verein noch der kommenden Partei von S. Wagenknecht beitreten werde.

Ich halte ihre Aktionen für unverantwortlich. Sie werden in Summe zu einer Schwächung der politischen LINKEN in Deutschland führen”. Wie sich die Aktivitäten von Wagenknecht auf die LINKE in Stadt und Kreis Bad Kreuznach auswirken werde, sei in “2 bis 3 Wochen” absehbar. Natürlich hatten wir auch Bianca Steimle um eine Stellungnahme gebeten. Haben aber keine erhalten. Klar ist: eine örtliche Spaltung der Linken würde das Parteispektrum in und um Bad Kreuznach weiter auffächern.

Bei der Kommunalwahl 2019 traten elf unterschiedliche Parteien und freie Wählervereinigungen (CDU, SPD, Grüne, AfD, FDP, Die Linke, Freie Wähler, Faire Liste, FWG, PBK und BüFEP) an. Und sitzen seit dem alle im Stadtrat. Nach dem aktuellen Stand sieht es so aus, als würden alle elf erneut kandidieren. Zusätzlich haben Holger Grumbach (Ex-SPD) und Werner Klopfer (Ex-CDU und Ex-Bürgerliste) ihr Interesse am Aufstellen eigener Listen öffentlich angekündigt. Dazu kommt eine Spaltungsbewegung aus dem FDP-Stadtverband.

Damit sind nicht Jürgen Eitel und Wolfgang Bouffleur gemeint. Die beiden FDP-Mitglieder, von denen sich Werner Lorenz und Mariana Ruhl mit Unterstützung des FDP-Stadtverbandsvorsitzenden Christoph Anheuser distanziert haben. Und die seit dem vergangenen Jahr als Fraktion “Liberale Wähler” im Stadtrat aktiv sind. Sondern jene mehrere Dutzend neue Mitglieder, die sich den Liberalen im Zusammenhang mit der OB-Wahl im März 2022 angeschlossen haben.

Darunter einige Politikneulinge, die bis heute nicht verstanden haben, dass das Ergebnis nicht eines für den FDP-Kandidaten Emanuel Letz war. Sondern in erster Linie gegen die bereits im ersten Wahlgang krachend abgewählte Ex-OBin Dr. Heike Kaster-Meurer. Und im zweiten Wahlgang gegen die nach 16 Jahren Großer Koalition im Bund noch immer nicht erneuerte CDU (zumal deren Kandidatin ortsfremd war). Im Frühjahr und Sommer träumten vor allem Neu-Liberale von einem zweistelligen Kommunalwahlergebnis 2024. Und entsprechend vielen Stadtratsmandaten.

Um so härter der FDP bundespolitisch der Wind ins Gesicht blies und um so mehr Kritik sich an der Letz-Amtsführung (aktuell in der Variante “mit Geschäftsleitung”) erhob, um so klarer wurde Alt- wie Neuliberalen: so viele Stadtratsplätze, wie gewünscht, wird es nicht geben. Mit der Folge, dass nicht nur die Frage, wer wo auf der Liste steht, zum internen Politikum wurde. Sondern auch die Frage, wer überhaupt auf die Liste kommt. Diese Stimmungslage sorgt dafür, dass ein Teil der Neu-Liberalen bereits auf der Suche nach der nächsten Karriere-Plattform ist.

Diesem Personenkreis nicht zur Verfügung steht die kommunalpolitische Initiative, die sich aus dem “Team Valentino” entwickelt hat. Dort haben sich – unbeachtet von der etablierten Kommunalpolitik – mittlerweile drei Dutzend Einwohner*Innen zusammengefunden, die bereits seit Monaten an einer inhaltlichen Plattform arbeiten. Einer der Eckpfeiler ist die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in die Stadtpolitik. Klare Forderungen stellt die Gruppe auch an die Arbeit der Stadtverwaltung. Diese müsse vom Selbstzweck endlich zu einer Serviceeinrichtung für die Bürger*Innen werden.

Als Negativ-Beispiel dient der Reforminitiative die Öffentlichkeitsarbeit der Stadtverwaltung. Diese bestehe aktuell überwiegend aus Selbstdarstellung hauptamtlicher Funktionsträger*Innen. Notwendige und für die Einwohner*Innen relevante Sachinformationen würden vernachlässigt. Die Kritiker*Innen dieser zusätzlichen kommunalpolitischen Angebote sitzen – wenig überraschend – in den Altparteien. Vor allem bei CDU und SPD. Die beschäftigen sich halt bis zur völligen Marginalisierung lieber mit sich selbst. Als mit den Problemen der Menschen. Und wundern sich dann, wieso die sich für sie immer weniger interessieren.