Kaster-Meurers Rabulistik

Vielleicht sollte die Oberbürgermeisterin einfach mal die Bibel lesen: “Eure Rede aber sei: Ja, ja, nein, nein. Was drüber ist, das ist von Übel.” Das ist der Rat in Matthäus 5, 37. Den beherzigt die Verwaltungschefin nicht. Unter dem Motto “allen Wohl und keinem Weh” neigt sie zur sprachlichen Verkleisterung auch gegensätzlicher Positionen. Und regelmässig stellt sie in ihren Ausführungen Zusammenhänge her, die für sie sicher schlüssig scheinen, für einen Teil ihrer Zuhörerinnen aber nicht. So redete sie beim Jahrmarktsfrühschoppen bei über 30 Grad im Festzelt über den Mantelsonntag.

Was sei da sagte wurde, weil sie ja das Thema ohne Not von sich aus ansprach und ausschliesslich positiv den Mantelsonntag beschrieb, von Presse und Gewerkschaftlern als befürwortende Stellungnahme der Stadtverwaltung verstanden. Immerhin sprach die Oberbürgermeisterin. Nach eigenen Angaben sagte sie u.a.: “Und wir sind sehr, sehr froh, dass wir Pro City an unserer Seite haben, die auch in diesem Jahr vorhaben, den Mantelsonntag als Herbstfest zu veranstalten.” Man muss schon “sehr, sehr” spitzfindig sein, um dieses Lob als neutrale Aussage bewerten zu können. Und zur Neutralität ist in dieser Frage die Stadtverwaltung als Genehmigungsbehörde zwingend verpflichtet. Mindestens ist es eine motivierende Stellungnahme für den Mantelsonntag. Und das zu einem Zeitpunkt (20.8.18), an dem eine Entscheidung über den entsprechenden Antrag der Einzelhändler noch gar nicht getroffen werden durfte, weil die Frist für Stellungnahmen erst am 24.8.18 ablief.

Gewerkschaftskritik

Absehbar, dass dieses Verhalten der Oberbürgermeisterin Kritik der Gewerkschaften hervorrief. Denn der Mantelsonntag ist nicht unumstritten. Da sind auf der einen Seite die Einzelhändler und viele tausend Menschen in und um Bad Kreuznach. Die stimmen Jahr für Jahr mit dem Auto ab. Denn damit kommen sie am letzten Sonntag im Oktober gern in die Innenstadt, um zunächst im Stau zu stehen und später dann zu plaudern, zu flanieren und zu schoppen. Selbst schlechtes Herbstwetter schreckt die Mehrzahl nicht ab. Die Kehrseite der Medallie ist: damit eingekauft, gegessen und geschaut werden kann, müssen sonntags Werktätige arbeiten. Und an den Vortagen sind oft Überstunden fällig. Die Interessen der Menschen, die das leisten müssen, vertreten die Gewerkschaften. Und die haben seit dem vergangenen Jahr einen mächtigen Verbündeten: das Bundesverwaltungsgericht. Das hat Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt.

“Rede aufgezeichnet”

Der örtliche DGB ist daher sauer, dass die Oberbürgermeisterin den Eindruck erweckte, die Entscheidung “Pro Mantelsonntag” sei bereits gefallen. Und diese Verärgerung brachten die Gewerkschaftler in einer Presseerklärung zum Ausdruck. Dagegen wehrte sich am 29.8.18 Dr. Heike Kaster-Meurer mit einer öffentlichen Erklärung. Und die liefert, ganz abgesehen von den sprachlichen Feinheiten und Nebelkerzen, wieder Anlass für Spekulationen. Schon daher, weil die Oberbürgermeisterin erneut etwas in den Raum stellt, ohne es näher zu erklären. Sie schreibt wörtlich: “Ich bin froh, dass auch diese Rede aufgezeichnet wurde.” Diese Seite hat heute mit einem Teilnehmer des Frühschoppens gesprochen. Der wusste von einer Aufzeichnung nichts. In einem Punkt ist er sich sicher: Dr. Kaster-Meurer stellte am Beginn ihrer Ausführungen nicht klar, dass ein Tonband mitläuft und für spätere Auswertung zur Verfügung steht. Unklar ist auch, auf welcher Rechtsgrundlage dies erfolgen könnte / konnte. Und so hat es die Oberbürgermeisterin erneut geschafft, mit ihrer Form der Klarstellung die Verwirrung grösser zu machen. Hier der Text der Presseerklärung der Stadtverwaltung im Wortlaut (wie der vorstehende Screenshot beweist ist der Tippfehler in ihrem Doktortitel im Original so enthalten):

