Dr. Dazert hat Wort gehalten. Zwar trägt sein vom Oberverwaltungsgericht (OVG) zum Freitag vergangener Woche angeforderter Schriftsatz (keine Ausschlussfrist) den Eingangstempel des Gerichtes vom Montag den 17.9.18. Aber er wurde immerhin am 14.9.18 verfasst. Nach Rücksprache mit der Mandantschaft. Ganz ausdrücklich und wörtlich schliesst sich der Fachanwalt für Verwaltungsrecht den Ausführungen des städtischen Rechtsamtes vom 8.3.18 an: “diese Ausführungen sind vollumfänglich zutreffend und daher nachfolgend allenfalls noch zu vertiefen”. Interessant.
Denn das Rechtsamt hatte am 8.3.18 eine Auflistung vorgelegt, in der 4% von 23.000.000 Euro mit 753.000 Euro ausgewiesen sind (und nicht wie korrekt gerechnet mit 910.000 Euro). Gelten also für Juristen andere mathematische Regeln als für Gastronome? Wohl kaum. Statt den Fehler zuzugeben und zu korrigieren legte Dr. Dazert dem OVG eine ganz neue Liste “Aufwand und Ertrag touristischer Leistungen der Stadt Bad Kreuznach 2014-2018” vor. In der fehlt der Rechenfehler bei der Gewerbesteuer. Denn anteilige Gewerbesteuereinnahmen tauchen in der neuen Liste gar nicht mehr auf! Aber nicht nur die sind gestrichen. Auch Anteile aus der Zweitwohnungssteuer, der Einkommen- und Umsatzsteuer und den Schlüsselzuweisungen wurden einfach weggelassen. Zusammen 2.050.000 Euro Erträge sind laut Aufstellung für 2016 (alt) einfach entfallen.
Stadt streicht Erlöse
Langsam zum Mitschreiben noch einmal. Fakt 1: am 15.12.16, dem Tag der Beschlussfassung über die Tourismusbeitragssatzung für 2017, lag den Mitgliedern des Rates der Stadt keine Kalkulation vor. Nicht mal annähernd etwas, das wie eine ordnungsgemässe Kalkulation eingeschätzt werden kann. Fakt 2: auf Anforderung des OVG schickte die Stadt durch ihr Rechtsamt mit Schreiben vom 8.3.18 eine “tabellarische Übersicht” nach Koblenz die belegen soll, dass die beitragsrelevanten Ausgaben höher sind als die Einnahmen (das ist jenes Papier, in dem die Stadt die Prozentrechnung ganz anders durchführt, als die einschlägigen Rechenregeln es vorschreiben). In dieser Übersicht werden rund 2 Millionen Euro Steuereinnahmen als “Ertrag” ausgewiesen. Fakt 3: im aktuellen Dokument, das dem OVG von Dr. Dazert vorgelegt wurde, sind Steuereinnahmen auf der Ertragsseite nicht mehr enthalten. Und allein dadurch vergrössert sich das von der Stadt behauptete Defizit um Millionenbeträge jährlich.
“Taschenspielertricks”
Antonio Valentino ist angesichts dieser Vorgehensweise sehr verärgert: “den Mumm ihre Fehler einzugestehen, haben sie bei GuT und Stadt nicht und versuchen es mit Taschenspielertricks”, meint der Inhaber vom “Ponte Vecchio”. Sein Fazit nach 6 Seiten Schriftsatz und 23 Blatt Anlagen: “die schrecken vor nichts zurück”. Ihn ärgert, dass heute im September 2018, drei Jahre nach Einführung der Abgabe, ganz andere Zahlen genannt werden, als zu Beginn. Am 16. April 2016 hatte GuT-Geschäftsführer Dr. Michael Vesper unter Bezugnahme auf eine Studie festgestellt, dass die Stadt “aus allgemeinen Deckungsmitteln jedes Jahr 2,6 Millionen Euro drauflegt”*.
Aus 1,55 wurden 4 bzw 6 Millionen
Diese Zahl hat Dr. Vesper noch im Frühjahr 2018 Beitragsschuldnern auf Anfrage auch schriftlich mitgeteilt, obwohl die Stadt am 8.3.18 dem OVG ein Defizit von nur 1,7 Millionen meldete (und wegen des Rechenfehlers dabei sogar noch 160.000 Euro zu hoch lag, der Wert bei korrekter Prozentrechung sogar nur 1,55 Millionen Euro betragen hätte). Auf Basis der selben Studie behauptet die Stadt nunmehr im September 2018 für 2016 ein Defizit von 3,7 Millionen Euro (4 Millionen minus 261.000 Euro Beitragseinnahme) und für 2017 ein Defizit von 6,1 Millionen Euro (6,48 Millionen minus 350.000 Euro Beitragseinnahme) und für 2018 von 6,4 Millionen Euro (6,7 Millionen minus 300.000 Euro Beitragseinnahme). Das von der Stadt behauptete Minus hat sich also zwischen März und September 2018 um einen Millionenbetrag etwa vervierfacht. “Das lasse ich denen nicht durchgehen. Erst jahrelang so reden und jetzt etwas ganz anders schreiben, das geht gar nicht”, kündigt Valentino an.
Reiber entspannt
Ganz entspannt hat dessen Steuerberater Martin Reiber den Vortrag der Gegenseite zur Kenntnis genommen. Er freut sich auf die mündliche Verhandlung beim OVG am den 30. Oktober. “Dort zählen nur Fakten und keine potemkinschen Dörfer”. Die Stadt habe mit den Schriftsätzen vom 8.3.18 und 14.9.18 zwei sich widersprechende Positionen gleichzeitig eingenommen. “Die werden sich entscheiden müssen, das lässt ihnen das Gericht so nicht durchgehen” ist sich Reiber sicher.
* Zitat aus dem Öffentlichen Anzieger vom Samstag 16. April 2016 unter der Überschrift “Touristische Attraktivität der Stadt kostet viel Geld”