Gestern Abend im Grundstücksausschuss standen mehrere Immobiliengeschäfte auf der Tagesordnung. Ob die dazu gefaßten Beschlüsse Bestand haben werden, wird von der AfD-Stadtratsfraktion bezweifelt. Stadtratsmitglied Nelson Prieß machte das in seiner Wortmeldung vor der Abstimmung über die Tagesordnung deutlich. Nach Auffassung der AfD sind die Ausschüsse und Aufsichtsräte nicht korrekt zusammengesetzt. Denn die Stadtverwaltung und die Stadtratsmehrheit lehnen eine Neuwahl der Ausschussmitglieder ab. Eine solche hatte die AfD bereits im vergangenen Jahr gefordert. Der Hintergrund: bei der Kommunalwahl am 26.5.2019 hatte die AfD vier Stadtratssitze erreicht.
In den meisten Ausschüssen war die AfD daher mit zwei Sitzen vertreten. Und damit doppelt so stark, wie die kleineren, zwei und dreiköpfigen Fraktionen. Aufgrund eines persönlichen Zerwürfnisses zwischen dem damaligen Fraktionsvorsitzenden Thomas Wolff und Stadtratsmitglied Wolf-Dieter Behrendt trat letzterer 2020 zunächst aus der Fraktion und dann aus der Partei aus. Weil zusätzlich noch Wolfgang Bouffleur, der die SPD-Fraktion bereits im Herbst 2019 verlassen hatte, in 2021 aus der SPD in die FDP übertrat, wurden die Ausschüsse damals neu besetzt. Die verbliebenen drei AfDler teilten bei der Neuwahl das Schicksal der anderen kleinen Fraktionen.
Die AfD sitzt seit dem nur noch mit je einem Vertreter in den Gremien. Bis zum Sommer 2022 hat die AfD das auch akzeptiert. Aber seit dem Wolf-Dieter Behrendt in Partei und Fraktion zurückgekehrt ist, verfügt die Fraktion wieder über vier Stadtratssitze. Und möchte wie in den ersten beiden Jahren nach der Kommunalwahl in Ausschüssen und Aufsichtsräten wieder zwei Plätze besetzen. In der Stadtratssitzung am 24.11.2022 erteilte der neue Stadtrechtsdirektor Fouad Yahia diesem Ansinnen eine klare Absage. Er wies darauf hin, dass für eine Neubesetzung der Gremien zwei Bedingungen erfüllt sein müßten. Zum einen eine Änderung der Zusammensetzung des Stadtrates im Vergleich zur Kommunalwahl.
Und zum anderen eine Veränderung der Ausschuss-Sitzverteilung bei Anwendung des dafür bestimmten mathematischen Verteilverfahrens. Yahia’s Schlußfolgerung: da die AfD jetzt ja wieder vier Sitze im Stadtrat habe, entspreche das dem Kommunalwahlergebnis. Mithin habe sich die für eine Neuwahl notwendige Veränderung nicht ergeben. Diese Argumentation war von der AfD als Provokation empfunden worden. Nach deren Rechtsempfinden kann nicht beides korrekt sein: einmal mit vier Stadtratsitzen zwei Jahre lang zwei Ausschussplätze. Und dann mit vier Stadtratsitzen zwei Jahre lang nur einen Ausschussplatz.
Die AfD hat daher noch im Dezember 2022 einen Rechtsanwalt mit einer Prüfung der komplexen Rechtsmaterie beauftragt. Und noch vor Weihnachten der Stadt diverse Fehler in der Yahia-Argumentation nachgewiesen. Der umfangreiche Schriftsatz ist bis heute ohne jede Antwort. Diese rund sechswöchige Tatenlosigkeit der Stadtverwaltung hat jetzt schwerwiegende Konsequenzen. Mit der von Nelson Prieß gestern zu Protokoll gegebenen Rechtseinschätzung wird die gerichtliche Klärung der Frage wahrscheinlicher.
Mit für die Stadt unabsehbaren Rechtsfolgen. Würde wer auch immer einen Ausschussbeschluß mit der Begründung der falschen Zusammensetzung anfechten – und Recht bekommen – würde das die kommunalpolitische Arbeit bis zur Kommunalwahl 2024 erheblich belasten. Nelson Prieß hat den auf die Stadt zukommenden Schlamassel gestern unverhohlen angedeutet: “weil dies gerade bei Grundstücksgeschäften zu erheblichen Kosten und Problemen für die Stadt führen kann, weise ich hier und heute ausdrücklich darauf hin.”