Stadtverwaltung gibt der Redaktion dieser Seite zwar recht, aber …

Von Claus Jotzo

Es wird immer deutlicher, dass die fachliche Inkompetenz und rein parteipolitische Ambitionierung der Stadtspitze zu einem wachsenden Problem der Bad Kreuznacher Kommunalpolitik wird. Oberbürgermeister Emanuel Letz, der ohne jede kommunalpolitische Erfahrung ins Amt kam, hat null Ahnung von verwaltungsrechtlichen Notwendigkeiten. Das wird durch vielfältige Fehler bei nahezu jeder einzelnen von ihm geleiteten Gremiensitzung deutlich. Selbst vor krassesten Rechtsverstössen schreckt die Letz-Verwaltung nicht zurück.

Für die Einsicht in einfachste Sachverhalte benötigen Letz, seine Geschäftsleitung und Co. Tage oder Wochen. Beispiel: Neuwahl der Ausschüsse. In der Stadtratssitzung am 16. Mai erklärte Bianka Steimle (früher Linkspartei, heute BSW) nach Aufruf des Tagesordnungspunktes drei ihren Austritt aus der Fraktion “Die Linke” (diese Seite berichtete). In diesem Augenblick war klar: die erst am 29. Februar erfolgte Neuwahl der Ausschüsse und Aufsichtsräte muss wiederholt werden. Weil die beiden von der Stadtverwaltung selbst angeführten Bedingungen eingetreten sind:

Die Zusammensetzung des Stadtrates hat sich verändert. Und diese Veränderung wirkt sich auf die Neuwahl zumindest der meisten Ausschüsse und Aufsichtsräte aus. Ein kompetenter Oberbürgermeister hätte daraufhin den Termin für eine weitere Stadtratsitzung mit Neuwahl der Gremien abgesprochen. Denn: sollten die Ausschüsse in falscher Zusammensetzung tagen, wären selbst einstimmige Beschlüsse anfechtbar. Emanuel Letz machte einmal mehr … nichts. Weil bis zum Ende der Stadtratssitzung keine entsprechende Mitteilung vom OB und aus dem Stadthaus kam, habe ich am 17.5.2024 Emanuel Letz auf dem Weg über eine Presseanfrage auf die Sach- und Rechtslage hingewiesen (Wortlaut siehe unten).

Es dauerte fünf Tage, bis die schriftliche Form einer inhaltlichen Antwortverweigerung bei mir eintraf (Wortlaut siehe unten). Daraufhin schrieb ich die Stadtverwaltung am 22.5.2024 erneut an (Wortlaut siehe unten). Auf eine Antwort warte ich bis heute. Immerhin hat Bürgermeister Thomas Blechschmidt den Ernst der Lage erkannt. Und die für den Montag kommender Woche terminierte Sitzung des Finanzausschusses abgesagt. Angesichts der Arbeitsverweigerung des Oberbürgermeisters die einzig richtige Konsequenz.

In der als Pressemitteilung der Stadtverwaltung am gestrigen Montag (27.4.5.2024) um kurz vor 12 Uhr verbreiteten Absage (Wortlaut siehe unten) räumt die Stadt zunächst ein, dass meine 10 Tage zuvor gegebenen Hinweise zutreffend sind: “Hintergrund ist der Austritt Bianca Steimles aus der Fraktion die Linke in der Stadtratssitzung am 16. Mai. Dies hat zur Folge, dass eine Neuwahl der Ausschüsse auf Grund des neuen Stärkeverhältnisses erforderlich wäre”. Diese Neuwahl will Emanuel Letz mit allen Mittel vermeiden.

Obwohl das bedeutet, dass bis zur Neuwahl der Ausschüsse am 11. Juli 2024 durch den am 9.6.2024 neu gewählten Stadt keine Gremienarbeit mehr statfinden kann. An diesem Fall läßt sich auch sehr nachvollziehbar aufzeigen, wie verlogen und bürgerfeindlich die aktuelle Stadtpolitik ist. In der Beratung des Finanzausschusses am 17. April und im Stadtrat am 16. Mai brachte eine kleine Minderheit ehrenamtlicher Mandatsträger in den Gremien zum Ausdruck, dass eine so weitreichende Entscheidung, wie die Neustrukturierung der eigenbetriebsähnlichen Einrichtung für Abwasser nicht wenige Tage vor Ablauf der Wahlperiode übers Knie gebrochen und auf den Weg gebracht werde sollte.

