Wieder scheitert Letz: CDU, SPD + Linke für Transparenz und gegen Hinterzimmer

Recherchiert und bewertet von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Es ist noch keine sechs Monate her. Im Wahlkampf um das Amt des Oberbürgermeisters sprach sich Emanuel Letz gegen Hinterzimmerpolitik und für Transparenz aus. Offensichtlich hat der – auch wegen solcher Forderungen – gewählte FDP-Kandidat die Wähler*Innen getäuscht. Denn seit seinem Amtsantritt macht Letz das genaue Gegenteil von dem, was er persönlich dem Wahlvolk versprochen hat. Statt relevante, die Bevölkerung beschäftigende oder betreffende Themen in den amtlichen Gremien zu diskutieren, statt eine der gesetzlich vorgeschriebenen Einwohnerversammlungen durchzuführen, versucht Emanuel Letz, wie im Fall der Sondersitzung des Planungsausschusses zum Stau-Chaos und der illegalen Grundwasserentnahme, öffentliche Termine zu vermeiden oder zu verschieben.

Presseanfragen wurden anfangs teils gar nicht oder unvollständig beantwortet. Und am Montag dieser Woche, der OB befindet sich noch immer im Urlaub, setzte er noch einen drauf. Und ließ über sein Sekretariat die Fraktionsvorsitzenden zu einem Treffen einladen. Das soll am Freitag den 9. September stattfinden. Thema: eine Veränderung der Dezernatsverteilung. Wer sich in den kommunalrechtlichen Vorschriften auskennt weiß: das Gremium “Fraktionsvorsitzenden-Konferenz” ist in der Gemeindeordnung nicht definiert. Demnach hat der OB zur Aussprache über ein kommunalpolitisch höchst bedeutendes Thema, nämlich welcher der drei Stadtvorstandsmitglieder für welche Arbeitsfelder der Stadtverwaltung zukünftig zuständig sein soll, eine rechtlich dazu nicht legitimierte Gruppe eingeladen.

Diesem juristischen und politischen Fehler ging ein weiterer, ähnlich schlimmer voraus. Um diesen verstehen zu können, müssen sich Aussenstehende ein wenig mit kommunalfachlichen Spezialitäten beschäftigen. An der Spitze der Bad Kreuznacher Stadtverwaltung steht der Stadtvorstand. Dieser besteht aktuell aus Oberbürgermeister Emanuel Letz, Bürgermeister Thomas Blechschmidt und Beigeordnetem Markus Schlosser. Jeder dieser drei Herren ist für bestimmte Verwaltungsaufgaben (Geschäftsbereiche) zuständig, die in sogenannten Dezernaten organisiert sind. Wer was machen darf oder muss, ist im sogenannten Dezernats- oder Geschäftsverteilungsplan geregelt.

Aktuell gilt einer, der vor vielen Jahren anfangs der Amtszeit von Dr. Heike Kaster-Meurer Rechtskraft erlangte. Die darin festgeschriebene Aufgabenverteilung bleibt – auch wenn die Amtsinhaber*Innen wechseln – bestehen (u.a. Kontinuitätsprinzip). Bis ein neuer Dezernatsverteilungsplan beschlossen wird. Dafür ist ein strenges Verfahren vorgeschrieben. Es bestimmt, dass der Oberbürgermeister – und nur er – einen Vorschlag zu machen hat. Und der Stadtrat dazu ja oder nein sagen kann. Nicht einmal einstimmig könnte der Stadtrat Änderungsvorschläge gegen den Willen des OB durchsetzen. Es stehen sich also zwei jeweils gewichtige Rechte gegenüber, die praktisch – wie in der Amtszeit von Dr. Kaster-Meurer – zu einer Blockade führen können.

