“Das wäre Wahnsinn”

Als Dr. Heinrich Rüddel (SPD) gestern gegen 18.48 Uhr im Finanzausschuß zu Wort kam und “mehr Sachlichkeit und Disziplin” anmahnte, war die Wortschlacht schon zu Ende. Entzündet hatte die sich fast einstündige Aussprache an der Mitteilungsvorlage der Kämmerei zu den in 2018 erzielten Gewerbesteuereinnahmen. 34.696.233,80 Euro flossen in die Stadtkasse. Ein Rekordwert.

Betriebsprüfer noch bei der Arbeit

Dazu noch eine Option auf bis zu 14.280.791 Euro. Für die wurde aufgrund einer Entscheidung der Finanzverwaltung im August 2018 die Aussetzung der Vollziehung angeordnet. “Wenn uns diese 14 Millionen zufliessen wäre das Wahnsinn”, freute sich Kämmerer Wolfgang Heinrich. Obs dazu kommt hängt von den Betriebsprüfern des Finanzamtes ab, die nach Wissen des Bürgermeisters “noch bei der Arbeit sind”. Die Diskussion darüber, wie diese Zahlen zu bewerten sind, eröffnete CDU-Fraktionschef Werner Klopfer.

CDU: in Schulen und Strassen investieren

Er erinnerte daran, dass in 2017 trotz brummender Konjunktur und absehbar guten Steuereinnahmen nur 28 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahme in den Haushalt 2018 eingestellt worden seien. Für die Beratung des Haushaltes 2019 kündigte er an, dass seine Fraktion nicht noch einmal eine solche finanzielle Schwarzmalerei mitmachen werde. “30 Millionen können geplant werden”. Die CDU wolle in Schulen und Strassen investieren und Bad Kreuznach attraktiv erhalten.

Heinrich: kaufmännisch konservativ

Diesem Ansinnen möchte Bürgermeister Heinrich nicht entsprechen. Sachlicher aber nicht weniger engagiert als sonst verteidigte er seine in Fachkreisen als “kaufmännisch konservativ” gelobte zurückhaltende Einnahmeschätzung. “Ich möchte gern, dass die Kollegen im Stadtvorstand Geld ausgeben können. Aber das wird von der ADD nicht genehmigt”, führte der Kämmerer aus. Die Forderung Klopfers, den Etat statt der drei vorgesehenen Tage nur in zweien zu beraten, kommentierte Heinrich mit der Aussage “wenn Sie einen Tag weniger brauchen ist es mir recht, Sie dürfen aber auch länger”.

Rapp: niedrig angesetzt

Dr. Herbert Drumm (Freie) unterstützte den Bürgermeister. Er bezeichnete den Klopfer-Vorstoss als unverantwortlich. Mehreinnahmen müßten zur Schuldentilgung verwendet werden. “Wir sparen die Stadt nicht tot”. Gewerbesteuereinnahmen seien kein Wahlkampfthema. Ihm widersprach Manfred Rapp (CDU). Der Spitzenkandidat der Christdemokraten wies darauf hin, dass in den vergangenen vier Jahren die Ansätze immer wesentlich niedriger festgesetzt worden seien, als die Einnahmen später tatsächlich ausfielen.

Weniger Liquiditätskredite

Diese Feststellung wertete Wolfgang Heinrich “als Lob für den Kämmerer”. Er erläuterte die positive Konsequenz dieses Umstandes: “wir brauchen weniger Liquiditätskredite”. Die möchte er zum Ablauf seiner Amtszeit bei “0” sehen. Das wäre historisch in der Geschichte in der Stadt Bad Kreuznach. Weil Werner Klopfer sich dann auch durch den Schwenk des Bürgermeisters zu den Investitionskrediten vom Thema nicht abbringen ließ, wurde Heinrich verbal deutlicher und kritisierte jene, die “auffordern, die Kohle zum Fenster rauszuschmeissen”.

