Fahrradstation Roßstrasse: Anspruch und Wirklichkeit

Bewertung von
Claus Jotzo

Tobias Weber ist seit eingen Monaten der neue Verkehrsplaner des Stadtbauamtes. Er zeichnet u.a. mitverantwortlich für die Gestaltung der Pop-up-Radwege in der Gensinger Strasse. Am 7. Oktober hatte er seinen ersten größeren Auftritt im Planungsausschuß (PLUV). Und stellte dort die Umsetzung der Fahrradmaßnahmen aus dem Integrierten Verkehrskonzept (IVEK) vor. Ein Detailpunkt: die Fahrradabstellanlage in der Roßstrasse. Deren Dach steht dort seit Ende 2019. Die Fahrradständer seit Anfang diesen Jahres. Als Weber ausführte, “im Laufe des Sommers ist auch noch die Beschilderung dazu gekommen”, konnte man das wohlwollend als feinsinnige Kritik an der Verwaltungsarbeit verstehen.

Denn zutreffend wies Weber darauf hin, dass “am Anfang dort sehr viele Krafträder gestanden” haben. Das sei jetzt nicht mehr der Fall. Auch würden, so Tobias Weber, jetzt viele Fahrräder in der Fahrradstation stehen. Und dann verstieg sich der neue Verkehrsplaner zu der Behauptung, “auf dem Kornmarkt selbst, wo vorher viele relativ wild abgestellt wurden”, seien es weniger geworden. Da gab es vielfältigen Widerspruch aus dem Ausschuß, so dasss die Sitzungsleitung daran erinnern mußte, wer das Wort hat.

Weber führte fort “es sind auf dem Kornmarkt weniger geworden, wie es Anfang des Jahres war, als die (Anmerkung der Redaktion: die Fahrradstation) noch nicht so angenommen wurde, das hat sich im Laufe des Sommers deutlich verbessert, dass hier jetzt deutlich mehr stehen”. Mal ganz davon abgesehen, dass Tobias Weber “Anfang des Jahres” noch gar nicht in Diensten der Stadt stand und daher offen blieb, woher er seine Kentnisse bezogen hat. Heftigen Widerspruch ernete Tobias Weber von Karl-Heinz Delaveaux (FWG / BüFEP).

Ein trauriges Bild gibt die Schließfachanlage ab. Weil ein falsches Modell ausgewählt wurde, sind viele Fächer nicht nutzbar.

Anders als der Verkehrsplaner hält sich das langjährige Stadtratsmitglied immer dienstags und freitags zum Wochenmarkt auf dem Kornmarkt auf, um dort seine Mutter zu unterstützen. Delaveaux schilderte seinen Ausschußkolleg*Innen, dass er dort Woche für Woche auf Radfahrende trifft, die behindernd parken. Und regelmäßig seinen Hinweis auf die Fahrradstation mit der Behauptung beantworten, diese würden sie nicht kennen. Tobias Webers Aussage ist objektiv unzutreffend.

Im Frühjahr und Sommer 2020, diese Seite hat dies mehrfach ins Bild gesetzt, wurden rund um und auf dem Kornmarkt ausserhalb der Wochenmarkttage bis zu 150 Fahrräder abgestellt. Bei der Fahrradstation können nach Angaben der Stadt maximal 48 unterkommen (die standen dort noch nie). Fakt ist, dass die Fahrradstation – trotz Überdachung – von nur wenigen Radfahrenden genutzt wird. Diese stellen ihre Räder nach wie vor lieber in direkter Nähe ihres Aufenthaltsortes ab. Also rund um den Kornmarkt. Gestern Nachmittag, es war sonnig, warum und trocken, waren wieder viele per Rad unterwegs.

Und wie unsere gegen 16 Uhr entstandenen Bilder beweisen, war die Fahrradstation eben nicht auch nur annähernd ausgelastet. Von den angeblich 48 Plätzen waren vier belegt. Darunter ein Dauerparker (das eingepackte Vehikel). Und ein Schrotthaufen. Auf und um den Kornmarkt waren dagegen zu selben Zeit 21 Fahrräder abgestellt. Das war natürlich nur eine Momentaufnahme. Wir werden hier schon bald wieder nachsehen. Aber die zufällige Stichprobe deckt sich mit den Beobachtungen von Anwohnern und Planungsausschußmitgliedern.

Um von denen ernst genommen zu werden, sollte Tobias Weber künftig nicht auf irgendwelche Einflüsterer hören. Sondern sich selbst ein Bild verschaffen. Und das dann auch wahrheitsgemäß in den städtischen Gremien kommunizieren und bei seiner Verwaltungsarbeit berücksichtigen. Eine nicht oder nur wenig genutzte Fahrradstation spricht nicht gegen Förderung des Zweiradverkehr im Städtchen (so wie ein leeres Parkhaus ja auch nicht zur Einstellung des motorisierten Individualverkehrs führt). Aber wenn gelogen wird, um den Zweiradverkehr besser da stehen zu lassen (als er mit all seinen Problemen nun mal dasteht), dann schadet das dem Anliegen ungemein.

Weil Tobias Weber jung an Jahren ist, ein Tipp von einem, der viele der Rad- und Autofahrenden in dieser Stadt seit Jahrzehnten beobachtet: seit dem mehr Rad gefahren wird, hat sich lediglich das Fortbewegungsmittel verändert. Jene, die schon im Auto angenehme Zeitgenossen waren, sind es natürlich auch auf dem Fahrrad. Die anderen haben sich allerdings auch nicht geändert. Und das waren schon immer viele. So zu tun, als sei die Folge der Nutzung eines guten Fortbewegungsmittels per se etwas Gutes, ist unverantwortliche Naivität. Und kann bei der Verkehrsplanung im wahrsten Sinne des Wortes tödliche Folgen haben.