Stadtbauamt täuscht den Planungsausschuss mit falschen Angaben

Beobachtet und kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Dreieinhalb Jahre hatte die Stadtverwaltung Zeit, um sich mit der landesgesetzlichen Einführung “Wiederkehrender Beiträge” beim Strassenausbau vertraut zu machen. Auf Steuerzahlerkosten steht den Baufachleuten sogar juristisches Fachpersonal zusätzlich zur Verfügung. Und doch ist in der Sondersitzung des Planungsausschusses (PLUV) am Dienstag dieser Woche (26.9.2023) zum kommunalpolitischen GAU gekommen: das Stadtbaumt hat den Planungsausschuss mit falschen Angaben getäuscht. Dabei geht es, auf die Jahrzehnte hochgerechnet, um Millionen Euro Bürgergeld.

Diese schriftlich in den Beratungsunterlagen festgehalte Behauptung ist unwahr: der Winzenheimer Durchgangsverkehr verläuft eben nicht nur über Kreisstrassen. Leider war Rainer Wirz der einzige mit Rederecht in der Sitzung, der das wusste und sagte. Den anderen Unwissenden, die ohne jede Selbstzweifel trotzdem an Entscheidungen mitwirken, ist die Bevölkerung schutzlos ausgeliefert.

Konkret um die Frage, ob der Durchgangsverkehr in Winzenheim über Stadtstrassen fliesst. Oder über Kreisstrassen. Wäre letzteres der Fall, wie die Verwaltung es behauptet, müßten die Winzenheimer Grundstückseigentümer 80% aller Ausbaukosten tragen. Würde der Verkehr teilweise über Stadtstrassen fliessen, müsste die Stadt mindestens 5% mehr der Kosten, also 25% übernehmen. Und die Eigentümer der Winzenheimer Grundstücke nur 75%. Nach dem die Verwaltung Ihre 80 zu 20 – Planung im Ausschuss vorgestellt hatte, meldete sich u.a. Rainer Wirz (CDU) zu Wort.

Er widersprach als einziger Redner der von der Verwaltung grafisch, schriftlich und mündlich vorgestellten Behauptung, neben der Kirch- sei auch die Bretzenheimer Strasse eine Kreisstrasse: “definitiv falsch, weil die Bretzenheimer Strasse ist meines Wissens maximal 25% Kreisstrasse, nur die Kirchstrasse ist Kreisstrasse, der Rest ist Stadtstrasse”. Dieser – im Wesentlichen zutreffenden – Darstellung des Winzenheimer Stadtrats- und Ausschussmitgliedes widersprach der beim Stadtbauamt für Erschließung, Ausbau und Beiträge zuständige Mitarbeiter Klaus-Dieter Simon:

“Also die Bretzenheimer Strasse ist eine Kreisstrasse komplett. Komplett. Geht durch”. Die Redaktion dieser Seite hat daraufhin bei der Kreisverwaltung nachgefragt. Die ist für alle Kreisstrassen der Strassenbaulastträger – und weiss daher genau, für was sie zuständig ist. Und für was nicht. Kreispressesprecher Benjamin Hilger konnte den Sachverhalt durch die Mitarbeiter der dort zuständigen Kollegen in kurzer Zeit aufklären: “Die K 49 verläuft von Bretzenheim kommend durch Winzenheim (Bretzenheimer Straße und Kirchstraße) in Richtung Breitenfelser Hof”.

Auch der von dieser Seite befragte Winzenheimer Ortsvorsteher Mirko Helmut Kohl, der aus beruflichen Gründen nicht an der PLUV-Sitzung teilnehmen konnte, war aus dem Stegreif in der Lage, die verzwickte Sachlage zu beschreiben: “wer von Bretzenheim durch Winzenheim Richtung Breitenfelser Hof fährt, bleibt durchgängig auf der K 49. Wer in umgekehrter Richtung fährt – nicht. Denn in Gegenrichtung muss ja um das Hofgut Zweifel herumgefahren werden unter Benutzung der neu sanierten Marktstrasse. Diese ist ebenso eine reine Stadtstrasse wie jener Teil der Bretzenheimer Strasse, der dann in östlicher Richtung bis zum Plaggen befahren werden muss”.

Mirko Kohl, der auch im Kreistag sitzt und das Thema “Kreisstrassen” daher zur Genüge kennt, stellt fest: “die gesamte Bretzenheimer Strasse von der Ortseinfahrt von der B 41 kommend bis zum Plaggen ist eine Stadtstrasse”. Und fordert mit dieser Begründung eine Hochstufung des Stadtanteiles von 20 auf 25%. In der Sitzung des PLUV am 26.9. hatte CDU-Fraktionschef Manfred Rapp darum gebeten, insbesondere die Prozentsätze nicht zu beschliessen. Sondern es bei der Festlegung der 14 Ausbauzonen zu belassen. Mit diesem Wunsch konnte er sich nach langen Hin und Her schließlich durchsetzen.

Seinen zweiten Vorschlag, mit den Prozentsätzen den für Geldfragen eigentlich zuständigen Finanzausschuss zu befassen, verfolgte Rapp wegen des Widerspruches von OB, SPD, Grünen und Linken entnervt leider nicht weiter. Jetzt zeigt sich, dass es eben doch richtig ist, auch vordergründig aussichtslose Position zu vertreten. Wenn sich nämlich im Nachhinein, wie dies bei dieser Stadtverwaltung ja häufiger der Fall ist, die Fehlerhaftigkeit deren Angaben herausstellt, kann den Bürger*innen wenigstens nachgewiesen werden, dass ihre Interessen immerhin von einigen der Mandatsträger*Innen vertreten werden.

Der am 26.9. im PLUV gefasste Beschluss ist jedenfalls bereits jetzt Makulatur. Dem wäre nicht so, wenn der am 2.10. tagende Finanzausschuss mit der Thematik befasst worden wäre. Beschlossen wurde auf Vorschlag des Oberbürgermeisters nämlich: “wir treffen heute den Beschluss, in der übernächsten Stadtratssitzung (Anmerkung der Redaktion: die findet laut amtlichem Terminkalender in rund zwei Wochen am 12. Oktober 2023 statt) diskutieren wir ausschließlich dann noch einmal, ob es eine Veränderung der Gemeindeanteile gibt”. Dieser Beschluss wurde mit großer Mehrheit angenommen.

Anschließend machte der Oberbürgermeister die ganze Naivität deutlich, mit der die Verwaltungsspitze das Jahrhundertprojekt “Wiederkehrende Beiträge” angegangen ist: “wenn überhaupt, das muss ja auch nicht aufkommen”, stellte Letz die Gemeindeanteile betreffend fest. Schon einige Stunden später war klar: sowohl wegen Winzenheim als auch wegen Fehlern in der Bosenheim betreffenden Berechnung wird es Veränderungen geben müssen. Wohlgemerkt: weil Stadtverwaltung, viele Stadtrats- und Ausschussmitglieder nicht einmal alle Stadtstrassen kennen. Bzw im Fall Bosenheim die tatsächlichen Verkehrsströme auf den Stadtstrassen. Für Letz besonders peinlich: er wohnt in Bosenheim.