Erste Feier des Landesverfassungstages in Bad Kreuznach

Es sind wesentliche Teile der rheinland-pfälzischen Landesverfassung, die Anfang 1947 im Bad Kreuznacher Faust-Haus beraten wurden. Die Nahe-Metropole ist damit ein wichtiger historischer Ort für den demokratischen Neuanfang in Rheinland-Pfalz nach dem II. Weltkrieg. Trotzdem weist erst seit rund zwei Jahren eine Tafel auf die Bedeutung des betagten Gebäudes für die Stadtgeschichte hin. Es waren Dr. Marlene Marthaler und ihr Ehemann Wilfried Maus, die als Vorstandsmitglieder des Vereines Denk-mal: Bad Kreuznach e.V. für Denkmal- und Umweltschutz die Initiative ergriffen. Und das nachholten, was die Verantwortlichen der Stadt über Jahrzehnte versäumt hatten.

Wilfried Maus (links) und Dr. Marlene Marthaler (zweite von rechts) übergeben Mo Barazandeh (rechts) eine gebundene Fassung der Maus-Rede und diverser Urkunden, die die Geschichte des Faust-Hauses belegen. Wilhelm Zimmerlin, Jürgen Eitel, Gerhard Merkelbach und weitere Stadtratsmitglieder freuen sich über das ehrenamtliche Engagement des denk-mal e.V.

Möglich war das nur, weil Mohammad Barazandeh, der das Faust-Haus 2020 von Rosemarie Jacob kaufte und es anschließend zwei Jahre aufwändig sanierte, sich mit der Historie seines Hauses mit Begeisterung identifizierte. Der aus Wiesbaden stammende und dort seit rund 25 Jahren als Betreiber des persischen Spezialitätenrestaurants “Kolbe” sehr erfolgreiche Gastronom war bei einer seiner privaten Touren durch die Region auf Bad Kreuznach aufmerksam geworden. Und hatte sich spontan in das alte Gebäude mit der Adresse Magister-Faust-Gasse 47 vis-a-vis vom Stadthaus, wie er selbst sagt: “verliebt”.

Auch Dr. Michael Vesper (links) und Marco val Bel (rechts) gehörten zu den Festgästen.

Daher hat er die Idee seines Freundes Claus Jotzo, den Landesverfassungstag am 18. Mai im Faust-Haus zu feiern, gern aufgegriffen. Claus Jotzo hatte die Veranstaltung im Rahmen der Beratungen des Stadthaushaltes für 2024 im November vergangenen Jahres als Einwohnervorschlag dem Finanzausschuss und dem Stadtrat vorgelegt. Mohammad Barazandeh hatte daraufhin in diesem Jahr zur ersten entsprechenden Feier eingeladen. Als kompetenter Festredner berichtete Wilfried Maus der über 60köpfigen Festgesellschaft die geschichtsträchitgen Abläufe der Jahre 1946 und 1947:

Die Co-Vorsitzende des SPD-Stadtverbandes Christina Denker, die SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Claudia Eider, FWG-Stadtrat Karl-Heinz Delaveaux, Gerhard Merkelbach und AfD-Fraktionsvorsitzender Jörg Fechner waren für die von Wilfried Maus gegebenen Informationen zur Stadtgeschichte sehr dankbar.

“Demnach proklamkierte der französische General und Oberbefehlshaber der französischen Besatzungsarmee, Marie Pierre Koenig, am 30. August 1946 mit seiner “Verordnung 57” das neue Land Rheinland–Pfalz. Es wurde willkürlich zusammengefügt aus den Regierungsbezirken Trier, Koblenz, Mainz, Montabaur und der Pfalz. Damit wurde ein Land ohne gemeinsame historische Tradition geschaffen. Gleichzeitig bestimmt der General Mainz als Sitz des neuen Bundeslandes. Am 3. September 1946 wurdw von dem französischen Landesgouverneur Hettier de Boislambert die Bildung einer „Gemischten Kommission“ angeordnet.

Diese gemischte Kommission – „gemischt“, weil zusammengesetzt aus Vertretern der Rheinlande und der Pfalz – besteht aus 12 Mitgliedern. Ihre wichtigste Aufgabe ist es einen Entwurf für die Verfassung zu erarbeiten. Dieser sollte dann der Beratenden Landessammlung in Koblenz zur Bearbeitung vorgelegt werden. Die Kommission veranlasste die Gründung eines Verfassungsunterausschusses. Dieser besteht aus sechs Mitgliedern: drei von der CDU, damals noch CDP, darunter auch Dr. Ernst Biesten, zwei von der SPD und einer von der KPD. Vorsitzender war der Jurist Dr Süsterhenn (CDU). Die Franzosen machen Druck.

Die Amerikaner und Briten haben bereits in ihren Besatzungszonen Verfassungen in der Bearbeitung. Also gibt General Koenig einen klaren quasi Abgabe–Termin vor: Ende Oktober 1946. Das heißt: Von der 1. Sitzung des Ausschusses am 21. September bis zum Abgabetermin blieben nur fünf Wochen Zeit. Es ist das große Verdienst von Dr. Süsterhenn und Dr. Biesten in dieser kurzen Zeit das Grundkonzept einer neuen Landesverfassung erstellt zu haben. Nach nur fünf Sitzungen kann man am 30. Oktober dem Gouverneur wie gefordert den „Unkeler Entwurf“ – Dr. Süsterhenn wohnt in Unkel – überreichen.