Immerhin handelt es sich beim städtischen Abwasserwerk um einen allein von den Gebührenzahler*Innen bezahlten dreistelligen Millionenwert. Die Antwort der Stadtspitze und einiger “Schlauberger” aus den Reihen von SPD, Grünen und FDP dazu: “der Stadtrat ist bis zum 30.6.2024 gewählt und soll solange auch entscheiden”. Beim Abwasser gilt das. Weil die Verwaltung das will. Für die Neuwahl der Ausschüsse gilt das nicht. Die wird dem neuen Stadtrat überlassen. Auch wenn das bedeutet: sechs Wochen lang keine Informationen, Beratungen und Entscheidungen für und mit den demokratisch gewählten ehrenamtlichen Mandatsträger*Innen.

Das hat natürlich einen Grund: wegen ihrer Selbstverliebtheit und ihrer Kompromisunfähigkeit möchte sich die Stadtratsmehrheit eine weitere Sitzung und den absehbaren mehrstündigen Wahlmarathon ersparen. Auch wenn der demokratisch wichtig wäre. Auch hier die Doppelmoral: in den Festtagsreden zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes am 23. Mai wurde die Demokratie gefeiert. Wenn sie praktisch erarbeitet werden muss, zum Beispiel durch Ausschussneuwahlen, kneifen die Verantwortlichen.

Die Pressemitteilung der Stadtverwaltung vom 27.5.2024 im Wortlaut:

“Liebe Redaktionen, die geplante Sitzung des Finanzausschusses am Montag, 3. Juni, findet nicht statt. Hintergrund ist der Austritt Bianca Steimles aus der Fraktion die Linke in der Stadtratssitzung am 16. Mai. Dies hat zur Folge, dass eine Neuwahl der Ausschüsse auf Grund des neuen Stärkeverhältnisses erforderlich wäre. Eine Neuwahl der Ausschüsse wird es bis zum Ende der aktuellen Wahlperiode nicht mehr geben.

Da in der Sitzung des Finanzausschusses auch Auftragsvergaben zur Beratung und Beschlussfassung angestanden hätten und eine mögliche gerichtliche Überprüfung dieser Beschlüsse vermieden werden soll, hat der Vorsitzende Bürgermeister Thomas Blechschmidt entschieden, den geplanten Finanzausschuss abzusagen. Die Beschlussvorlagen werden in der nächsten Sitzung des Stadtrates am 4. Juli behandelt. Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag Isabel Gemperlein”

Meine Presseanfrage gemäß § 6 Landesmediengesetz Rheinland-Pfalz (LMG) an die Stadtverwaltung vom 17.5.2024 im Wortlaut:

“Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, durch den Austritt von Frau Bianca Steimle aus der Fraktion Die Linke sind die beiden Kriterien, die bereits am 29. Februar zur Neuwahl aller Ausschüsse und der Aufsichtsräte führte, nun wieder erfüllt: im Vergleich zum Ergebnis der Kommunalwahl am 26.5.2019 ergab sich eine relevante Änderung. Und eine Neuberechnung der Platzvergabe nach dem nunmehr aktuellen Stand der Stadtratszusammensetzung würde ein anderes Bild ergeben, als noch im Februar.

Da (bisher) für den Juni und sogar den Juli 2024 Sitzungen der Ausschüsse und Aufsichtsräte terminiert sind, wirft das die Frage nach der Legitimität dieser Sitzungen in falscher Zusammensetzung auf. Und zwar sowohl für Beratungen als auch für Beschlüsse. Ich bitte daher um Mitteilung, ob die Verwaltung entweder zum nächst möglichen Termin zu einer weiteren Stadtratssitzung einlädt. Oder ob die Sitzungen der Ausschüsse und Aufsichtsräte abgesagt werden. Gern nehme ich jede weitergehende Information entgegen.

