Weil die Kommunalpolitik trödelt: Stadt verliert Millionenzuschuß

Bad Kreuznach ist praktisch pleite. Der Stadthaushalt für das laufende Jahr wurde erst am 30. August 2022 genehmigt. Das hat hat vielerlei Konsequenzen. Eine wurde in der Sitzung des Stadtrates am 29.9.2022 von dem Gremium ohne ein einziges Wort der Selbstkritik abgehakt: die Stadt verliert einen Millionenzuschuß des Bundes. Geld, dass zur Weiterentwicklung der Innenstadt dringend gebraucht wird. Aber aus einem einzigen Grund nicht fließt: zum Zeitpunkt der Antragstellung lag kein genehmigter Stadthaushalt vor. Das ist aber ein (nachvollziehbares, eigentlich selbstverständliches) entscheidendes Kriterium für Kommunen, um Bonus-Geld aus Berlin zu erhalten.

Nachdem das Stadtbauamt in dieser Sache seine Hausaufgaben vorbildlich erledigt und alle inhaltlichen Voraussetzungen für die Förderung geschaffen bzw nachgewiesen hatte, steht fest, wer für das Scheitern des Projektes verantwortlich ist: jene Stadtratsmehrheit, die schon seit Jahren harte, zukunftsorientierte Entscheidungen verweigert. Begonnnen hatte das Drama im Sommer 2021. Damals wurde der bisherige Kämmerer Wolfgang Heinrich (parteilos) abgewählt. Der Mann hatte zwar rund elf Jahre lang seine Kompetenz in Haushaltsfragen nachgewiesen. Hielt den ehrenamtlichen Kommunalpolitiker*Innen aber immer wieder den Spiegel vor und wies diese auf ihre Fehlentscheidungen hin.

Dieser Mangel an Unehrlichkeit wurde Heinrich am Ende zum Verhängnis. Seine Amtszeit endete im November 2021. Die des Nachfolgers begann aber erst am 1. Januar 2022. Demzufolge fanden die Etatberatungen für 2022 im Herbst 2021 ohne einen Fachdezernenten statt. Sondern wurden von der am 13.3.2022 krachend abgewählten damaligen Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer geleitet. Deren fachliche Inkompetenz wurde von der Stadtratsmehrheit ausgenutzt. Die daher einen selbst in den eigenen Reihen umstrittenen Haushalt zusammenzimmerte. Der sollte am 16. Dezember 2021 beraten und verabschiedet werden. In Form einer bei der Ex-OBin und einer Reihe von sitzungssaalphoben Stadtratsmitgliedern beliebten Videokonferenz.

Nicht eine einzige dieser Sitzungen im Online-Format wurde formal korrekt durchgeführt. Und wegen einer nur in einer Präsenzsitzung mit Sichtkontakt möglichen politik-taktischen Spielerei scheiterte der Stadthaus 2022. Bei zwei Enthaltungen stimmten ebensoviele Stadtratsmitglieder für wie gegen den Entwurf (21). Der war daher bei Stimmengleichheit abgelehnt. Der Schreck war so groß, dass die Fraktion der Linken spontan bekannte, den Etat eigentlich nicht blockiert haben zu wollen. Aber Bianka Steimle und Jürgen Locher erkannten im wahrsten Sinne des Wortes die Besonderheiten des von ihnen befürworteten Online-Formates nicht.

Und setzten sich auch nicht erfolgreich für eine Korrektur der auch ihnen aufgefallenen Mängel ein. Daher endete ihr politisches Spielchen mit einem Eigentor in letzter Sekunde (in einer Präsenzsitzung kann jede(r) sehen, wie sich die anderen verhalten, online nicht). Der Hauhalt kam dann, ohne wesentliche Veränderungen, am 27. Januar 2022 zur erneuten Beratung und Beschlußfassung auf die Tagesordnung einer Stadtratssitzung. Mit einem ganz anderen Ergebnis: 25 Ja- bei nur neun Nein-Stimmen und acht Enthaltungen. An der finanztechnischen Rechtslage änderte dies nichts. Auf deren Basis machte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier (ADD) denn mit Schreiben vom 30. März 2022 genau das, was der abgewählte Kämmerer Heinrich angekündigt hatte:

