Am 5.6.18 im Finanzausschusss in öffentlicher Sitzung lobte Bürgermeister Heinrich die Stadtjuristen noch über den grünen Klee. “Hervorragend” arbeiteten diese. Intern dürfte die Bilanz weitaus weniger positiv ausgefallen sein. Schon allein deshalb, weil im Februar eine Sitzung des Stadtrechtsausschuss trotz rechtzeitigem Warnhinweis wegen der Befangenheit eines Beisitzers platzte. Und dann auch, weil das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss zugunsten Antonio Valentinos der Stadt ins Stammbuch geschrieben hatte, sie sei “auf die umfangreichen Ausführungen” des Gastronomen “nicht eingegangen” und habe die rechtlich geforderte Kalkulation für den Beitrag “nicht vorgelegt”.
Externer Berater
So gesehen überrascht es nicht, dass die Stadt nunmehr einen externen Berater berufen hat, der den Tourismusbeitrag vor der Normenkontrollklage Valentinos retten soll. Das seit Januar 2018 beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz anhängige Verfahren war in den ersten fünf Monaten noch vom immerhin mit drei Juristinnen besetzten Stadtrechtsamt geführt worden. Seit dem 22.6.18 wird Bad Kreuznach nun durch Dr. jur. Andreas Dazert vertreten. Das hat das Rechtsamt dem OVG schriftlich mitgeteilt. Dr. Dazert ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und nach Angaben auf seiner Internetseite u.a. als Lehrbeauftragter für Umweltrecht an der Universität Koblenz-Landau.
Mündlich beim OVG
Eine seiner ersten Aufgaben im neuen Mandat ist es einen Schriftsatz zu beantworten, den Valentinos Steuerberater Martin Reiber am 25. Juni 2018 an das OVG abgeschickt hatte. Es geht um eine vom Gericht für den August 2018 angedachte mündliche Verhandlung. Reiber riet dem OVG diese Verhandlung auf den Oktober 2018 zu verschieben – und sich damit wohlmöglich ganz zu ersparen. Denn der Steuerberater geht wie sein Mandant davon aus, dass der Rat der Stadt Bad Kreuznach in seiner Sitzung am 30.8.18 einen Schlussstrich zieht und die beiden Satzungen für 2016 und 2017 ff ersatzlos streicht.
Reiber-Brief im Wortlaut
Damit wäre dann auch das Normenkontrollverfahren erledigt, weil eine rückwirkend ausser Kraft gesetzte Satzung nicht mehr zu prüfen ist. Das Gericht hat der Stadt Frist zum 9.8.18 für eine Stellungnahme gesetzt. Der Reiber-Brief ans OVG hat folgenden Wortlaut:
“An das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz
EILT! VORLAGE SOFORT!
Normenkontrollantrag Valentino gegen Stadt Bad Kreuznach wegen Tourismusbeitrag 2017 6 C 10041/18.OVG
Da in die Angelegenheit vor Ort Bewegung gekommen ist antworte ich erst heute auf die vom Gericht angefragte Terminierung zur mündlichen Verhandlung. Ich rege an den dafür vorgesehenen Termin für den Oktober 2018 festzusetzen. Zur Begründung darf ich vortragen:
Mit Beschluss vom 25. Mai 2018 hat das Verwaltungsgericht in den Sachen 2 L 44718.VG und 2 L 48/18.VG die Aussetzung der Vollziehung angeordnet. Der Antragsteller beantragt hiermit die Beiziehung dieser Akten, in denen er umfangreich Argumente vorgetragen hat. Zunächst hatte die dortige Antragsgegnerin eine Beschwerde angekündigt.
Beweis: Vorlage der Presseerklärung vom 5.6.18 in Kopie
Tatsächlich wurde aber keine Beschwerde eingelegt, so dass die Beschlüsse zwischenzeitlich rechtskräftig wurden. In den vergangenen Tagen fanden eine Vielzahl von Beratungen und Gesprächen des Antragstellers und meines Sachbearbeiters mit Verantwortlichen statt, in denen sich angedeutet hat, dass die von meinem Mandanten aufgezeigten Defizite der Satzungen für 2016 und 2017 und die Probleme bei der Umsetzung im Veranlagungsverfahren nunmehr wahrgenommen werden.
Für die Sitzung des Rates der Stadt Bad Kreuznach am Donnerstag den 14.6.18 hatte die Fraktion der CDU am 12.6.18 einen Eilantrag gestellt, der auf die Abschaffung des Tourismusbeitrages ab dem 1.1.18 abzielt.