Auch für diese meine Anfrage stelle ich fest, dass deren Rechtsgrundlage zum einen im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, dem Landespressegesetz des Landes Rheinland-Pfalz, weiteren einschlägigen Gesetzen und Rechtsverordnungen zur Pressefreiheit und dem Landestransparenzgesetz des Landes Rheinland-Pfalz besteht. Für den Fall, dass die Stadtverwaltung die Absicht hat, diese Anfrage nicht zu beantworten, bitte ich um einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid. Sollte die Stadtverwaltung meiner Anfrage nicht entsprechen bzw die angeforderten Auskünfte nicht erteilen bzw den erbetenen rechtsbehelfsfähigen Bescheid mir nicht vorlegen, werde ich gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Gruss Claus Jotzo”

Die Antwort der Stadtverwaltung vom 21.5.2024 im Wortlaut:

“Sehr geehrter Herr Jotzo, Ihre Anfrage beantworten wir gerne wie folgt: “eine Neuwahl der Ausschüsse erfolgt bei der nächsten terminierten Stadtratssitzung. Die bestehenden Ausschüsse bleiben bis zur Neuwahl vorerst bestehen. Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag Isabel Gemperlein”

Meine Nachfrage gemäß § 6 Landesmediengesetz Rheinland-Pfalz (LMG) an die Stadtverwaltung vom 22.5.2024 im Wortlaut:

“Hallo Frau Gemperlein, Ihre Reaktion beantwortet nicht meine Anfrage. Daher versuche ich es noch einmal konkreter:

1. Ist die für den 4.7.2024 angekündigte Stadtratssitzung die nächste? Wird es also vor dem 4.7.2024 bzw dem 11.7.2024 keine Neuwahl der Ausschüsse und Aufsichtsräte geben?

2. Wenn die Antwort auf die vorstehenden Fragen nein ist: wann erfolgt noch in der laufenden Ratsperiode eine Neuwahl der Ausschüsse und Aufsichtsräte? Finden vor der Neuwahl Sitzungen der eine Neuwahl der Ausschüsse und Aufsichtsräte statt und auf welcher Rechtsgrundlage wird dies geschehen?

3. Wenn die Antwort auf die Fragen unter vorstehender Ziffer 1 ja ist: auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt die Nichtneuwahl und auf welcher Rechtsgrundlage finden die terminierten Sitzungen der Ausschüsse und Aufsichtsräte statt?

4. Ergibt sich in der Wahrnehmung der Stadtverwaltung aus dem Austritt von Bianca Steimle aus der Fraktion Die Linke in Verbindung mit dem von ihr bereits vor Monaten dem OB mitgeteilten Austritt aus der Bundespartei gleichen Namens und dem Eintritt in die Bundespartei BSW
4.1. eine Veränderung des Stärkeverhältnisses der im Stadtrat vertretenen Wahlvorschläge, Parteien und Wählervereinigung und
4.2. eine andere Verteilung der Sitze in einer Vielzahl von Ausschüssen und Aufsichtsräten? Wenn ja, warum erfolgt trotzdem keine Neuahl der Ausschüsse und Aufsichtsräte? Wenn nein, die Sichtweise der Stadtverwaltung bitte begründen und erläutern. Gruss Claus Jotzo”

Diese Nachfrage vom 22.5.2024 ist bis heute, 28.5.2024 um 5 Uhr, sach- und rechtswidrig nicht beantwortet. Immerhin hat Bürgermeister Blechschmidt die von mir angesprochenen Probleme erkannt. Und die für den 3.6.2024 terminierte Sitzung des Finanzausschusses abgesagt (siehe gesonderten Bericht in der heutigen Ausgabe von tourismusbeitrag-so-nicht.de).

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

19.05.2024 – “Bianca Steimle: “es ging mir darum ein Zeichen zu setzen”
17.05.2024 – “Bianca Steimle läßt Linken-Fraktion in der laufenden Stadtratssitzung platzen”