Sie lehnte den vom Stadtrat beschlossenen Haushalt ab. Es kam noch schlimmer. Die ADD verlangte im Interesse der Einwohner*Innen eine deutliche Reduzierung der Neuverschuldung mit dem kurzfristigen Ziel eines ausgeglichen Haushalts. Dieser Einschnitt führte bei Teilen der Kommunalpolitiker*Innen zu Sprachlosigkeit. Jetzt holte der neue Kämmerer Thomas Blechschmidt das nach, was er im Vorfeld des Etatbeschlusses vom 27.1.2022, spätestens bei der Vorlage des damaligen Stadtratsbeschlusses in Trier, hätte machen müssen: er redete mit der ADD. Die gab der Stadt die Linie unmißverständlich vor: entweder Ausgabenkürzung im zweistelligen Millionenbereich.

Das hätte alle Lieblingsprojekte der Kommunalpolitiker*Innen verhindert. Oder Steuererhöhungen zur Einnahmeverbesserung. Gegen die sprachen sich zwar fast alle Stadtratsfraktionen aus. Weil ihnen aber die Einsparungen noch unangenehmer waren, stimmte eine Mehrheit am 30. Juni 2022 dann doch dafür. Dieser Stadthaushalt für 2022 hätte auch im April oder Mai 2022 verabschiedet werden können. Aber die Mehrzahl der Stadtratsmitglieder brauchte eben Monate, um sich von liebgewonnenen Vorstellungen zu verabschieden. Für das Bundesförderprogramm einfach viel zu viel Zeit. Ein korrekter Beschluß in 2021 hätte es sicher, ein zügiger zweiter Beschluß im April 2022 hätte es fast sicher ermöglicht.

Aber wegen der Trödel-Beratung der örtlichen Verantwortungsträger ging am Ende die Zeit aus. Gelernt haben einige in der Kommunalpolitik auch daraus nicht. Weil die Vorgaben der von der ADD durchgesetzten Gesetze die Gestaltung des Stadthaushaltes für 2023 noch schwieriger machen, als den für 2022, nutzten die ersten Stadtratsmitglieder fehlende Informationen des Landes etwa zum kommunalen Finanzausgleich dazu, eine Verschiedung der Etaberatungen für 2023 ins kommende Jahr anzuregen. Dabei sind nicht bekannte Daten nur eine faule Ausrede. Genau aus diesem Grund, weil man ja nie wissen kann, was das neue Jahr bringt, hat der Gesetzgeber den Kommunen das Instrument des sogenannten “Nachtragshaushaltes” an die Hand gegeben. Das bedeutet: ein erster Etat kann rechtzeitig im Vorjahr beraten und verabschiedet werden.

Wenn dann im Laufe des Haushaltsjahres der Bedarf bedeutender Korrekturen erkennbar wird, berät und beschließt der Stadtrat die notwendigen Veränderungen. In Form eines Nachtrages. Das Argument der Gegner*Innen dieser Vorgehensweise: dann müsse ja der selbe Sachverhalt zwei Mal beraten werden. Ach so. Wie für 2022. Da geschah dies (16.12.2021, 17.1.2022 und 30.6.2022) ja “nur” drei Mal … Jeden einzelnen dieser Kommunalpolitiker*Innen haben die Bürger*Innen am 26. Mai 2019 gewählt. Bzw über 50% der Bürger*Innen haben die Wahl dieser Kommunalpolitiker*Innen durch ihre nicht abgegebenen Stimmen zugelassen. Und damit ihre Kritik im Nachhinein erheblich geschwächt. Denn auf kommunaler Ebene beweisen die Ergebnisse Wahl für Wahl: jede einzelne Stimme zählt und wirkt. Wer nicht wählen geht machts nicht anders, als jene, die er-sie-es kritisiert: ein Verweigern von Verantwortung.