„Kultur der Achtsamkeit und Wahrhaftigkeit“

„Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftigen Generationen zur Wachsamkeit dienen.“ Mit diesen Worten des verstorbenen Bundespräsidenten Roman Herzog begann Oberbürgermeister Emanuel Letz seine Rede bei der diesjährigen Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus am Mahnmal in der Kirschsteinanlage. Vor 78 Jahren, am 27. Januar 1945, wurde das Konzentrationslager Auschwitz durch sowjetische Truppen befreit. 1996 nahm der damalige Bundespräsident den Jahrestag der Befreiung zum Anlass, den 27. Januar zu einem offiziellen Gedenktag zu erklären.

„Die Opfer des nationalsozialistischen Regimes waren Juden, Roma und Sinti, Homosexuelle, Menschen mit Behinderung, Kranke, Menschen, die aus religiösen oder politischen Motiven verfolgt wurden. Und all jene, die durch das NS-Regime in den Tod getrieben, gehetzt, entrechtet, verschleppt, gefoltert, gequält oder vergewaltigt wurden“, erinnerte Oberbürgermeister Letz in eindringlichen Worten an die Millionen Opfer der Terrorherrschaft. Am Beispiel des jüdischen Kaufmanns Julius Lehmann und seiner Frau Klara verdeutlichte Letz das grausame Schicksal der jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus Bad Kreuznach, die im Mai, Juni und Juli 1942 sowie im Januar 1945 in Konzentrationslager zur Vernichtung geschickt wurden.

Sein dringlicher Appell: „Lassen Sie uns die Erinnerung an diese Menschen, die einst Teil unserer Gemeinschaft waren, hier in Bad Kreuznach gelebt haben, wachhalten.“ Der Oberbürgermeister richtete seinen Blick auch auf die heutige Zeit, denn: „Antisemitismus ist kein Phänomen der Vergangenheit. Er ist noch immer real und heutzutage vielleicht wieder lebendiger denn je.“ Doch gemeinsam könne man dem entgegenwirken. „Wir dürfen nicht akzeptieren, wenn Unrecht geschieht, nicht hinnehmen, dass Menschen ausgegrenzt werden, nicht tolerieren, dass Hetze und Lügen unser Zusammenleben vergiften, nicht wegschauen, wenn Gewalt und Hass die trifft, die anders sind, anders leben, anders glauben, anders lieben, anders aussehen.

Es braucht eine Kultur der Achtsamkeit und Wahrhaftigkeit!“ Das Gedenken wurde mitgestaltet durch die Jüdische Kultusgemeinde Bad Kreuznach sowie Schülerinnen und Schülern der 12. Klasse der Integrierten Gesamtschule (IGS) Sophie Sondhelm. In einem nachdenklich stimmenden szenischen Stück („Wir sind alle gleich“) zeigten Luana Gregori, Erfan Ismaili, Ronja Timpe, Chantal Dittrich, Arin-Pelsin Akpinar, Ayse Öztürk, Anastasia Forsch, Elisa Krasniqi, Leman Cura und Rozerin Attilamit wie erschreckend weit verbreitet Vorurteile gegenüber Juden in der Gesellschaft wieder sind.

Text und Bilder: Stadtverwaltung Bad Kreuznach