Beweis: Vorlage des Antrages vom 12.6.18 in Kopie
Dieser Antrag fand nicht die erforderliche 2/3 Mehrheit, um auf die Tagesordnung zu kommen und wird daher erst in der Sitzung des Rates der Stadt Bad Kreuznach am 30.8.18 behandelt. Allerdings wurde durch die Abstimmung deutlich, dass eine Mehrheit der Mitglieder des Rates der Stadt den Beitrag mittlerweile kritisch sieht. Der CDU-Antrag hat in diesseitiger Wahrnehmung die selbstgewählte Denk- und Diskussionssperre der Verantwortungsträger aufgebrochen, so dass nunmehr eine Reihe von auch weitergehenden Fragen geklärt werden können. Zum Beispiel jene, ob es Sinn macht, den Beitrag ab dem 1.1.18 abzuschaffen – und das Veranlagungsverfahren für 2016 und 2017 weiter ungerührt durchzuführen, obwohl für 2016 noch rund 1.600 Bescheide und für 2017 noch rund 4.400 Bescheide (über 90 Prozent!) zu erstellen und verschicken sind.
Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bad Kreuznach sind ja einiges gewöhnt. Aber im Herbst und Winter 2018 (oder in 2019) einen Beitrag bezahlen zu müssen (für 2016 und 2017), der seit dem 1.1.18 abgeschafft ist mit der Begründung, nunmehr sei genug Geld in der Stadtkasse, das würde in der Einwohnerschaft zu einer Bewertung kommunalpolitischen Handelns führen, die sich die Parteien wenige Monate vor der Kommunalwahl 2019 nicht antun möchten. Daher ist sich der Antragsteller sicher, dass die Beitragssatzungen am 30.8.18 entweder vollständig rückwirkend aufgehoben werden (und damit auch sein Antrag inhaltlich obsolet wird) oder so weiter gemacht wird wie bisher.
Aus Sicht des Antragstellers ist es angesichts dieser kommunalpolitischen Gemengelage sinnvoll den Klärungsprozess abzuwarten. Ausweislich der schriftlichen Begründung des CDU-Antrages – und der Gesprächsbeiträge – spielt die vorläufige juristische Bewertung des Verwaltungsgerichtes keine Rolle. Die Argumentation ist allein politischer bzw haushaltstechnischer Art. Die einzige Fraktion, die bis heute öffentlich erklärt hat, an dem Beitrag festhalten zu wollen, die SPD, hat am 5.6.18 im Finanzausschuss durch ihren Vorsitzenden erklärt, “juristisch gibt es nichts zu diskutieren und politisch hat sich für uns nichts geändert”.
Daraus muss geschlussfolgert werden, dass eine Erörterung rechtlicher Aspekte vor dem OVG vor dem 30.8.18 keinen oder nur geringen Einfluss auf die örtlichen Entscheidungsträger hätte. Aus Sicht des Unterzeichners liegen die tatsächlichen “Argumente” der Beitragskritiker in den Gremien ohnehin mehr im parteitaktischen Bereich. Die mit dem Normenkontrollantrag angegriffene Beitragssatzung für 2017 ff betrifft rund 4.800 potentiell Beitragspflichtige in einer Stadt mit nur 52.000 EinwohnerInnen. Die im Rat der Stadt vertretenen Kräfte, dies sind gemäss dem Wahlergebnis in 2014 neben der SPD immerhin weitere neun Parteien, Wählergemeinschaften und Gruppen, haben sich in den vergangenen Wochen stärker auf die Reaktionen der Beitragserhebung bei den EinwohnerInnen fokussiert. Die Oberbürgermeisterin der Stadt Bad Kreuznach hat in der Stadtratssitzung am 14.6.18 in einem anderen Zusammenhang erklärt, der Kommunalwahlkampf sei bereits eröffnet. Daher schätzt der Unterzeichner die Chance darauf, dass der Rat der Stadt Bad Kreuznach eine rückwirkende Aufhebung der angegriffenen Satzung beschliessen wird, als sehr hoch ein: viele Mitglieder des Rates der Stadt, die ihren Posten nicht verlieren möchten, sehen darin eine gute Lösung, um ein lästiges Thema zu beerdigen.