Dann gilt eben der alte Dezernatsverteilungplan weiter. Dem neuen OB gefällt aber dieser Dezernatsverteilungsplan nicht. Schon im Wahlkampf erklärte Letz, sich den Themen “Sport” und “Wirtschaftsförderung” annehmen zu wollen. Diese liegen beide derzeit in den Händen von Markus Schlosser. Und dort werden sie auch bleiben. Es sei denn, der OB schlägt einen neuen Dezernatsverteilungsplan vor. Und dieser erhält im Stadtrat eine Mehrheit. Ein Oberbürgermeister, der um diese Rechtslage weiß und sich im Rat der Stadt, wie Emanuel Letz, auf keine eigene Mehrheit stützen kann, sondern von der Zustimmung von mindestens zwei weiteren Fraktionen abhängig ist, wird also – was zwar nicht transparent, aber erlaubt ist – mit meinungsbildenden Stadtratsmitgliedern das Gespräch suchen, seine Überlegungen vorstellen und dafür um Zustimmung werben.

Was tat Letz? Der informierte einen Bekannten beim Öffentlichen Anzeiger und steckte diesem die von ihm ins Auge gefaßte Veränderung. Der Pressemann machte seine Arbeit. Und veröffentlichte den Plan des OB: Letz übernimmt von Schlosser die Verantwortung für Sport und Wirtschaftsförderung. Im Gegenzug übernimmt Schlosser von Letz das Jugendamt. Wie Verantwortliche aus drei großen Ratsfraktionen der Redaktion dieser Seite versichert haben, erfuhren sie von diesem geplanten Wechselspiel aus dem Öffentlicher Anzeiger. Gut für die Zeitung. Schlecht für Letz. Denn schneller kann man den Widerstand gegen einen solchen Plan nicht fördern, als durch eine gezielte Indiskretion. Das Thema köchelte in einigen Stadtrats-Köpfen also schon vor sich hin.

Am Jahrmarktsfrühschoppen gabs noch Applaus von SPD-Co-Fraktionschef Holger Grumbach für Emanuel Letz. Gestern widersprach Grumbach dem OB mit nachvollziehbaren Argumenten.

Bis am vorgestrigen Montagmittag um 13:42 Uhr die vorstehend zitierte Einladung an die Fraktionsvorsitzenden ging. Die löste eine Vielzahl kritischer Reaktionen aus. Zunächst einmal bei vielen, die nicht eingeladen sind. Aber auch aus dem illustren Kreis der Geladenen gab es massive Kritik. Nach meinem Geschmack am besten formuliert haben Dr. Claudia Eider und Holger Grumbach. Das Duo an der Spitze der SPD-Stadtratsfraktion stellt trocken fest: “auch wir sind der Meinung, dass das „Gremium Fraktionsvorsitzende“ in letzter Zeit überstrapaziert wird”. Um dann unmißverständlich darzulegen, wie es laufen muss: “das Thema Dezernatsverteilung gehört in den Hauptausschuss am 12.9.2022, denn es betrifft eine wichtige Entscheidung darüber, wer in Zukunft die Verantwortung für die Stadt in den Aufgabenbereichen übernimmt.

Der Stadtrat als Souverän und Repräsentant der Bürger wird dann final darüber entscheiden”. Die SPD-Fraktion hat auch eine klare Vorstellung davon, wo die Beratung stattzufinden hat: “Dies sollte unserer Ansicht nach nicht im Hinterzimmer, sondern in den dafür vorgesehenen Gremien beraten werden. Im Hauptausschuss haben Sie die Gelegenheit, Ihre Vorstellungen zu präsentieren und danach können wir dann in den Fraktionen darüber beraten”. Und dann ein weiterer entscheidender Satz, mit dem Emanuel Letz nach nur zwei Monaten seiner theoretisch achtjährigen Amtszeit bereits politisch angezählt ist: “die SPD Fraktion wird nicht an dieser Sitzung teilnehmen”.

Am Jahrmarktsfrühschoppen der Stadt im Naheweinzelt bereits Seit an Seit: CDU-Fraktionsvorsitzender Manfred Rapp (links) und Linken-Fraktionschef Jürgen Locher (mitte).