Man muss aber auch sagen: das Ziel, einen Vorentwurf zu erstellen, konnte nur erreicht werden, weil kontrovers diskutierte Abschnitte ausgespart wurden. Das waren: die Wirtschafts – und Sozialordnung und vor allem das Kapitel Schule und Lehrerausbildung – davon noch später. Mittlerweile hat sich auch die Beratende Landesversammlung konstituiert, 1. Sitzung am 22. November 1946, 127 Mitglieder, darunter immerhin 7 Frauen, die CDP (die spätere CDU) hat die Mehrheit mit 70 Mitgliedern, also 55,1 %, die SPD stellt 41 Mitglieder 32,3 %, die KPD hat 9 Vertreter und die kleineren liberalen Parteien Sozialer Volksbund und Liberale Partei sieben Vertreter.

Diese Mehrheitsverhältnisse werden noch eine sehr wichtige Rolle spielen. Bereits in ihrer Sitzung am 6. Dezember berät die Landesversammlung den vorgelegten „Unkeler Entwurf“. Da aber wichtige Abschnitte – wie schon erwähnt – fehlen, wird ein nachfolgender parlamentarischer Verfassungsausschuss eingesetzt. Dessen wichtigste Arbeit ist es einen Konsens herzustellen bei den strittigen Themen und Formulierungen. Dieser Verfassungsausschuss tagt in Koblenz am 18. Dezember 1946 zum ersten Mal und nochmal am 9. und 10. Januar 1947. Hier im Faust-Haus fanden 13 Sitzungen statt vom 22. Januar bis 13. März 1947.

Der Ausschuss hat jetzt 15, später 17 Mitglieder, die Mehrheit hat auch hier die CDU mit 10 Mitgliedern, den Vorsitz hat der aus Zweibrücken stammende Jurist Dr. Ritterspacher. Mitglied ist auch Karl Kuhn (SPD) aus Bad Kreuznach. Er ist auch Mitglied in der Beratenden Landesversammlung. Ihm ist es wohl zu verdanken, dass der Verfassungsausschuss ab seiner 4. Sitzung hier in Bad Kreuznach und zwar im Faust-Haus tagte. Dies geht eindeutig aus seinen Berichten im Öffentlichen Anzeiger vom 17. bis 18. Mai 1972 hervor. Ich darf zitieren: „Die Beratung im Faust-Haus war alles andere als ein kleines Intermezzo in der Geschichte dieses Landes und unserer Heimat.“ (Die vollständige Maus-Rede ist in einem gesonderten Bericht in der heutigen Ausgabe abgedruckt).

Das Faust-Haus in der Magister-Faust-Gasse 47.

Neben Alt-Oberbürgermeister Andreas Ludwig und dem früheren Stadtbeigeordneten Dieter Gronbach (beide CDU) nahmen die Fraktionsvorsitzenden Dr. Claudia Eider (SPD), Jörg Fechner (AfD), Jürgen Eitel (Freie Wähler), Wilhelm Zimmelin (BüFEP) und u.a. die Stadtratsmitglieder Gerhard Merkelbach und Karl-Heinz Delaveaux (FWG e.V.) an der Veranstaltung teil. Auch der Vorsitzende des Heimatkundevereines Dr. Michael Vesper, der langjährige Kreisvorsitzende der Europa-Union, Franz-Josef Mathony, der Direktor der Museen Römerhalle und Schloßpark, Marco van Bel und der Heimatforscher und Chronist Steffen Kaul gaben sich neben 50 weiteren Gäste die Ehre.

In seinem Grusswort hob Wilhelm Zimmerlin (BüFEP) den Artikel 75 der Landesverfassung hervor: “das Volk handelt nach den Bestimmungen dieser Verfassung durch seine Staatsbürger und die von ihnen bestellten Organe. Heruntergebrochen auf unsere Stadt sind diese Organe sowohl der Stadtrat als auch der Oberbürgermeister. Prägnanter als in diesem Satz des Artikels 75 lässt sich der Kern unserer Demokratie kaum beschreiben. Erstens: Das Volk handelt durch seine Staatsbürger und zweitens: die handelnden Organe sind von den Bürgern bestellt.

Wilhelm Zimmerlin auf dem Präsidenten-Stuhl im historischen Sitzungszimmer.

Mit anderen Worten: Stadträte und Oberbürgermeister sind allein von den Bürgern ihrer Gemeinde legitimiert und deshalb ausschließlich deren Interessen verpflichtet”. Dieser Auftrag der Landesverfassung sollte den gewählten Mandats- und Amtsträgern immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Gerhard Merkelbach lobte das unternehmerische Engagement des neuen Faust-Haus-Eigentümers Mohammad Barazandeh, der mit seiner Investion Bad Kreuznach ein Stück attraktiver gemacht habe.

Gerhard Merkelbach
Jürgen Eitel

Der Planiger Fitnessunternehmer witzelte darüber, dass einige Gäste des Faust-Hauses ihre dort angegessenen Pfunde bei ihm wieder abtrainieren. Jürgen Eitel sprach in seinem Grusswort eine brandaktuelle Information an, die vor allem wegen der damit verbundenen Steuereinnahmen Kämmerer Thomas Blechschmidt freuen dürfte: Mohammad Barazandeh hatte Eitel verraten, dass er nach Abschluss der Sanierungsarbeiten noch in diesem Jahr nach Bad Kreuznach in sein Haus umziehen wird.

Für Karl-Heinz Delaveaux (FWG e.V.), mit seiner Kandidatin Sandy Winterland) hat das gastronomische Angebot ganz pragmatische Vorteile. Er wohnt so nah dran, dass er nur den Martinsberg und ein kleines Stück Stromberger Strasse und Brückes herunterlaufen muss, um seiner Heike das Kochen zu ersparen.

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