Am vergangenen Freitag berieten der Landkreis Mainz-Bingen sowie Stadt und Landkreis Bad Kreuznach in einer Geheimsitzung unter Ausschluß der Öffentlichkeit über die Kommunalisierung des ÖPNV. Dazu übersandte die Kreisverwaltung Bad Kreuznach nachstehende Presseerklärung der Kreisverwaltung Mainz-Bingen:
Ist ein kommunalisierter ÖPNV wirtschaftlich machbar? Diese Fragen prüfen Stadt und Landkreis Bad Kreuznach sowie der Landkreis Mainz-Bingen derzeit intensiv. Ein erstes Wirtschaftlichkeitsgutachten liegt den Verwaltungen vor und wurde jetzt in einer gemeinsamen nichtöffentlichen Sitzung mit Vertretern des Stadtrates und den beiden Kreistagen präsentiert. In den nächsten Wochen werden nun zunächst die einzelnen Fraktionen darüberberaten, anschließend befassen sich die drei Gremien mit dem Thema. Ziel ist es, bis zum Ende des Jahres zu Beschlussfassungen sowohl in Bad Kreuznach als auch in Ingelheim zukommen.
Die Sitzung im Kurhaus Bad Kreuznach war zunächst in Präsenzform vorgesehen. Aufgrund der in den letzten Tagen stark angestiegenen Zahlen der Corona-Neuinfektionen haben sich die drei Gebietskörperschaften aber schließlich auf eine hybride Variante geeinigt. Vor Ort dabei waren die Bad Kreuznacher Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer sowie die beiden Landrätinnen Bettina Dickes (Bad Kreuznach) und Dorothea Schäfer (Mainz-Bingen), die vom Kreisbeigeordneten Steffen Wolf begleitet wurde. Zudem waren aus den Gremien wenige Fraktionsvertreter im Kurhaus anwesend, die übrigen Kreistags- und Stadtratsmitglieder waren per Video-Stream dabei.
Die derzeit noch laufenden Busverkehrs-Konzessionen für die beiden Landkreise laufen bald aus – in Kreis und Stadt Bad Kreuznach jeweils am 31. Dezember 2021, in Mainz-Bingen Ende März 2022. Zu diesen Zeitpunkten startet in der Region die Umsetzung der im vergangenen Jahr verabschiedeten ÖPNV-Konzepte mit neuen Linien, engerer Taktung und besserer Verknüpfung der größeren Kommunen in den verschiedenen Gebietskörperschaften. Die nun zu klärenden wesentlichen Fragen sind:
– Welche Kosten kommen auf die drei Gebietskörperschaften zu, im Vergleich zu einer Vergabe der einzelnen Linienbündel an private Unternehmen?
– Welche Gesellschaftsform wäre für ein eventuell zu gründendes Unternehmen die richtige?
– In welcher Form könnten private Unternehmen an der Gesellschaft oder an den zuvergebenden Linien beteiligt werden?
– Wo könnte der Sitz der Gesellschaft sein?
– Wo wären der Betriebshof / die Betriebshöfe?
– Wie viele Busse werden benötigt?
Als wesentliche Vorteile einer Kommunalisierung werden vor allem drei Punkte genannt. Zum einen ist der Zugriff auf die Busse und die Fahrpläne direkter und einfacher möglich, was vor allem bei Busausfällen und Problemen im Schülerverkehr zur Verbesserung führen kann. Daneben werden die Busfahrer kommunale Angestellte und damit potenziell besser gestellt als im hart umkämpften privaten Markt. Zuletzt sind beim Ankauf neuer Busse, der zumindest nach und nach nötig sein wird, auch die Komponenten Umwelt– und Klimaschutz besser zu berücksichtigen.
Auch versprechen sich die Befürworter der Kommunalisierung insgesamt einen stabileren und damit weniger krisenanfälligen ÖPNV, dies auch gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Pandemie. „Ein gut funktionierender ÖPNV gehört zur Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürgerin unserer Stadt und der Region. Um ab 2022 einen voll funktionsfähigen und attraktiven Nahverkehr abzusichern, war der heutige Austausch zwischen den Gremien der drei Gebietskörperschaften unter strengen Corona-Vorsichtsmaßnahmen sehr wichtig. Zentrale Fragen zur Zukunft des ÖPNV konnten wir zusammen klären.
