“Ich möchte nicht gehängt werden”

Der Überlebenswille ist stark in Markus Schlosser (CDU). Das wurde am Montagabend im Hauptausschuß deutlich. Dort stand ein Antrag der SPD zu Beratung an. Die Sozialdemokraten wollen die Sperrzeit in der Neustadt an den Jahrmarktstagen um 3 Uhr beginnen lassen und damit die “Exzesse” der Vorjahre verhindern. Dem fünf Jahre in Folge praktizierten Bustransfer von unzähligen Jahrmarktsgästen zur Frühmorgenparty in den historischen Stadtteil soll so der Boden entzogen werden. Für den Schutz der Anwohner sprachen sich “im Prinzip” alle Ausschußmitglieder aus.

Grüne für mehr Nachtruhe

Im Detail wurden dann aber sehr unterschiedliche Sichtweisen deutlich. So ging den Grünen der SPD-Vorschlag nicht weit genug. Hermann Bläsius beantragte daher den generellen Sperrstundenbeginn freitags und samtags um 3 und an den anderen Tagen um 1 Uhr. Und Stadtrechtsdirektorin Heiderose Häußermann warnte vor jedwelcher Änderung. Denn dadurch wäre eine juristische Überprüfung der Sperrzeit-Verordnung durch interessierte Betroffene, zB Gastronome, möglich. In diesem Spannungsfeld bewegten sich dann mehrere Diskussionsbeiträge, bis der zuständige Beigeordnete die Bereitschaft zum Erlaß einer neuen Rechtsverordnung signalisierte, aber unter einer Bedingung.

Einmütig für den SPD-Antrag

“Wenn ich das unterschreibe und das fällt uns dann auf die Füsse, möchte ich nicht gehängt werden”. Die klare Ausschußmehrheit möchte Schlosser auch für den Fall eines Autogramms mit negativen Folgen am Leben lassen. Und so wurde der SPD-Antrag bei fünf Enthaltungen angenommen. Der Grünen-Vorschlag wird die nächste Stadtratssitzung beschäftigen. Erst danach tüftelt die Verwaltung die Textneufassung der Rechtsverordnung aus. Die soll rechtzeitig vor dem Jahrmarkt 2019 veröffentlicht werden.

Anhörung am 23.10.18

Der SPD-Antrag datierte vom 4. September 2018. Am 27.9.18 hatte der Stadtrat ihn in den Hauptausschuß verwiesen. Schon am 23.10.18 fand dann eine von der Verwaltung angesetzte Anhörung statt, an der drei VertreterInnen des Altstadtvereines, Gastronome, Polizei und das Ordnungsamt teilnahmen. Dem Hauptausschuss lag das Verwaltungsprotokoll und eine vom Altstadtverein verfasste “Ergänzung” vor (alles nachzulesen unter bad-kreuznach.de/sv_bad_kreuznach/Politik%20und%20Verwaltung/Politik%20(Stadtrat%20und%20Gremien)/Sitzungen%20der%20Aussch%C3%BCsse/Hauptausschuss/HA_190121_Gesamt_oe.pdf).

Antrag für Poller gestellt

Günter Meurer begründet für die SPD den Antrag. “Wir kennen ja alle die Situation”. Er nannte stichwortartig “Bustransfer, Fußgängerzone durchfahren, Lärm, Müll und Dreck. Es ist passiert, das ist fakt”. Seine Ehefrau assistierte dann mit der Vorwegnahme der Frage “wann kommt der Poller?”. Und beantwortet diese selbst mit der Feststellung, dessen Installation sei für den Haushalt 2019 angemeldet, der Förderantrag gestellt und sogar der Mitarbeiter in der Verwaltung, der das Projekt betreuen soll, bereits ausgewählt.

“Vermengen ist nicht in Ordnung”

Das ging Karl-Heinz Delaveaux (FWG) zu schnell und zu durcheinander. Er wollte genau wissen, was nun genau beschlossen werden sollte, um späteren Ärger zu vermeiden. Nachdem ihm die Oberbürgermeisterin Klarheit zugesichert hatte, stellte Hermann Bläsius für die Grünen den eingangs zitierten Antrag. Das rief Carsten Pörksen auf den Plan. “Das wollen wir mal auseinanderhalten”. Die SPD wolle das an den Jahrmarktstagen aufgetretene Problem lösen. Eine generelle Verlängerung der Sperrzeit in der Neustadt sei ein anderes Thema, über das man gern gesondert diskutieren könne. Es seien aber zwei unterschiedliche Dinge “und das zu Vermengen ist nicht in Ordnung”.

