So wird die militaristische Verpackung verharmlost

Es ist nicht etwa Bescheidenheit. Weil ein “Goldenes” zu protzig erschienen wäre. Sondern sein Name belegt den auch örtlich starken Militarismus der damaligen Zeit: “Eisernes Buch”, das 1917 in und 2017 ausser Dienst gestellte Gästebuch der Stadt. Weitere rund 100 Jahre zuvor, 1813, hatte Prinzessin Marianne von Preussen ihre Mitfrauen aufgerufen Goldschmuck gegen eine Brosche oder einen Ring aus Eisen zu tauschen. Dieser sollte die Gravur “Gold gab ich für Eisen” tragen.

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Mit dem Erlös wurde der Krieg Preussens gegen Napoleons Kaiserreich finanziert. Ganz ähnlich wurde dann zum Beginn des ersten Weltkrieges agitiert: wer spendete erhielt Trau- und Schmuckringe aus einfachem Metall, die teilweise mit dem Eisernen Kreuz versehen waren. Erneut wurde Eisenschmuck zum äusseren Zeichen von aggressivem Patriotismus. In Bad Kreuznach ist der Militärbezug noch konkreter als anderenorts. Denn am 2. Januar 1917 schlug das Große Hauptquartier sein Lager an der Nahe auf.

Ersteintragung vom Kriegsherrn

Als dann kurz danach das Gästebuch als “Eisernes” neu aufgelegt wurde, war es folgerichtig Kaiser Wilhelm II., der sich als Erster in das Eiserne Buch eintrug. Einer der Hauptverantwortlichen für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges. In dem starben Hunderttausende an Giftgas. Millionen wurden getötet. Und die Basis für den zweiten Weltkrieg gelegt. Dieser düstere Zusammenhang spielt leider keine Rolle bei dem Aufruf der Stadtverwaltung zur Beteiligung an der Ausschreibung für den “Förderpreis für Kunst und Kultur 2018”. Gesucht wird ein neues Gästebuch.

Würdig statt antimilitaristisch

Statt herauszustellen, dass dieses sich von seiner Gestaltung und Konzeption klar von den militaristischen Bezügen des Vorgängers klar abzgrenzen hat, wünscht sich die Verwaltung lediglich “einen würdigen Nachfolger für das „Eiserne Buch“. Das neue Unikat solle “mit zeitgemäßer und gleichermaßen künstlerisch wertvoller Ausführung und neuem Namen aufgelegt werden”. Die Stadt ruft daher Künstler, Designer und Buchkünstler auf, sich mit einem Entwurf für den Förderpreis für Kunst und Kultur in der Sparte Bildende Kunst zu beteiligen.

Vollzug eines Beschlusses aus 2011

Wie die Stadtverwaltung mitteilt, hat der Kulturausschuss 2011 beschlossen, die zeitgemäße künstlerische Gestaltung eines neuen Ehrengästebuches im Rahmen des Förderpreises für Kunst- und Kultur an den Preisträger des Wettbewerbs zu vergeben. Größten Wert legten die damaligen Ausschussmitglieder auf den Erhalt und die Pflege des „Eisernen Buchs“ als Artefakt in seiner bisherigen Form. Eine unmissverständliche Herausstellung der kriegstreibenden Hintergründe der Namensgebung wurde aus dem Ausschuß nicht überliefert.

Zweibändige Dokumentation

Weiter teilt die Stadtverwaltung mit: “das „Eiserne Buch“ ist inzwischen vollständig beschrieben und eines der bedeutendsten Bücher Bad Kreuznachs. Über einhundert Jahre diente es als Gästebuch für die Ehrengäste, die Bad Kreuznach besuchten, darunter zahlreiche Persönlichkeiten der Welt- und Stadtgeschichte. Zum Abschluss des Eisernes Buches ist 2017 eine zweibändige Dokumentation, herausgegeben von Stadtarchivarin Franziska Blum-Gabelmann und Jörn Kobes, erschienen.”

Verharmlosende Darstellung

Ohne die vorstehenden Informationen zur Kriegsfinanzierung vor 200 und vor 100 Jahren führt die Stadtverwaltung verharmlosend weiter aus: “viele Städte besitzen ein Goldenes Buch, doch frei nach der damaligen Devise „Gold gab ich für Eisen“ entschied man sich in Zeiten des 1. Weltkriegs für ein Eisernes Buch. Die 100-jährige Nutzung dieser zeit- und kulturgeschichtlich bedeutsamen Quelle führte dazu, dass der Platz für weitere Eintragungen nicht mehr gegeben ist. Ein neues, zeitgemäßes Buch soll dazu dienen, auch in Zukunft die Geschichte der Stadt und ihrer Ehrengäste festzuhalten”.

Förderpreis beträgt 2.500 Euro

Um den Künstlern eine größtmögliche Gestaltungfreiheit zu lassen, werden bezüglich der Gestaltung, der Größe des Buches, sowie bei der Auswahl der Materialen keine Vorgaben gemacht. Jede einreichende Künstlerin bzw. jeder einreichende Künstler erhält ein Bearbeitungshonorar in Höhe von 300 €. Der/die Preisträger/in wird von einer sieben köpfigen Fachjury bestimmt und erhält den mit 2.500 € dotierten Förderpreis für Kunst und Kultur der Stadt Bad Kreuznach für das Jahr 2018.

Einreichungsfrist 30. Juni

Laut den Förderrichtlinien soll der Kunstpreis vorrangig an Künstlerinnen und Künstler aus der Stadt Bad Kreuznach und dem Naheraum vergeben werden. Die Entwürfe sind bis spätestens 30. Juni 2019 bei der Stadtverwaltung Bad Kreuznach, Amt für Schulen, Kultur und Sport, Wilhelmstraße 7-11, 55543 Bad Kreuznach einzureichen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Anja Gillmann, Telefon (0671) 800 744 oder per Email an anja.gillmann@bad-kreuznach.de.

Foto: Stadtverwaltung Bad Kreuznach