Verzichtet die Stadt auf das Belegungsrecht für die Anheuser-Villa?

Von Claus Jotzo

Die Anheuser-Villa in der Hofgartenstrasse 4 wird in den kommenden fünf bis sechs Jahren als Unterkunft für bis zu 26 Geflüchtete dienen. Das hat die Stadt hat mit einem privaten Investor vertraglich vereinbart. Als diese Tatsache vor rund sieben Wochen bekannt wurde, löste das in der Nachbarschaft Ängste und Sorgen aus. Aufgrund der vor Ort organisierten Proteste fand am 10. Juli eine Informationsveranstaltung der Stadt statt, an der über 80 Personen teilnahmen. An dem geschlossenen Vertrag hat das nichts geändert.

Die von Wilhelm Zimmerlin und Karl-Heinz Delaveaux gebildete Stadtratsfraktion BüFEP / FWG e.V. ist aufgrund der in der Anwohnerversammlung von der Stadt gemachten Angaben zum Vertrag der Sache nachgegangen. Und ist auf Ungereimtheiten gestossen. Eine ist: im Gegenzug für die Fördermittel sehen die einschlägigen Darlehensrichtlinien eine Zweck- und Mietpreisbindung für den öffentlich geförderten Wohnraum für Flüchtlinge und Asylbegehrende von 10 Jahren vor. Während dieser Zweckbindung besteht zu dem für die Stadt ein Belegungsrecht.

In der Anwohnerversammlung wurde die Nutzungszeit aber nur mit fünf, maximal sechs Jahren angegeben. Auf dem Weg über eine Anfrage nach § 19 der Geschäftsordnung des Stadtrates wollen Wilhelm Zimmerlin und Karl-Heinz Delaveaux klären, aus welchen Gründen die Stadt auf das ihr zustehende Belegungsrecht für immerhin bis zu 26 Personen und mindestens vier oder sogar fünf Jahre verzichten möchte. Und ob die Stadt dem Vermarktungsinteresse des Investors Vorrang einräumt vor ihrem eigenen Interesse an der Nutzung der Belegungsrechte zugunsten einkommensschwacher Personen und Familien.

Die Anfrage von BüFEP / FWG zur Anheuser-Villa im Wortlaut:

Dauer der Zweckbindung für die Unterkünfte in der ehemaligen “Anheuser-Villa”
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, der mit dem neuen Eigentümer und Investor geschlossenen Mietvertrag zur Unterbringung von Flüchtlingen in der ehemaligen “Anheuser-Villa” läuft gemäß der öffentlichen Verlautbarung der Stadt
über fünf Jahre mit der Option einer Verlängerung um ein Jahr. Die Kosten für den notwendigen Umbau zu Appartements und Doppelzimmer trage der neue Eigentümer. Dafür bekomme er über die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) günstige Darlehen.

Darüber hinaus wurde öffentlich angekündigt, dass der Investor nach fünf Jahren die bis dahin auf dem Gelände der Villa geschaffenen Luxuswohnungen vermarkten möchte. Das ISB-Darlehen läuft 10 Jahre zinslos; zudem gibt es einen Tilgungszuschuss von 25 Prozent. Im Gegenzug sehen die einschlägigen Darlehensrichtlinien eine Zweck- und Mietpreisbindung für den öffentlich geförderten Wohnraum für Flüchtlinge und Asylbegehrende von 10 Jahren vor. Während dieser Zweckbindung besteht für die Gemeinde ein Besetzungsrecht. Wir bitten um schriftliche Beantwortung der folgenden Fragen:

1. Wie erklärt sich die Diskrepanz der unterschiedlichen Laufzeiten des Mietvertrages der Stadt mit dem Investor (5 Jahre) und der Zweckbindung nebst Belegungsrecht der Stadt (10 Jahre)?
2. Warum will die die Stadt nach fünf Jahren auf das ihr für weitere fünf Jahre zustehende Belegungsrecht für den öffentlich geförderten Wohnraum in der ehemaligen “Anheuser-Villa” verzichten?
3. Geht die Stadt davon aus, dass nach Ablauf des Mietvertrages der Stadt mit dem Investor in 5 Jahren ein Bedarf für die Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden oder von der Wohnungsnot besonders betroffenen Personen und Familien unterhalb der Einkommensgrenzen des § 13 Abs. 2 Landeswohnraumfördergesetzes nicht mehr besteht und dass sie deshalb auf das ihr zustehende Belegungsrecht in der ehemaligen “Anheuser-Villa” verzichtet?
4. Räumt die Stadt dem Vermarktungsinteresse des Investors für seine geplanten Luxuswohnungen in 5 Jahren den Vorrang ein vor ihrem eigenen Interesse an der Nutzung ihrer Belegungsrechte zugunsten einkommensschwacher Personen und Familien für volle 10 Jahre?

Mit freundlichen Grüßen Wilhelm Zimmerlin (Fraktionsvorsitzender) Karl-Heinz Delaveaux (stellvertretender Fraktionsvorsitzender)”