Kleine Brötchen

Damit hatte Antonio Valentino nicht gerechnet. Weniger als 10.000 Euro gibt die Stadtverwaltung für die “Verköstigung der Ratsmitglieder anlässlich von Rats- und Ausschusssitzungen” aus. Jährlich. “Das ist auf keinen Fall übertrieben, eher sparsam, kleine Brötchen”, stellt der Gastronom anerkennend fest. Diesen intimen Einblick in die kulinarische Versorgungslage der Kommunalpolitik verdankt Valentino nicht etwa einer Indiskretion.

“interessant ist es schon”

Sondern der vom Landtag vor rund zwei Jahren beschlossenen Änderung der Gemeindeordnung. Seit dem müssen auch die Ausschüsse öffentlich tagen. So kann auf der Stadtseite bad-kreuznach.de tagtäglich nachgelesen werden, was in den Gremien beraten und beschlossen wird oder wurde. “Es kostet zwar Zeit und man muss sich erst mal zurechtfinden, aber interessant ist es schon”, räumt der Inhaber vom Ponte Vecchio ein. Am 15. Oktober 2018 stehen im Hauptausschuss als erster Beratungspunkt die “Haushaltsvorschläge des Hauptamtes für 2019” an.

1.500 Euro für Streit

Jede Einwohnerin kann dort erfahren, was den Steuerzahler die Dienstfahrzeuge des Stadtvorstandes kosten, wie hoch die Post- und Fernmeldegebühren sind, was von der Verwaltung für Bürobedarf, Bücher und Zeitschriften ausgegeben wird – und vieles mehr. Auch die Kosten der Ratsmitglieder für “kommunalrechtliche Streitigkeiten” sind penibel erfasst. Geplant sind 1.500 Euro. “Das sieht nach wenig Streit aus”, feixt Valentino. Der wird, so ergibt sich aus der Einladung, wohl kostengünstig nichtöffentlich ausgetragen. Denn die öffentliche Hauptausschusssitzung beginnt am kommenden Montag 30 Minuten später als sonst, erst um 18 Uhr.

1,5 Stunden fürs Vorgespräch

Der Grund ist im Fettdruck über der Tagesordnung nachzulesen: “Die Fraktionsvorsitzenden treffen sich bereits um 16.30 Uhr zu einem Vorgespräch!” (das Ausrufezeichen ist Bestandteil des zitierten Originaltextes). Derartige Gesprächsrunden sind, auch wenn es sie im Kommunalrecht und damit offiziell gar nicht gibt, geschäftsüblich. Offene Feindseligkeiten zwischen den Parteien und ihren Verantwortlichen, wie kürzlich im Finanzausschuss, sollen durch dieser Art Gesprächstherapie geräuscharm vorab vermieden werden. In der Sitzung am 20.9. waren zunächst CDU-Fraktionschef Werner Klopfer und Bürgermeister Heinrich zusammengerasselt (diese Seite berichtete am 21.9.18 unter der Überschrift: “Genöle, Beleidigungen und Sanierungsstau beim BME-Abwasser”).

Vor nichts Angst

Weil im Finanzausschuss der Kämmerer der Chef im Ring ist, das Wort erteilt und das Hausrecht ausübt, konnte der Christdemokrat, der gewohnt ist Entscheidung zu treffen, statt sich unterzuordnen, erkennar nicht emotionsentsprechend reagieren. So ließ er Restbestände der Heinrich-bewirkten Aggression verbal an SPD-Stadtrat Günter Meurer aus. Der Kölsche Jung stellte an Klopfer gerichtet soverän fest: “Ich habe genau gehört, was Sie gesagt haben”, um dann vieldeutig mit entspanntem Gesichtsausdruck fortzufahren: “Sie haben ja vor gar nichts Angst”. Derartige Reibereien erhöhen zwar den Unterhaltungswert für die ZuhörerInnen, sind aber – das erkennen alle Beteiligten an – der Aussprache über Sachfragen nicht unbedingt dienlich.

Streit um Gremien

Themen für die informelle Gesprächsrunde am Montag gibt es zuhauf. So wurde in der Stadtratssitzung am 27.9.18 deutlich, dass die erst vier Wochen zuvor am 30.8.18 per Blockwahl erfolgte Neubesetzung der Ausschüsse (Fachbegriff: gemeinsamer Wahlvorschlag) die rechtlich erforderliche einmütige Basis verloren hat. In der CDU rumort es noch immer, weil die FWG auf einem ihr zustehenden Platz im Finanzausschuss sitzt. Und die FWG kann sich darauf berufen von Jürgen Locher bei der Besetzung der Aufsichtsräte “gelinkt” worden zu sein: der sagte im August zu, im Gegenzug für den Verbleib im Planungs-, Haupt- und Finanzausschuss die beiden Linken-Plätze in den Aufsichtsräten an die FWG abzutreten, tat das aber nicht.

Abrücken reicht nicht

Juristisch weitaus bedeutsamer ist, dass in den Stadtratssitzungen im August und September 2018 in mindestens drei Fällen konkret die Vorschriften des § 22 Gemeindeordnung (GemO) verletzt wurden. Danach dürfen Stadtratsmitglieder, die im rechtlichen Sinne befangen sind oder aufgrund der Umstände sein können, an Beratung und Beschlussfassung nicht mitwirken und müssen das Ratsrund verlassen (einfaches Abrücken, wie es Oberbürgermeisterin Dr. Kaster-Meurer mehrfach vorschlug, reicht ausdrücklich nicht). Bei normalen Abstimmungen führen derartige Verstösse nur drei Monate rückwirkend zu Anfechtbarkeit der jeweiligen Beschlüsse. Wenn es aber um Satzungen geht, dazu zählen auch Bebauungspläne und Haushaltsfragen, dann kann noch bis zu 12 Monate nach der fehlerhaften Abstimmung gerügt werden.

Streit im Stadtvorstand

Dieser Seite liegt eine Aufstellung vor in der für die Stadtratssitzungen seit dem Oktober 2017 mindestens drei Satzungsbeschlüsse wegen Verstössen gegen § 22 GemO kontaminiert sind. Natürlich könnte auch das schon im Nachtrag für 2018 ausgewiesene Millionen-Loch in den Haushalten für 2019, 2020 und 2021 Thema sein, die Streitereien im Stadtvorstand und die Zukunft der Akteure dort oder die Kostensteigerung bei der Sanierung des Casinogebäudes von 2,5 Millionen Euro (2017) über 5,9 Millionen (April 2018) auf nunmehr 6,5 Millionen Euro plus x. Und. Und. Und.