Häußermann warnt vor Übertreibung

Danach kam Stadtrechtsdirektorin Häußermann zu Wort. Sie betonte, dass die Sperrzeiten in einer Rechtsverordnung von der Verwaltung geregelt und die Gremien lediglich angehört würden. Sie riet dazu sich klar zu machen, wie der rechtliche Status Quo sei. “Da haben wir schon eine ganze Menge für die Anwohner”, stellte sie fest, was bei den ZuhörerInnen vom Altstadtverein die ersten Mißfallenskommentare hervorrief. Die Stadtrechtsdirektorin führte dann weiter aus, dass sie die Sorge habe, “wenn es übertrieben wird, dass wir am Ende gar nichts mehr haben”. Die ZuhörerInnen drückten erneut ihr Unverständnis aus.

Dr. Mackeprang für Verhältnismässigkeit

Das steigerte sich noch, als Häußermann dann zusammenfasste: “Jede Veränderung der Verordnung bedeutet, dass diese neu anfechtbar ist”. Während die Verwaltung eine solche juristische Auseinandersetzung erkennbar scheut, zeigten sich die ZuhörerInnen, gestützt auf bundesweit ergangene Anwohnerschutzurteile, streitwillig. Dr. Bettina Mackeprang verbreiterte die Argumentation des Rechtsamtes und führte den Grundsatz der Verhältnismässigkeit an. Wenn das Problem der illegalen Zufahrt mit dem Poller beherrscht werden könne, bedürfe es möglicherweise keiner Ausweitung der Sperrzeit. Gleiches gelte, wenn durch einen verstärkten Einsatz des Ordnungsamtes Lärm- und Müllbelästigung reduziert werden könne.

Keine Buszufahrt mehr

Beigeordneter Schlosser zeigte sich davon übezeugt, dass sein Vollzugsdienst dafür sorgen könne, “dass da kein Bus mehr reinfährt, ob Poller oder nicht”. Er teilte mit, dass ihn die rechtlichen Bedenken der Stadtrechtsdirektorin durchaus beeindrucken und hoffte, dass die Stadt sich mit der Veränderung “keinen Bärendienst erweist und uns die Sache auf die Füsse fällt”. Hermann Bläsius erinnerte in seiner zweiten Wortmeldung daran, dass beim ersten Beschluß zur Sperrzeit ausdrücklich festgehalten worden sei, dass “wir abwarten was passiert”. Der SPD-Antrag sei sinnvoll. Aber der grüne Ergänzungsantrag eben auch.

Kohl für Kompromiß

Er hielt es nicht für zielführend zwei Veränderungen zu beschliessen, “die uns dann um die Ohren fliegen, weil wir nochmal daran rummachen”. Dieses Argument griff der Winzenheimer Ortsvorsteher Mirko Kohl auf und schlug als “Kompromiß” vor den SPD-Vorschlag zurückzustellen, bis eine Aussprache über alle Aspekte stattgefunden habe und dann über alles in einem Rutsch abgestimmt werden könne. Da sahen die VertreterInnen des Altstadtvereins auch die Jahrmarkts-Verbesserung in weite Ferne rücken und verschafften ihrer Enttäuschung hörbar Luft.

Otto übergab Unterschriftenlisten

Günter Meurer formulierte in seiner Erwiderung “ich weiß gar nicht, ob wir einen Kompromiß brauchen”. Die SPD wolle einen konkreten Punkt für die Jahrmarktzeit ändern, weil es sich gezeigt habe, dass es an anderen Tagen “dieses Halli-Galli nicht gegeben hat”. Und provozierte damit ein lautes Widerspruchs-“Ooochh” der Altstadtvereinsvorsitzenden Beate Bruns. Die hatte vor dem Eintritt in die Tagesordnung des Hauptausschusses von der Oberbürgermeisterin gemeinsam mit Ihrer Mitstreiterin Steffi Otto die Gelegenheit erhalten die vom Altstadtverein initiierte Unterschriftensammlung vorzustellen und die Listen mit den ersten 311 offfiziell abzugeben (diese Seite berichtete am 21.9.18 unter der Überschrift “Unterschriftensammlung für Nachtruhe”).