Von unserem Redakteur
Claus Jotzo
Würde das in einem Tatort-Drehbuch stehen, die Schauspieler würden den Text verweigern. Zu gekünstelt. Abwegig. Die neueste Wendung in Sachen Gewobau-Seeger-Dr.-Kaster-Meurer ist aber keine Fiktion. Sondern knallharte Realität. Wir rekapitulieren. In 2016 prüft der Landesrechnungshof (LRH) die Gewobau. Er findet dutzende, teilweise gravierende Fehler vor.
Mündliche Information am 29.5.17
Fast immer beteiligt: Geschäftsführer Karl-Heinz Seeger. Und Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer. Sie ist die Vorsitzende des Aufsichtsrates. Am 21. November 2016 wird sie im Rahmen einer Aussprache umfassend informiert. Am 29. Mai 2017 wird ihr der schriftliche Vorbericht zugestellt. Sowohl sie als auch Seeger geben am 15. August 2017 eine Stellungnahme ab.
Acht Ausfertigungen
Diese wird in der Endfassung des Prüfberichtes vom 21. November 2017 berücksichtigt. Der liegt bei der Gewobau im Dezember 2017 vor. Zusammen mit acht Ausfertigungen. Die werden aber weder an die Mitglieder des Aufsichtsrates noch an die Stadtratsfraktionen verteilt. Statt dessen legt Seeger im Frühjahr 2018, fast zwei Jahre nach der Prüfung und fast ein Jahr nach dem schriftlichen Vorbericht im Aufsichtsrat eine sehr knappe, fast alle relevanten Punkte auslassende Liste vor.
Zimmerlin verlangt Bericht
Das dürre Papier reicht dem damaligen Aufsichtsratsmitglied Wilhelm Zimmerlin (BüFEP) nicht. Er verlangt den Bericht. Den dürfte er nach dem Willen von Seeger und Dr. Kaster-Meurer nur im Amtszimmer des Geschäftsführers oder der Oberbürgermeisterin lesen. Also faktisch unter Aufsicht. Das lehnt Zimmerlin ab und legt sein Aufsichtsratsmandat nieder. Um sein Kontrollrecht als Stadtrat einzufordern.
Urteil gegen Dr. Kaster-Meurer
Wieder blockt die Obebürgermeisterin ab, behauptet “schutzwürdige Interessen”. Am 15. Januar 2019 mußte sie sich vom Verwaltungsgericht Koblenz eines Besseren belehren lassen. Das Gericht verurteilt Dr. Kaster-Meurer zur Herausgabe des Berichtes. Die gesonderten Versuche der Gewobau die Einsichtnahme zu verhindern, weist das Gericht entschieden zurück.
Geschwärzte Variante im März 2019
Anfang März legt die Oberbürgermeisterin dann ausgesuchten Pressevertretern (der Redaktion dieser Seite zB nicht), Zimmerlin und den Stadtratsfraktionen eine Fassung des Berichtes vor, die zu etwa einem Drittel geschwärzt ist. Diese Seite deckt anschließend auf, dass die Masse der Schwärzungen allein eine Person betreffen: Geschäftsführer Karl-Heinz Seeger.
Geweißte Fassung 14 Tage später
Die Gewobau zahlte nach eigenen Angaben rund 10.000 Euro, um die Schwärzungen von einem Rechtsanwalt durchführen zu lassen. Unbemerkt von der Öffentlichkeit geht Wilhelm Zimmerlin beim Verwaltungsgericht weiter gegen die Oberbürgermeisterin vor. Die präsentiert dort eine dritte Fassung des Berichtes. Auf geschwärzt folgt geweißt. Die Sensation daran: in dieser Fassung ist weniger geweißt, als in der zweiten geschwärzt.
Stadt: nicht jede Schwärzung war nötig
Die Stadtverwaltung selbst räumt damit also ein: doch nicht alles, was die Gewobau schwärzen ließ, war nötig. Damit fällt die Seeger-Argumentation der “schutzwürdigen Belange” in sich zusammen. Wer will heute noch ohne Kenntnis des Originalberichtes entscheiden, welche Verheimlichung angemessen sein mag?
Zimmerlin deckt auf
Wilhelm Zimmerlin hat diese Tatsachen gestern öffentlich gemacht. In einer Presseerklärng teilte er mit: “Ich habe einen geschwärzten und einen geweißten Prüfbericht des Landesrechnungshofs (LRH) über die Prüfung der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft mbH Bad Kreuznach (GEWOBAU)“, sagt Stadtrat Wilhelm Zimmerlin vom Bündnis für soziale Energiepreise und gerechte Politik e.V. (BüFEP).
“Im Datenschutz bewandert”
„Am 1. März habe ich den geschwärzten Prüfbericht erhalten. Das war eine Missachtung des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 15. Januar 2019. Ich habe die Oberbürgermeisterin aufgefordert, mir unverzüglich den unzensierten Prüfbericht auszuhändigen. Die Oberbürgermeisterin hat mir daraufhin mitgeteilt, dass sie eine im Datenschutz bewanderte Mitarbeiterin der Stadt beauftragt habe, die im Prüfbericht des LRH umfangreich vorgenommenen Schwärzungen auf ihre Notwendigkeit zu überprüfen.
Synopse erstellt
Am 15. März wurde mir dann eine zweite Version des Prüfberichts zugestellt, diesmal nicht mit schwarz sondern mit weiß unkenntlich gemacht. Ich habe aus dem geschwärzten und dem geweißten Prüfbericht eine Synopse (Anmerkung der Redaktion: Beispiele unten) erstellt. Daraus geht hervor, dass in der geweißten Version etlichen Textpassagen lesbar sind, die in der ersten Version von einem vom Geschäftsführer beauftragten Datenschutzexperten geschwärzt sind.
Mitarbeiter nicht befasst
Aus der Synopse ist zudem ersichtlich, dass die in der geweißten Version nunmehr lesbaren Textpassagen sich nicht mit datenschutzrelevanten Sachverhalten der Mitarbeiter der GEWOBAU befassen. Genau das wurde jedoch vom Geschäftsführer in der Pressekonferenz am 1. März als Grund für die umfassenden Schwärzungen vorgebracht”.
“Geschäftsführer-Behauptungen unwahr”
Zimmerlins Fazit aus Schwärzungen und Weißungen: “1. Die Behauptungen des Geschäftsführers bezüglich der Notwendigkeit der Schwärzungen sind unwahr; sie wurden von der städtischen Verwaltungsmitarbeiterin widerlegt. 2. Der Geschäftsführer hat nach eigenen Angaben rund 10.000 Euro für offensichtlich nicht begründete Schwärzungen des Prüfberichts verausgabt.
“10.000 Euro verschwendetes Vermögen der Gewobau”
Dieser Betrag ist verschwendetes Vermögen der GEWOBAU. 3. Auch in der geweißten Version des Prüfberichts bleiben zahlreiche Seiten fast vollständig unlesbar; und zwar die gleichen wie in der geschwärzten Version; auf diesen Seiten befasst sich der LRH mit dem Geschäftsführer. 4. Die Aushändigung des vollständigen unzensierten Prüfberichts an den Stadtrat steht weiterhin aus”.
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