Sollte sich der Unterzeichner irren (und am 30.8.18 keine endgültige Aufhebung aller Satzungen beschlossen werden) wird der Antragsteller dem Gericht bis zum 24. September 2018 eingehend beim Gericht seine abschliessende Stellungnahme vorlegen. Die bis dahin zur Verfügung stehende Zeit wird sicherlich auch die Stadt Bad Kreuznach benötigen und nutzen. Denn deren Stellungnahme vom 8. März 2018 ist schon bezogenen auf den Antragsinhalt recht dünn. Zu einer Vielzahl schon im Antrag angesprochener Aspekte ist eine Stellungnahme bislang nicht erfolgt. Und die der Stadt Bad Kreuznach aus den vorstehend zur Beiziehung beantragten Akten bekannten unzähligen neuen Argumente sind noch gar nicht (auch nicht in den beiden Eilverfahren) durch die Stadt kommentiert.
Dazu kommt, dass sich auf Seiten der Stadt wohl ein Wechsel in der Sachbearbeitung ergibt (weil die bisherige juristische Mitarbeiterin nicht mehr zur Verfügung steht) und daher dort der Bedarf für eine Einarbeitung in eine wohl nicht rechtlich aber durch den Umfang der vom Antragsteller dargelegten Argumente komplexe Aufgabenstellung besteht.
Auch ist auf Seiten der Stadt noch sehr viel zu tun. Der Antragsteller hatte gehofft, dass es sich nur um einen Tippfehler handelt und auf eine Korrektur der Stadtverwaltung gewartet. Da diese bis heute nach über einem Vierteljahr nicht vorliegt, weist er darauf hin, dass die dem Gericht von der Stadt Bad Kreuznach vorgelegte Auflistung “Aufwand und Ertrag touristischer Leistungen 2016”, die wohl so etwas wie eine im Nachhinein erstellte Kalkulationsgrundlage sein soll, beträchtliche Fehler und Defizite aufweist. So ist unter “Erträgen” ein 4%iger Anteil an der Gewerbesteuer ausgewiesen, die am 8.3.18 mit 23.000.000 angegeben ist. An dieser Angabe stimmt ausser der Schreibweise der Steuerart nichts. Der Wert von 23.000.000 stammt vom September 2015 (ist also fast 3 Jahre alt) und ist bereits im ENTWURF der städtischen Kämmerei für die Etatberatungen für 2016 im November 2015 enthalten. Da die städtische Kämmerei monatlich die Soll/Ist-Stellungen bei der Gewerbesteuer fortschreibt war am 15.12.16 (Beschluss über die angegriffene Satzung), am 8.3.18 und ist heute der tatsächliche Wert bekannt. Er lag und liegt um einige Millionen Euro höher …
Und wer vor grossen Zahlen keine Angst hat kann im Kopf ausrechnen, dass 4% von 23 Millionen Euro nicht die angegebenen 763.000 Euro ergeben, sondern 920.000 Euro… Natürlich ist auch nicht angegeben, wo sich die Stadt Bad Kreuznach die 4% gegriffen hat. Und auch die Quelle aller anderen Angaben bleibt verborgen. Auch ohne jede Sachkenntnis ist jede Leserin dieser Aufstellung, die über eine gewisse Allgemeinbildung verfügt, in der Lage gravierende Widersprüche und Schwachpunkte zu finden.
Sollte die Stadt Bad Kreuznach an der Erhebung von Fremdenverkehrs- bzw Tourismusbeiträgen festhalten wollen, wird sie dies bestimmt nicht auf der Basis derart inkonsistenter und fehlerhafter Dokumente machen wollen.
Ich bitte daher das Gericht die Stadt Bad Kreuznach unter Fristsetzung längstens zum 14. August 2018 aufzufordern eine umfassende Darstellung ihrer Position unter Berücksichtigung aller Argumente und Hinweise des Antragstellers in seinem Antrag und in den Eilverfahren vorzulegen. Der Antragsteller ist sich sicher, dass eine solche gerichtliche Anordnung hinsichtlich der Beschlussfassung am 30.8.18 sehr hilfreich für die Stadt Bad Kreuznach sein wird, um sich ihre unzureichende inhaltliche Position selbst klar zu machen. Die Verantwortlichen haben dann auf dem Bad Kreuznacher Jahrmarkt 5 Tage lang ausreichend Gelegenheit sich in unterschiedlicher personeller Zusammensetzung auszutauschen und zu einer neuen Bewertung ihres bisherigen Handelns zu kommen – und damit die Zeit des Gerichtes nicht länger in Anspruch zu nehmen. Mit freundlichen Grüssen Martin Reiber Stb“