Die Gründe für Unsicherheitsgefühle auf dem Fahrrad

Beobachtet und bewertet von
unserem Redakteur Claus Jotzo

Für das Stadtbauamt war gestern ein bedeutender Tag. Mit der Informationsveranstaltung “Im Eiltempo zum Fahrradparkhaus” wurde das vor zweieinhalb Jahren eröffnete Gebäude am Bahnhof einem überregionalen Publikum als Paradebeispiel präsentiert. Nach den Honoratioren kamen auch Fachleute zu Wort. Und erörterten auf akademisch hohem Niveau mögliche Gründe für die Unsicherheit, die viele Menschen mit dem innerstädtischen Fahrradfahren verbinden.

Eine tatsächlich relevante Frage. Bei den Antworten zeigte sich dann der Zwiespalt, der die Mobilitätsdebatte seit Jahren belastet. Und die “normalen Menschen” und ihre Alltagserfahrung von den Verwaltungspersonen brutal trennt. Denklogisch vollkommen korrekt forderten die Fachleute u.a. flächendeckend 30 km/h im Stadtgebiet. Um durch das Angleichen der Geschwindigkeiten aller Verkehrsteilnehmer*Innen die Schwächeren zu schützen. Theoretisch.

Denn was die Fachleute und Verwaltungsmenschen leider immer noch nicht erkennen und / oder zugeben (weil das ja ihr Versagen im Amt offenlegen und aufgrund der Dauer dieses Versagens ihre Unfähigkeit zur Problemlösung belegen würde): es gibt schon heute Schutzregeln. Für Fußgänger- und Radfahrer*Innen. Diese werden in Bad Kreuznach gebrochen. Tag für Tag. Stunde für Stunde. Ständig. Wer aufmerksam durch diese Stadt geht, sieht es:

An einem einzigen Tag mehr Fälle mit den eigenen Augen, als vom städtischen Vollzug und von der Polizeiinspektion im ganzen Jahr zusammen zur Anzeige gebracht werden. Raser, Gehwegparker und -radler, Einbahnstrassenleugner, rechtswidrige Linksabbieger usw. Jeder Verstoss gegen die StVO zu Lasten anderer Verkehrsteilnehmer*Innen kommt tagtäglich massenhaft vor. Und niemand tut etwas dagegen. Diese Seite setzt das unermüdlich seit über fünf Jahren Woche für Woche ins Bild.

Jene Menschen, die sich mühen ihre Mobilität regelkonform zu gestalten, nehmen das mit wachsendem Zorn wahr. Denen zu sagen, sie sollen das Auto stehen lassen oder wesentlich langsamer fahren, statt die Kriminellen endlich zu bestrafen, ist eine Zumutung. Die ausgrenzt und Distanz zur nötigen Verkehrswende schafft, statt die Menschen mitzunehmen. Weil der Staat beim Bestrafen der Bösen versagt, sollen die Guten immer mehr Einschränkungen auf sich nehmen? Das soll sozial und gerecht sein? Von was träumt ihr nachts?

Für das Pilotprojekt Fahrradgarage waren laut Stadt 3,7 Millionen Euro (laut Fördergeber 3,5 Millionen Euro) da. Aber um die Alltagskriminalität auf den Strassen, Gehwegen und in den Fußgängerzonen zu bekämpfen, fehlt das Geld. Warum gibt es kein Pilotprojekt zur Durchsetzung der StVO? Hätten Bundes- und Landespolitik den Mumm und die Überzeugung den Kontrolldruck spürbar zu erhöhen, würde sich das Sicherheitsgefühl in jedem Fall verbessern.

Denn mit mehr blauen Uniformen im Stadtgebiet würden ja auch die Zahl der Fahrraddiebstähle und Sachbeschädigungen sinken. Aber dazu ist die Politik zu feige. Und so konnte ich das Symbolbild für das Versagen der Stadt / des Staates unmittelbar nach dem Ende der Veranstaltung keine 20 Meter von der Fahrradgarage entfernt aufnehmen: ein Lkw, der mit unzureichend gesicherter Ladung auf dem Radweg parkte. Solange solche Fotos den Alltag abbilden, wird ein großer Teil der Einwohner*Innen vom Fahrradfahren abgeschreckt.

Abschließend noch ein Hinweis zum Sicherheitsgefühl: wenn ich als Radfahrer (gleiches gilt natürlich analog für meine Verkehrserlebnisse als Fußgänger) auf einem Radweg nicht mehr von Falschparkern und -fahrern konfrontiert werde, wenn mir in Einbahnstrassen keine Leugner auf vier Rädern mehr entgegenkommen, wenn mich auf dem Radweg oder der Strasse fahrend kein auf dem Gehweg nebenan rasender Radler mehr überholt, dann fühle ich mich sicher.

Auch wenn die mich mit 50 km/h überholende Pkw-Lenkerin eigentlich nur 30 km/h fahren darf. Oder um es möglichst einfach auszudrücken: setzt bitte endlich die heute und schon seit Jahrzehnten geltenden Regeln durch, bevor ihr neue ausschildert. Das löst erstens den Großteil der Probleme. Macht zweitens Politik endlich glaubwürdig. Dann klappts auch mit der Verkehrswende (Berichterstattung folgt).