Auch einen Christdemokraten wird Letz am Freitag in einer Woche nicht begrüssen können. Denn CDU-Fraktionsvorsitzender Manfred Rapp lehnt die Teilnahme an der Kungel-Runde ebenfalls ab. Mit den Verantwortlichen der SPD-Fraktion ist Rapp der Auffassung, dass es nur ein richtiges Gremium für eine Aussprache zum Dezernatsverteilungsplan geben kann: den Hauptausschuss. Dort soll das Thema “natürlich in öffentlicher Sitzung” besprochen werden. Rapp möchte von Anfang an jeden Verdacht ausgeräumt sehen, die mit zwei Parteifreunden (Blechschmidt und Schlosser) im Stadtvorstand gut vertretenen Christdemokraten hätten bezüglich der Aufgabenverteilung irgend etwas zu verbergen.

Der Erste, der sich klar gegen die von Letz eingeladenen Sitzung positioniert hatte, war Jürgen Locher. Der Linken-Fraktionsvorsitzende hatte dem OB schon am Montagabend seine Bedenken schriftlich vorgelegt: “für den 12. September ist eine Sitzung des Hauptausschusses terminiert. Ich verstehe nicht warum nun am Freitag davor, 9. September, eine solche Sitzung einberufen wird. Das Vorschlagsrecht für die Dezernatsverteilung liegt bei Ihnen. Bitte unterbreiten Sie dem Stadtrat einen solchen. Der Hauptausschuss kann sich in Vorbereitung der Ratssitzung ja mit ihrem Vorschlag befassen. In den vergangenen Monaten wurden immer mehr Themen und Inhalte aus den eigentlich dafür vorgesehenen Gremien in informelle Runden geschoben. Diese Entwicklung sehe ich sehr kritisch”. Lochers Schlußfolgerung: “Ihre Einladung kann ich also nicht annehmen”.

Für Emanuel Letz sind das sehr schlechte Nachrichten. Mal ganz davon abgesehen, dass sich der Kritik von CDU (12 Sitze), SPD (9 Sitze) und Linken (2 Sitze) mit Sicherheit weitere Ratsmitglieder anschliessen werden. Allein diese drei Fraktionen repäsentieren 23 Stimmen im Rat der Stadt. Also die Mehrheit. Diese in Unkenntnis der Sach- und Rechtslage von Anfang an zu brüskieren, stellt in Verbindung mit dem Transparenz-Wortbruch gegenüber der Bevölkerung eine schwere politische Hypothek dar. Immer deutlicher wird: die Tatsache, dass Emanuel Letz über null kommunalpolitische und nur eine sehr geringe politische Erfahrung verfügt, fällt ihm schon jetzt auf die Füsse. Vor allem, da es ihm erkennbar nicht gelungen ist, auch nur einen einzigen kompetenten Berater zu finden. Alles nette, höfliche, gut gekleidete Leute. Aber ohne den Schimmer einer Ahnung von der Bad Kreuznacher Kommunalpolitik.

Auszug aus § 50 Absatz 3 und 4 der Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz (GemO) die Bildung von Geschäftsbereichen betreffend:

3) Hauptamtlichen Beigeordneten muss, ehrenamtlichen Beigeordneten kann die Leitung angemessener Geschäftsbereiche übertragen werden. Der Bürgermeister kann einem Beigeordneten einzelne Amtsgeschäfte übertragen, soweit dadurch der Geschäftsbereich eines anderen Beigeordneten nicht betroffen wird. Die Beigeordneten sind in dem ihnen übertragenen Geschäftsbereich Vertreter des Bürgermeisters (ständige Vertreter).

(4) Soweit nach Maßgabe des Absatzes 3 Satz 1 für Beigeordnete Geschäftsbereiche gebildet werden sollen, ist deren Zahl in der Hauptsatzung zu regeln. Der Bürgermeister bildet die Geschäftsbereiche und überträgt ihre Leitung auf die Beigeordneten; bei der Bildung von Geschäftsbereichen soll in Gemeinden mit hauptamtlicher Verwaltung auf den Verwaltungsgliederungsplan (§ 15 Abs. 3) abgestellt werden. Die Übertragung der Geschäftsbereiche endet mit Ablauf der Amtszeit der Beigeordneten; § 52 Abs. 3 bleibt unberührt. Die Bildung, Übertragung, Änderung und Aufhebung der Geschäftsbereiche bedürfen der Zustimmung des Gemeinderats.