“OB stellt klar: Noch keine Entscheidung zu verkaufsoffenem Sonntag”

Keineswegs ist eine Entscheidung über den verkaufsoffenen Sonntag am letzten Oktoberwochenende gefallen. Eine Äußerung der Oberbürgermeisterin bei ihrem Grußwort beim kommunalen Jahrmarkts-Frühschoppen im Nahweinzelt, war fälschlicherweise so interpretiert worden. „Ich bin es leid, dass mir ständig was in den Mund gelegt wird, was ich so nicht gesagt habe. Ich bin froh, dass auch diese Rede aufgezeichnet wurde.“

Richtig ist folgendes: „Eine attraktive Innenstadt braucht Feste. Das können wir nicht immer allein machen. Und wir sind sehr, sehr froh, dass wir Pro City an unserer Seite haben, die auch in diesem Jahr vorhaben, den Mantelsonntag als Herbstfest zu veranstalten. Und wir sind frohen Mutes, dass es auch mit vielen, vielen Akteuren und Vereinen in der Stadt tatsächlich durchgehen wird. Weil, wir haben ja auch die Allianz für den verkaufsoffenen Sonntag, aber der traditionelle Mantelsonntag sollte ja doch im Veranstaltungskalender der Stadt Bad Kreuznach ein fester Punkt sein“, stellt Dtr. Heike Kaster-Meurer ihren Wortbeitrag klar.”

Definition Rabulistik:

Rabulistik (von lateinisch rabere „toben“ bzw. rabula „marktschreierischer Advokat“) ist ein abwertender Begriff in der Bildungssprache für rhetorische „Spitzfindigkeiten“ oder „Wortklauberei“. Als Rabulist wird laut Duden jemand bezeichnet, der in „spitzfindiger, kleinlicher, rechthaberischer Weise argumentiert und dabei oft den wahren Sachverhalt verdreht“.

Die Rabulistik dient dazu, in einer Diskussion unabhängig von der Richtigkeit der eigenen Position recht zu behalten. Erreicht wird dies durch Sophismen, verdeckte Fehlschlüsse und andere rhetorische Tricks wie das Einbringen diskussionsferner Aspekte, semantische Verschiebungen etc. Die Grenzen zur Täuschung, Irreführung und Lüge sind dabei fließend. Die Rabulistik kann als missbräuchliches Teilgebiet der Eristik oder der Rhetorik betrachtet werden.

Dabei werden rhetorische und argumentative Techniken angewendet, um recht zu bekommen – unabhängig von oder sogar entgegen der Sachlage, z. B. mittels „Wortverdreherei“ und „Haarspalterei“, oder durch das Anhäufen immer neuer Argumente. Als Vorbild galten die antiken Sophisten, die gewerbsmäßig Streitgespräche unabhängig von ihren persönlichen Überzeugungen austrugen und dabei angeblich mehr Wert auf argumentativen Erfolg als auf Konsistenz oder Wahrheit legten. So warf Wilhelm Windelband in seinem Lehrbuch der Geschichte der Philosophie 1912 den späteren Sophisten vor, dass sie mit ihrer „selbstgefälligen Rabulistik ihres Advokatentums“ zu „Sprechern aller der zügellosen Tendenzen“ gerieten und damit „die Ordnung des öffentlichen Lebens untergruben“.

Auch in der älteren Literatur der Rechtswissenschaft ist Rabulistik für Spitzfindigkeiten oder eine abwegige oder dem Buchstaben, aber nicht dem Geist des Gesetzes folgende Argumentation gebräuchlich. So wurde 1856 im Herders Conversations-Lexikon ein „Rechtsverdreher, ränkesüchtiger Advocat“ als Rabulist definiert, und von Johann Christoph Adelung 1798 als:

„[…] ein geschwätziger und dabey ränkvoller Sachwalter, welcher den Sinn des Gesetzes nach seinem Vortheile zu drehen weiß; ein Zungendrescher. Daher die Rabulisterey, ränkvolle Geschwätzigkeit. Es ist aus dem mittlern Lat. rabulare, viel leeres Geschrey vor Gericht machen, welches wieder von dem Lat. Rabula, ein Zungendrescher, Rabulist, abstammet. […]“ – J. C. Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart 1798

Zitiert ohne Randziffern aus: wikipedia.org/wiki/Rabulistik