Von unserem Redakteur
Claus Jotzo
Im vergangenen Jahr war das einer der bundespolitischen Aufreger: Bundesfamilienminsterin Lisa Paus (Grüne) forderte 12 Milliarden Euro mehr Geld für Kinder (ohne eine schlüssige Berechnung dafür vorzulegen). Zugebilligt wurden ihr von der Bundesregierung 2,4 Milliarden (ebenfalls ohne von aussen überprüfbarem Bedarfsnachweis). Die grüne Ministerin war trotzdem zufrieden. Während in der Öffentlichkeit gerätselt wurde, wie grüne Verantwortungsträger*Innen hart erarbeitetes Steuergeld in Milliardengrößenordnung einfach so verplanen. Dann kam Weihnachten. Der Jahreswechsel. Der zweite Jahrestag des russischen Überfalles auf die Ukraine. Und der 1. April.
Den lies Lisa Paus kommentarlos vergehen. Um danach die öffentliche Diskussion mit den Hinweis zu bereichern, um die 2,4 Milliarden Euro ausgeben zu können, müßten 5.000 neue Stellen im öffentlichen Dienst geschaffen werden. Das löste verständlicherweise eine Welle der Empörung aus. Denn davon und den damit verbundenen Kosten war im vergangenen Jahr von den Grünen mit keinem Wort die Rede. In der politischen Satiresendung “EXTRA 3” wurde das inhaltliche Anliegen gelobt. Die Umsetzung aber ätzend kritisiert. Statt derart wichtige Projekte zu “Herzenangelegenheiten” zu erklären, sollten die Grünen besser “Hirnprojekte” daraus machen.
Den Vogel schoss Lisa Paus mit ihrem ungeordneten Rückzug von der 5.000er-Ankündigung ab. Im Nachrichten-Interview versuchte sie die von ihr selbst genannte Zahl zu relativieren und reduzieren. Ihre Behauptung: sie hoffe auf Digitalisierungseffekte. Mit dieser Aussage katapultierte sie sich an die Spitze der politischen Witzereisser. Dieter Nuhr mußte zugegeben, sich Scherze in dieser Dimension gar nicht ausdenken zu können. Und Heute-Show-Frontmann Oliver Welke bot Lisa Paus einen Platz in seiner Redaktion an, nachdem die Ampel – auch wegen solchen Unsinns – abgewählt wurde. Was das mit Bad Kreuznach zu tun hat?
Auch hier verfolgen die Grünen mitunter auf dem Papier inhaltlich wertvolle Ziele. Die sie mit kleinkartierten Wahrnehmungslücken und Realistätsverdrängung kaputtmachen. Beispiel Jugendamt. Dessen Zuschussbedarf hat sich laut Stadtverwaltung seit dem Stadtratsbeschluss zu seiner Abgabe vom 29.11.2018 auf über 10 Millionen Euro im Jahr verdoppelt. Die Vergnügungs-, Gewerbe- und Grundsteuer wurde bereits erheblich erhöht. Mit den Stimmen der Grünen. Von denen jetzt kein Wort mehr zum Jugendamt zu hören ist. Dabei wäre alles ganz einfach. Denn die Grünen hatten in der Landesregierung viele Jahre Zeit die nötigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen.
Um entweder die Deckungslücke durch Landesmittel auszugleichen. Oder die Abgabe der wirtschaftlichen Jugendhilfe an den Kreis zu ermöglichen. Mit einem Teil der dadurch gesparten Millionen könnte endlich auch die Arbeit auch für Nicht-Problemjugendliche, von denen es in Bad Kreuznach tausende gibt, gefördert werden. Aber Lösungen sind nicht die Sache ideologisch seit Jahrzehnten festgelegter und in den eigenen Gedankenwelten gefangener Grüner. Was auch für deren Einstellung zur Digitalisierung vor Ort gilt. Alle Beobachter*Innen konnten die rechtswidrige und intransparente Variante der Bad Kreuznacher Online-Sitzungen in der Coronazeit sehen (bzw eben nicht).
Die Grünen haben die unzähligen Pannen und Defizite nie ernsthaft und substantiell kritisiert. Und auch in den beiden letzten Jahren immer wieder lauthals “Digitalisierung” gefordert. Ohne Sinn und Verstand. Ohne jeden Bezug zur Lebensrealität. Wie die in städtischen Verwaltungsgebäuden aussieht, wurde am gestrigen Mittwochnachmittag (17.4.2024) und -abend in der Sitzung des Finanzausschusses wieder einmal deutlich. Das W-LAN im Sitzungssaal war ausgefallen. Am Vortag. Typisch Verwaltung: der Kämmerei hatte niemand bescheid gesagt. Und auch die Ausschussmitglieder wurden nicht informiert. Hauptsache am Monatsende ist bei den dafür zuständigen Mitarbeiteden das Gehalt pünktlich auf dem Konto.
Die Folge: wer sich keinen Papierausdruck der hochkomplexen Informationsvorlagen zu den Themen “Umwandlung des Abwasserbetriebes in eine Anstalt des öffentlichen Rechtes” und “Analyse der Konzernstruktur der Stadt” angefertigt, sondern sich auf die städtische Variante der Digitalisierung verlassen hatte, war wieder einmal angeschmiert. Von den Grünen natürlich kein Wort der Kritik. Einerseits verständlich. Denn dann würden die Kritiker den Grünen ja deren bedingungslose Zustimmung zu allen Digitalisierungsbeschlussvorlagen vorhalten. Andererseits: das sture Festhalten an durch die Wirklichkeit als solche überführten Fehlern diskreditiert derartige Verantwortungsträger*Innen als politikunfähig.