Menger: “teilweise mehr wie schlecht”

In dieser rhetorischen Provokation ging der Hinweis des Bürgermeisters, dass die Gewerbesteuererwartung für 2019 nur noch bei 26,5 Millionen Euro liegt, unter. Das zündete eine Mißverständnis-Diskussion, die von den Diskutanten in aller Deutlichkeit, aber mit weniger persönlichen Angriffen als im vergangenen Jahr schon geschehen, ausgetragen wurde. Auch Erich Menger (SPD), der bei der Kommunalwahl im Mai nicht mehr antritt und sich daher unbelastet von persönlichen Ambitionen zu Wort melden kann, riß sich und andere am Riemen und beließ es bei dem Hinweis, er finde “die Diskussion teilweise mehr wie schlecht”.

Warnung vor hohen Ansätzen

Gewerbesteuereinnahmen seien “immer ein Risiko” und warnte davor, die Ansätze hochzuschrauben. Menger empfand es auch als falsch den Diskussionsschwerpunkt auf die Investitionskredite zu legen und den Verwaltungshaushalt aussen vor zu lassen. Er attestierte dem Parteigenossen Bürgermeister eine “solide Haushaltspolitik” und versprach im Hinblick auf die Etatberatungen “absolute Unterstützung”. Während dieser sachbezogenen Ausführungen Mengers beruhigte sich die Atmosphäre im Ausschuß und ein Ende der Diskussion schien in greifbarer Nähe.

Investitionsstau bei den Gradierwerken

Dann fügte Menger noch einen Hinweis auf den Investitionsstau bei den Gradierwerken an. Und eine Kritik an der Abschaffung des Tourismusbeitrages als Klientelpolitik. In Sekundenbruchteilen war da das Aggressionspotential wieder da. Zwischenrufe. Und kein Ende mehr in Sicht. SPD-Ortsparteichef Günter Meurer sprach direkt nach Menger und war erkennbar bemüht, Druck aus dem Kessel zu lassen. “Ich weiß nicht, wieso jetzt schon so eine Stimmung da ist” fragte er in die Runde und ergänzte in Bezug auf die Verschiebung der Etatberatungen “wer daran Schuld ist bekommen wir doch sowieso nicht mehr raus”. Schuldfragen mochten Jürgen Locher (Linke) und die beiden Grünen Heike Fessner und Hermann Bläsius nicht mehr diskutieren. Und gingen.

Kleudgen stellte richtig

Wolfgang Kleudgen (FWG) sah sich durch seine Vorredner von der SPD dazu veranlaßt einige Punkte richtig zu stellen. Er erinnerte daran, dass Werner Klopfer (CDU) die Konsolidierungsbemühungen des Bürgermeisters nicht in Frage gestellt habe. Kleudgen unterstützte die Bitte Klopfers, dass die Verwaltung die Jahresabschlußzahlen für 2018 nicht erst am ersten Tag der Etatberatungen, sondern “rechtzeitig vorher” den Gremien zur Verfügung stellt.

“GuT zum Teil überfordert”

Zustimmung über Fraktionsgrenzen hinweg erntete Kleudgen mit seinem Hinweis darauf, dass die späten Etatberatungen zu einer im Vergleich zu den Vorjahren erheblich verzögerten Genehmigung durch die ADD führen werden. Folge: “Es besteht die Gefahr, dass die im Haushalt für 2019 vorgesehenen Projekte nicht oder nur teilweise umgesetzt werden können”. Und dann redete Wolfgang Kleudgen Klartext zum Tourismusbeitrag. “Die GuT war zum Teil überfordert”. Und statt des Beitrages müßten andere Wege gegangen werden.

Rüddels Schlußwort

Da wäre die Diskussion fast noch einmal aufgeflammt. Aber das eingangs zitierte Schlußwort Rüddels und die Aussicht auf ein paar Liveminuten des Handballspiels Deutschland gegen Russland ermöglichten Bürgermeister Heinrich den Schluß der Sitzung.