“Stadt, Du bist nicht verläßlich”

Marc Dengler könnte auch im Diplomatischen Dienst tätig sein. Der Verwaltungsrat der katholischen Kirche schaffte es fast eine halbe Stunde lang seinen über zehn Jahre aufgestauten Frust und unzählige Enttäuschungen zurückzuhalten. Erst dann brach es aus Dengler heraus: “Stadt, Du bist nicht verläßlich”.

Und auch dieser Satz klang aus dem Mund des christlich engagierten Lehrers noch sozialverträglich. Gerichtet war er an die Mitglieder des Planungsausschusses. Der mußte sich in seiner Sitzung am Mittwochabend mit einem Antrag der Kirchengemeinden St. Wolfgang und St. Nikolaus beschäftigen. Deren Forderung: die Stadt muß die Bauträgerschaft für die beiden gleichnamigen Kitas übernehmen.

Oder diese nehmen ab dem Sommer keine neuen Kinder mehr auf. Letzteres wäre für die Stadt ein Riesenproblem. Denn Bad Kreuznach ist bundesgesetzlich verpflichtet für alle Kinder Plätze anzubieten. Ohne die beiden Einrichtungen ist dies nicht möglich. Fehlende Plätze wären nicht nur rechtswidrig. Diese würden auch zu Schadenersatzprozessen von Eltern führen.

Nachteile für Kinder

Von den Nachteilen für die Kinder, denen ohne Kita bestimmte Förderungen verloren gehen, ganz zu schweigen. Folge der Bauträgerschaft wäre: die Stadt muß alle Kosten der Gebäude tragen. Ohne Eigentümer zu sein oder werden zu können. Und Dengler setzte noch einen drauf. Gehe die Stadt nicht auf die Bauträgerschaft ein und komme es zum “Ausschleichen” der Kitaplätze, werde er “nicht zulassen”, dass die Stadt die derzeitigen Kitagrundstücke erwerben könne, um dann dort selbst zu bauen oder Kindergärten zu betreiben.

Henke: schwache Position

Einige Ausschußmitglieder mußten sich angesichts dieser klaren Ansagen sehr bemühen nicht verbal ausfällig zu werden. Am besten gelang dies Michael Henke von den Grünen. Der evangelische Pfarrer brachte trocken zum Ausdruck, dass “die Stadt in einer schwachen Position ist. Daher ist es schwierig emotional zu werden”. So viel Selbstbeherrschung brachte Dr. Werner Drumm nicht auf.

Dr. Drumm: Evangelen schaffens auch

Das in der evangelischen Kirche engagierte Stadtratsmitglied sprach erst “von einem gewissen Geschmack”, den der katholische Vorstoß “kurz vor der Kommunalwahl” habe. Um dann gegen Ende der Beratungen ungehemmt loszupoltern. Den Vorwurf Denglers, die finanziellen Lasten seien nicht zu stemmen, konterte Dr. Drumm mit dem Hinweis darauf, dass die evangelischen Gemeinden das unter den selben Bedingungen trotzdem schaffen.

Klopfer: etwas verwundert

“Offensichtlich ist es ein Systemfehler der katholischen Kirche der hier auf Stadtkosten ausgebügelt werden soll”. Werner Klopfer fragte “etwas verwundert: wie kam es zu der Wende?”. Der CDU-Fraktionschef mußte sich dann daran erinnern lassen, dass Zuschußanträge der beiden Kitas zunächst zusammengestrichen und dann auch noch mit einem Sperrvermerk versehen worden seien.

Statt 65% jetzt 100%

Und an die Ablehnung einer verbindlichen Zuschußvereinbarung im Dezember 2016 durch den Finanzausschuß. Damals hatte die grosse Mehrheit der Ausschußmitglieder, auch viele aus den Reihen von CDU und SPD, dem Verwaltungsvorschlag widerspochen und diesen abgelehnt. In dem war auf Antrag der freien Träger vorgesehen, dass die Stadt verbindlich 65% der Baukosten übernimmt, damit nur noch 35% von den Eigentümern zu stemmen sind.

Das grosse Zurückrudern

Am Mittwoch setzte Planungsausschuß nun das grosse Zurückrudern ein. Klopfer regte an die Sperrvermerke einfach aufzuheben, um der katholischen Kirche zu helfen. Marc Dengler wies darauf hin, dass aufgrund der zuvor erfolgten Kürzungen dies nicht zielführend sei. Auch durch Klopfers Aussage, er zahle als guter Katholik seit Jahrzehnten treu und brav Kirchensteuer, ließ sich der Verwaltungsrat nicht erweichen.

“Nicht ohne Ersatz”

Aus Sicht des Jugendamtes sind die insgesamt 180 Plätze in beiden Kitas “zur Bedarfdeckung notwendig”. Aus dem Bedarfsplan ergebe sich, dass im Kita-Bezirk “Nord” rund 35 Plätze und im Bezirk “Süd” rund 150 Plätze fehlen. Dabei seien Neubaugebiete noch gar nicht berücksichtigt. Verwaltungs-Fazit: “Insofern kann ein Wegfall der Bestandsplätze von ca. 180 Kita-Plätzen nicht ohne Ersatz erfolgen”.

Viele hunderttausend Euro

Was die Übernahme der Bauträgerschaft finanziell bedeutet, hat das Stadtbauamt in der Beschlußvorlage zusammengestellt. Der Investitionsbedarf für die Kita St. Nikolaus ist dort mit “mindestens ca. 560.000 Euro” angesetzt bei “längerfristiger Nutzung”. Der für St. Wolfgang mit “ca. 300.000 bis 400.000 Euro” für “ca. 15 Jahre”.

“Glauben Schätzungen nicht mehr”

Klaus Christ wies darauf hin, dass die Angabe zuverlässiger Zahlen “schwierig” sei. Zunächst müßten fachliche Planungen vorgenommen werden. Dr. Drumm wurde sehr viel deutlicher. “Wir glauben diese Schätzungen des Stadtbauamtes nicht mehr” nach den “wunderbaren Erfahrungen Casinogebäude und Haus der Stadtgeschichte”.

Bläsius für Vertagung

Hermann Bläsius (Grüne) brachte zum Ausdruck, es sei “zu früh, eine Empfehlung auszusprechen”. Jedem sei bewußt geworden, was für die Stadt auf dem Spiel stehe. Er plädierte dafür den Beschluß auszusetzen, um in den Fraktionen beraten zu können. Dem stimmte zunächst Werner Klopfer für die CDU zu. Dann schloß sich die grosse Ausschußmehrheit an.