Vom Stein und dem Fährmann   

In früheren Zeiten war der “Grenz-Tisch” DIE Attraktion am Rheingrafenstein. Auf der Südseite die bayrische Pfalz. Auf der Nordseite die preussische Rheinprovinz. Und wer unverzollt ein Bier von der einen auf die andere schob – wohl gemerkt des Tisches – machte sich strafbar. Auch heute geht es noch rüber und nüber. Aber jetzt befindet sich der Höhepunkt unten an der Nahe. Er ist eine der wenigen rein handgezogen Fähren in Deutschland. Ein Alleinstellungsmerkmal im Umkreis von hunderten Kilometern.

   Auch wenn die Zeiten, in denen zwei Boote zeitgleich in Betrieb waren, Jahrzehnte zurückliegen. Am Samstagnachmittag den 18.8.18 kamen neben einigen Einheimischen rund drei Dutzend Gäste aus Mainz, Wiesbaden, Stuttgart und Neunkirchen nur aus einem Grund nach Bad Kreuznach: sie wollten mit der Fähre übersetzen. Entweder auf dem Rückweg von der Burgruine. Oder rauf auf den Stein. Einige zum Märchenhain. Fast lautlos zieht Fährmann Hans-Joachim Gellweiler das Boot am Stahlseil durch das Wasser. Allein mit Muskelkraft. Erwachsene zahlen einen Euro für das Vergnügen, Kinder 50 Cent.

Leben könnte der Fährmann von diesen Einnahmen nicht. Aber durch den Eisverkauf und den Verleih der Tretboote kommt genug zusammen, um sich das ungewöhnliche Arbeits-Hobby leisten zu können. Für Hajo Gellweiler ist der Fährbetrieb mehr Berufung als Beruf. Vor mehr als acht Jahren engagierte sich der gelernte Schreiner im Verein “Das Huttental lebt”, baute dort Ausstellungsstücke und hielt den Märchenhain in Schuss. So kam er mit der Fähre in Kontakt. Und irgendwann wurde der dann innig. Heute beantwortet er ganz selbstverständlich wortgewaltig die Fragen seiner Passagiere: “Singen Sie manchmal auch ‘o sole mio’?” Antwort: “Da müsste ich ja die Fährpreise noch mal überdenken …”.

Auch wer mit der Fähre nicht übersetzt ist von ihr angetan. Sie ist ein Hingucker. Während der Betriebszeit (Infos unter hajos-faehre.de, dort “direct”) sitzen und stehen immer wieder Schaulustige am Ufer, um den Weg des Bootes von der einen auf die andere Seite zu verfolgen. Wie die vielen Einträge beweisen löst der kaum drei Minuten dauernde Fährweg über die Nahe in vielen Gäste Emotionen und positive Kommentare aus.

Das Boot ist betagt. Sein Pedant aus früheren Zeiten lag, weil undicht, Jahre im Kurpark auf Kiel. Seit einigen Wochen harrt es im städtischen Bauhof auf die Untersuchung, ob es für kleines Geld zu reparieren ist. Und die Beschaffung einer neuen Fähre wird von der Stadtverwaltung in die Länge gezogen, obwohl die Kuna-Stiftung 30.000 Euro dafür zugesagt hat und daher nur wenig SteuerzahlerInnengeld eingesetzt werden muss.

Doch auch wenn in einiger Zeit endlich eine neue Fähre zur Verfügung steht, droht doch das Ende der Idylle. Unter dem Vorwand “Premium-Wandern” fördern zu wollen und mit dem Argument der ganzjährigen Erreichbarkeit des Huttentals hat der Ortsbeirat BME die Frage aufgeworfen, ob an dieser Stelle eine Brücke über die Nahe gebaut werden könne. Gäste der Fähre, die nach der Überfahrt mit dieser Idee konfrontiert wurden, glaubten zunächst an einen Fastnachtsscherz. Die Vorlage von entsprechenden Presseberichten hatte langanhaltendes Kopfschütteln und strafrechtlich relevante Kommentare zu Folge, die daher hier nicht wiedergegeben werden. Erkennbar ist die Bereitschaft vieler Bürgerinnen und Bürger diesen Brücken-Plänen nötigenfalls mit rechtlichen Mitteln entgegenzutreten.