Ich hoffe, dass wir bis Ende des Jahres gemeinsam eine gute Lösung auf den Weg bringen können“, zieht Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer ein positives Fazit zur gemeinsamen Sitzung. „Die Kommunalisierung bietet uns die große Chance, unmittelbaren Einfluss auf die Gestaltung und die Entwicklung eines gemeinsamen ÖPNV zu nehmen. Die Fäden lägen in unseren Händen“, erklärt Landrätin Bettina Dickes. Sie hoffe, dass der Stadtrat und die beiden Kreistage zum Beschluss kämen, die Umsetzung gemeinsam anzugehen, um alle möglichen Synergien ausnutzen zu können.
Darüber hinaus stellt Dickes als für sie ganz wichtigen Punkt einer Kommunalisierung heraus, „dass unsere regionalen Busunternehmen die Gelegenheit hätten, zu fairen Tarifen als Auftragnehmer Linien zu übernehmen“, so Dickes. Landrätin Dorothea Schäfer sagt: „Für einen Flächenlandkreis wie Mainz-Bingen ist es wichtig, dass es gute und stabile Verbindungen mit Bus und Bahn zu den Arbeitsplätzen, den Einkaufsmöglichkeiten und den kulturellen Einrichtungen gibt. Nur so können wir es gewährleisten, dass die Menschen sich auch außerhalb der großen Zentren ansiedeln. Die Zusammenarbeit in der Region ist dabei ein entscheidender Faktor. Wir haben heute hierzu einen wichtigen Schritt gemacht.“
Meinung: ein Treppenwitz steht ganz am Anfang
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Claus Jotzo
Es geht um den Öffentlichen Personen Nahverkehr, kurz ÖPNV. Die Landkreise Mainz-Bingen und Bad Kreuznach überlegen, diesen gemeinsam mit der Stadt Bad Kreuznach in Eigenregie zu übernehmen. Die Kosten in hoher achtstelliger Höhe schrecken die Verantwortlichen nicht. Seit dem wegen Corona täglich Milliardenbeträge durch den Raum schwirren, sind zig Millionen nur noch Peanuts. Die kommunalen Haushalte sind defizitär. Es werden Schulden gemacht ohne Ende. Das meint: heute wird Geld ausgegeben und verbraucht, dass in Zukunft zurückgezahlt werden muß.
ÖPNV auf Pump
Ohne dass bleibende Werte geschaffen würden. Auch der ÖPNV wird von Anfang an mit Verlusten geplant. Keiner kommt auf die Idee zu verlangen, dass der ÖPNV kostendeckend sein muß. Sicher gibt es auch dafür gute Gründe. Aber die sind nur dann werthaltig, wenn denen Einsparungen heute gegenüber gestellt werden. Die billige Nummer, weiter in Form der Kredite das Geld der kommenden Generationen auszugeben – die, wie jeder weiß weniger zahlreich sind als heute – ist unverantwortlich. Und dann steht am Anfang des Projektes auch noch ein Treppenwitz:
Beratung für Minderheit
Öffentlicher Personen Nahverkehr wird nichtöffentlich beraten. Den Vogel abgeschossen hat diesbezüglich einmal mehr Bad Kreuznachs Oberbürgermeisterin: “Um ab 2022 einen voll funktionsfähigen und attraktiven Nahverkehr abzusichern, war der heutige Austausch zwischen den Gremien der drei Gebietskörperschaften unter strengen Corona-Vorsichtsmaßnahmen sehr wichtig”. Gremien? Also ich habe 44 Stadtratsmitglieder gewählt. Teilnehmen durften nur 10. Und wegen der strengen Corona-Vorsichtsmaßnahmen war auch für die Presse angeblich kein Platz.
ÖPNV wird durch untätige Verwaltungen ausgebremst
Geheimniskrämerei, Ausschluß der Öffentlichkeit aus der Sorge heraus, dass die Sandkastenspiele der Verantwortlichen von Besserwissern gestört werden. Wie wenig glaubwürdig die Pläne für einen “gut funktionierenden ÖPNV” sind, wird daran deutlich, was die drei kommunalen Gebietskörperschaften seit Jahrzehnten zulassen: der ÖPNV wird tagtäglich u.a. ausgebremst durch fehlende Busspuren, zugeparkte Bushaltestellen und knöllchenfreies Falschparken. Da zeigt sich einmal mehr: leider wird nach wie vor zu viel geplappert, statt konkret gehandelt.