Doch keine Flüchtlingsunterkunft in der Anheuser-Villa?

Von Claus Jotzo

Zwei Wochen nach der Kommunalwahl wurde im Juni 2024 öffentlich bekannt, dass die Stadt bereits 2023 die ehemalige Anheuser-Villa in der Hofgartenstr. 4 angemietet hat, um dort gut zwei Dutzend Geflüchtete unterzubringen. Am 24. Juni trafen sich mehrere Dutzend Anwohner*Innen vor dem Gebäude, um ihre Haltung abzustimmen. Mit dem Ergebnis einer mehrheitlichen Ablehnungsfront: “wir fordern die geplante Unterkunft für Flüchtlinge / Asylbewerber unverzüglich rückgängig zu machen” lautet die Überschrift einer an den Oberbürgermeister adressierten Unterschriftenliste. Mit der Aktion erreichten die Anwohner*Innen eine am 10. Juli durchgeführte Aussprache mit Sozialdezernent Markus Schlosser.

Kaum hatte die Stadtratssitzung gestern begonnen, mussten Presse und Zuhörer*Innen den Sitzungssaal wieder verlassen. Die meisten nahmens mit Humor.

Über 80 Personen nahmen an dieser Veranstaltung teil, in der Markus Schlosser den Abschluss des Mietvertrages bestätigte und die Zahl der dort unterzubringenden Personen mit “bis zu 26” angab. Aus der Versammlung wurde von mehreren Redner*Innen nach der entsprechenden Baugenehmigung gefragt. Der Leiter des Stadtbauamtes, Eduard Schuckmann, erläuterte dazu im Beistand eines Mitarbeiters, dass die Genehmigung für ein Wohngebäude bereits vor Jahren erteilt worden sei. Und unwesentliche Abweichungen nicht in einem gesonderten Verfahren beantragt werden müßten. Am 10. Juli waren den Verantwortlichen im Bauamt genehmigungsbedürftige Veränderungen der Pläne nach eigenen Angaben nicht bekannt.

Daher drehte sich die anschließende Diskussion im kommunalpolitischen Bereich mehr um die Dauer der Nutzung als Flüchtlingsunterkunft, als um baurechtliche Fragen. Die Fraktion FWG / BüFEP zeigte mehrere Widersprüche in der Argumentation der Stadt auf. Etwa den zwischen der zehnjährigen Zweckbindung samt Belegungsrecht für die Stadt und der auf fünf Jahre begrenzten Laufzeit des Mietvertrages. Und auch die Differenz zwischen der von Markus Schlosser angegeben einjährigen Verlängerungsoption und den zwei Jahren, die die Stadt in einer schriftlichen Stellungnahme bekanntgab, arbeitete Fraktionschef Wilhelm Zimmerlin sauber heraus.

Am gestrigen Donnerstagabend (29.8.2024) ergab sich dann eine für viele Beobachter*Innen überraschende Wendung. Oberbürgermeister Emanuel Letz eröffnete um 17:35 Uhr die Aussprache zur Tagesordnung mit der Erklärung, es müsse ein Dringlickeitsbeschluss gefasst werden. Um das zu ermöglichen, war eine Aufnahme der Sache auf den nichtöffentlichen Teil der Tagesordnung erforderlich. Eine Formalie, die laut Gemeindeordnung nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit entschieden werden kann. Weshalb Letz die rund zwei Dutzend Zuhörer*Innen aus dem Saal verweisen musste.

Bei der Dringlichkeitsbeschlussvorlage handelte es sich um die Androhung der Kündigung des Mietvertrages für die Anheuser-Villa. Das Dokument mit der Drucksachennummer 24/272, das laut Aufdruck gestern erst erstellt wurde, hat folgenden Wortlaut: “Der Stadtrat beschliesst den Mietvertrag vom 4./12.4.2023 nebst beiden Nachträgen betreffend das Wohnhaus Hofgartenstr. 4, 55545 Bad Kreuznach fristlos zu kündigen, wenn nicht der Vermieter bis zum 2.9.2024 den nötigen Bauantrag gestellt hat, und beauftragt den Oberbürgermeister die Kündigung auszusprechen”. Eine schriftliche Begründung enthält das Papier nicht.

Auch nicht hinsichtlich der Begründung der Dringlichkeit. Bemerkenswert ist, dass die Zuständigkeit der Sache nach der Anwohnerversammlung vom 10. Juli verwaltungsintern gewechselt haben muss. Denn in der gestern nichtöffentlich vorgelegten Dringlichkeitsbeschlussvorlage ist als “Federführung” ausdrücklich “Dezernat I” angegeben. Das wird vom Oberbürgermeister persönlich verantwortet. Das vom Beigeordneten Markus Schlosser geführte Dezernat III taucht in der Dringlichkeitsbeschlussvorlage an keiner Stelle auf. Auch nicht unter “Beratungsfolge”. Schlosser mochte dazu auf Anfrage der t-s-n.de-Redaktion keine Stellungnahme abgeben (weiterer Bericht folgt).