“Ich stelle alles zur Diskussion”

Eines kann man Bürgermeister Wolfgang Heinrich nicht vorwerfen: das Vermeiden von für Ratsmitglieder und Öffentlichkeit gleichermassen bedeutenden wie unangenehmen Themen. Der Kämmerer ist seit Jahren der einzige Verantwortungsträger, der immer wieder in Erinnerung ruft, dass keiner in Stadtverwaltung und Rat über eine Platinkarte mit unbegrenzter Deckung verfügt. Wenn Heinrich in der Finanzausschusssitzung am 16.10.18 zum X-ten mal eine Auflistung der “Freiwilligen Leistungen” vorlegt, verstummen alle, die an anderen Tagen wortreich mehr Geld für dies oder jenes fordern, um Verbesserungen zu bewirken – oder um Wahlvolk für sich zu gewinnen.

Die Enttäuschung des Bürgermeisters über die mangelnde Bereitschaft in den Gremien auch mal “Nein” zu sagen, wenn das WählerInnen verärgern könnte, ist ihm in solchen Momenten deutlich anzusehen. Heinrich wird dann fast schon provozierend deutlich: “Ich brauche das nicht, ich brauche einen ausgeglichenen Haushalt” rief er in die Runde. Betretenes Schweigen. Heinrichs Liste endet mit 6,68 Millionen Euro. Dieses Geld gibt die Stadt aus, ohne dazu durch Gesetze gezwungen zu sein: Schlossparkmusem, Jugendzentrum, Römerhalle, PuK, Stadtbiblithek und vieles Schöne mehr kostet eben Euronen. All das ist nicht für ein “vergelts Gott” zu haben. Diese einfache Wahrheit wird von den Verantwortlichen allzugern verdrängt. Der Kämmerer, der sich durch Kommunalgesetze und gesunden Menschenverstand verpflichtet sieht, nicht mehr auszugeben, als eingenommen wird, erklärt keinen Punkt auf der Liste zum Tabu: “ich stelle alles zur Diskussion”.

Die Auflistung ist unter

http://www.bad-kreuznach.de/sv_bad_kreuznach/Politik%20und%20Verwaltung/Politik%20(Stadtrat%20und%20Gremien)/Sitzungen%20der%20Aussch%C3%BCsse/Finanzausschuss/Beschlussvorlagen%20Top%204%20bis%20Top%2015%20Finanzausschuss%2016.10.2018.pdf

nachzulesen (ganz unten: TOP 15.1, Anlage, Querformat). Auch wenn die Tabelle wegen ihrer Komplexität auf den ersten Blick abschreckt (keine Angst, sie tut nichts – die will nur gelesen werden^^), ist sie nach Überwindung erster Berührungsängste leicht zu verstehen: Unter “Produkt bzw Leistung” wird die Ausgabenposition benannt. Rechts daneben dann der “Gesamtaufwand”, also was diese Leistung alles in allem kostet. Dann folgt die entscheidende Zahl: der “Zuschussbedarf”. Danach folgt unter der Bezeichnung “gebunden” die Teilsumme des Gesamtaufwandes (nicht des Zuschussbedarfes), die jeweils durch freiwillig geschlossene Verträge aus der Stadtkasse bezahlt wird. Diese Verträge könnte der Stadtrat theoretisch kündigen oder nach deren Auslaufen nicht verlängern. Dann würde die entsprechende Leistung nicht mehr oder nur noch eingeschränkt erbracht. Die folgende Spalte heisst dann “ungebunden” was meint, dass diese Beträge theoretisch sofort gestrichen werden könnten.

Aber das hätte natürlich Konsequenzen. Welche, das wird dann teilweise in der letzten Spalte “Erläuterungen” erklärt. Diese Texte stammen von den jeweils zuständigen Fachämtern der Stadtverwaltung. Fazit: von 6,68 Millionen Euro “freiwilliger Leistungen” könnten 1,78 Millionen Euro sofort und 4,9 Millionen Euro nach Kündigung oder Auslaufen von Verträgen eingespart werden. Die Stadt wäre dann allerdings eine andere. Denn wenn keine Spender gefunden werden, die die Defizite bei PuK, Stadtbibliothek usw übernehmen, müssten all diese Einrichtungen schliessen. Auf der anderen Seite werden immer mehr Angebote und Leistungen geschaffen (zB Haus der Stadtgeschichte), für die eigentlich kein Geld da ist. Die Lösung kann nur darin liegen Angebote bescheidener zu organisieren, zB Öffnungs- oder Nutzungszeiten einzuschränken.

“Können Sie alles haben”

Solche Vorschläge vermisst Bürgermeister Heinrich aus den Fraktionen. Statt dessen sind es einzelne Dienststellen, die sich Gedanken machen. Dr. Heinrich Rüddel (SPD) lobte das Sozialamt für seine Bemühungen. Dieses hätte Ansätze von sich aus gesenkt, wenn sich in den Vorjahren gezeigt habe, dass diese nicht ausgeschöpft würden: “Danke, gut gemacht”. Schüchterne Fragen aus dem Ausschuss, wie diesjährig mit der Liste umgegangen werden solle, beantwortete Wolfgang Heinrich klar und unmissverständlich: “Ich lege Ihnen das vor. Sie entscheiden, was brauchen wir und was brauchen wir nicht”. Auf Nachfrage, wie man an die dafür nötigen Detailinformationen kommen könne, zeigte sich der Bürgermeister, der im Finanzausschuss auch schon mal die interne Korrespondenz innerhalb der Verwaltung offenlegt, um zu zeigen, wo gebremst wird, gewohnt transparent: “können Sie alles haben”.