Die Aussicht von da oben ist umwerfend: die Stadt optisch ganz nah und doch so weit weg, dass selbst der Verkehrslärm nur gedämpft in der Höhe ankommt. Wer von der Kauzenburg auf Bad Kreuznach schaut sieht die Gebäude und Strassen wie ein Miniaturland, obwohl er sich mitten im Stadtgebiet befindet. Zurecht wird die Burg als Aussichtspunkt im Internet positiv bewertet (tripadvisor.de/ShowUserReviews-g198635-d7074630-r497183651-Kauzenburg-Bad_Kreuznach_Rhineland_Palatinate.html).
Und auch der Blick auf die Kauzenburg ist ein Hingucker – wenn man weit genug von ihr entfernt ist. Dann thront das Anfang der siebziger Jahre nach Entwürfen des Architekten und Bildhauers Gottfried Böhm und 1970/71 auf alter Substanz neu errichtete Gebäude würdig über der Stadt im Nahetal.
Befindet man sich aber auf dem Kauzenberg und schaut nicht in die Ferne, fallen Dornen ins Auge, viel Unkraut, Müll und ein Loch: einer der wichtigsten Orte in der Stadt präsentiert sich derzeit – nicht zum ersten Mal – wenig ansehnlich. Während kleine Gemeinden im Landkreis beim Wettbewerb “Unser Dorf hat Zukunft” (früher: unser Dorf soll schöner werden) alles geben und unter Einbeziehung der Eigentümer auch den Zustand einzelner Grundstücke verbessern – all das ehrenamtlich und in der Freizeit – schafft es Bad Kreuznach einfach nicht prominente Objekte tourismusgerecht zu präsentieren.
Unkraut wuchert an den Treppen und Wegen und auf den Freiflächen unterhalb der Burg. Hier wurde seit Monaten nicht mehr gejätet und sauber gemacht.
Zudem wuchern an vielen Stellen Brombeeren über Wege und Treppen rund um die Burg. Spaziergänger müssen sich den Weg selbst freimachen, Kratzer und Dornenpiekser sind da unvermeidlich.
Und auch Abfall liegt überall herum. Sitzgelegenheiten aus Beton sind teils umgeworfen, teils wenig zielführed gruppiert, Holzgeländer Jahre nicht gepflegt: der Verfall ist überall erkennbar und erinnert an Zustände, die Besucher aus den westlichen Bundesländern nach der Wende im sozialistischen Teil Deutschlands auf Staatsbetrieben vorfanden.
Doch damit nicht genug. Seit Monaten klafft in der viele Meter hohen Mauer, die die Terrasse vor dem Rittersaal trägt, ein quadratmetergrosses Loch. Die dort herausgebrochenen Steine liegen nur optisch, nicht aber mechanisch (und schon gar nicht vor Randalierern) gesichert auf dem Weg. Teleskopstützen sollen verhindern, dass weitere nachrutschen. Schon vor acht Jahren brach einige Meter weiter östlich über Nacht ein grosses Loch in der Burgmauer auf. Diese scheint instabil und ein Fall den Statiker.
Angesichts solcher Bilder ist klar, warum die GuT vor Tagen die Delegation aus dem Reich der Mitte nicht auf die Burg brachte: das Unkraut spriesst dort höher, als mancher Chinese lang ist. Aber viele Touristen kommen halt unbegleitet auf den Kauzenberg – und erleben dann nicht nur vom Zustand dort eine Enttäuschung. Während die Mitarbeiter dieser Seite die weitläufige Anlage unter die Lupe nahmen, versuchten mehrere Gäste Cafe und Restaurant aufzusuchen – vergebens. Denn geöffnet ist die Gastronomie montags gar nicht, dienstags und mittwochs nur nach 17.30 Uhr. Lediglich von Donnerstag bis Samstag kann zwischen 12 Uhr und 22 Uhr gegessen bzw zwischen 14 Uhr und 17 Uhr Kaffee getrunken und hausgemachter Kuchen genossen werden. Sonntags ist dann auch im Hochsommer, wenn es noch um 21 Uhr taghell ist, nur von 12 Uhr bis 18 Uhr geöffnet.
Die Stadtspitze möchte Bad Kreuznach touristisch stärker in Richtung Rhein und Rheinhessen ausrichten. Angesichts der Zustände auf dem Kauzenberg darf bezweifelt werden, dass die Nahemetropole den dortigen Ansprüchen genügt. Den nächsten Betriebsausflug der Stadtverwaltung sollten die Oberbürgermeisterin und ihre MitarbeiterInnen mal auf eine Burg am Rhein machen, um zu lernen, wie man so ein Objekt vorteilhaft präsentiert.