Steinweg (II): “Eltern für Fehlverhalten belohnt”

Gegen die Einbahnstrasse, über die Gehwege, vor private Grundstücksausfahrten und viel zu schnell: rechtswidrig und rücksichtslos gefährden autofahrende Eltern Anwohner und Kinder vor der Kita, der Hofgarten- und der Reitschule. “Das Problem sind die Eltern” war die einhellige Einschätzung der rund 90 Einwohner, die sich am 7.5.18 in der Matthäuskirchengemeinde zur Aussprache trafen. Mit der Einrichtung der “Park & Kiss”-Parkplätze direkt vor den Schulen habe die Stadtverwaltung das Problem vergrössert und “die Eltern für ihr Fehlverhalten belohnt”, wie eine Anwohnerin unter grossem Applaus feststellte. In deutlichen Worten wurden von unzähligen RednerInnen stärkere Kontrollen durch Ordnungsamt und Polizei gefordert. “Ihr lasst uns im Stich” war noch eine der freundlichen Bewertungen an die Adresse der Ordnungsmacht. “Wer jeden Tag zahlen muss ändert sein Verhalten irgendwann”, darin waren sich viele Teilnehmer der Veranstaltung sicher und forderten folgerichtig: “Knöllchen schreiben!” 

Nach monatelangen massiven Protesten der BewohnerInnen des Stadtviertels zwischen Weinbauschule, Rüdesheimer-, Hoch- und Strombergerstrasse hatte die Stadtverwaltung zu der Versammlung eingeladen. Dort trugen mehrere Dutzend sehr enttäuschte und verärgerte BürgerInnen ihre Erfahrungen vor. Insbesondere die unzähligen verkehrsrechtlichen Anordnungen und neuen Schilder im Viertel waren Stein des Anstosses. So führe die Einbahnregelung im Steinweg zu einem massivem Verkehrsaufkommen in der Kinscherfstrasse, “wo Kinder jetzt nicht mehr spielen können, weil es viel zu gefährlich ist”. Auch die Situation beim Ausfahren von der Kinscherf- und der Kahlenberger auf die Rüdesheimer Strasse wurde als “zeitraubend und lebensgefährlich” bewertet. 

 

“Kinder nun konkret gefährdet!”

Das von den Anwohnern beobachtete Fehlverhalten von autofahrenden Lehrern und Eltern ist der Stadtverwaltung nach Erklärung der Oberbürgermeisterin Dr. Kaster-Meurer bekannt: “wir haben alles versucht, aber wir können es nicht ändern”. Daher habe man sich für das Konzept mit den neuen Verkehrsführungen und – schildern entschieden. “Wir wollten so den Schulweg sicherer machen” verteidigte sich die Verwaltungschefin und musste sich unter lautem Klatschen von einem Anwohner sagen lassen genau das Gegenteil erreicht zu haben: “Durch Ihre Regelungen werden Kinder nun konkret gefährdet!”. Die mehrere zehntausend Euro teuren Massnahmen sind nach der Erfahrung der Anwohner “rausgeschmissenes Geld: an die Schilder und Regelungen halten sich die Eltern nicht. Die Nachteile für die Anwohner sind schlimmer geworden”. Bei konkreten Nachfragen verwies die Oberbürgermeisterin zunächst an eine handvoll Mitarbeiter, die sie zur Unterstützung mitgebracht hatte. Und schliesslich wehrte Dr. Kaster-Meurer, die seit Jahren den für Verkehrsfragen zuständigen Planungsausschuss leitet, weitere negative Anmerkungen mit dem Hinweis ab, “ich bin sowieso nicht vom Fach” und versprach, alle Fragen und Hinweise würden festgehalten, ausgewertet und zu einem späteren Zeitpunkt beantwortet.

Nachdem auch nach eineinhalb Stunden noch immer kritische Wortmeldungen dominierten und die beschwichtigenden Ausführungen der Verwaltungschefin und ihrer Mitarbeiter keine Wirkung zeigten, schwenkte Dr. Kaster-Meuer um und stellte resignierend fest: “Wir haben eine wunderbare Planung gehabt – und in der Praxis Probleme”. Zum Ende der Veranstaltung stellte sie den Anwohnern in Aussicht das Stadtviertel für Autoverkehr von Nichtbewohnern zu schliessen. Im Laufe der Versammlung hatten mehrere BewohnerInnen konkrete Lösungsvorschläge vorgelegt. Dazu zählen die Einrichtung von Kreiseln an den Einmündungen von Kahlenberger und Kirscherfstrasse in die Rüdesheimer Strasse und an der Einmündung des Steinwegs in die Hofgartenstrasse, die Rücknahme der Einbahnregelungen im Steinweg und in der Kahlenberger Strasse, die Einführung einer Einbahnregelung im östlichen Teil der Hofgartenstrasse.

Und als zentrale Veränderung der Wegfall aller Elternparkplätze im Stadtviertel, die von Hermann Holste und anderen Anwohnern mit dem Hinweis auf gute Erfahrungen in anderen Städten als zielführende Sofortmassnahme unter grosser Zustimmung der Anwesenden gefordert wurde. Alle TeilnehmerInnen sprachen sich dafür aus, die Eltern dazu zu zwingen ihre Kinder auf dem Parkplatz Jahnhalle abzusetzen und dann zu Fuss zu den Schulen laufen zu lasen. Für die Kita könne eine entsprechende Regelung mit der Weinbauschule getroffen werden.

 

Markus Schlosser hörte aufmerksam zu

Als Zuhörer hatte sich auch der neue Beigeordnete der Stadt, Markus Schlosser, die Zeit genommen an der Bürgerversammlung teilzunehmen. Er dürfte wertvolle Anregungen für seine Arbeit in der Stadtverwaltung mitgenommen haben. Insbesondere die, dass die in der Verwaltung vorherrschende Vorstellungswelt mit der Lebensrealität der Menschen in Bad Kreuznach all zu oft nicht deckungsgleich ist und der nötige Anpassungsprozess eben nicht über neue Verkehrschilder und Anwohnerbevormundung möglich ist.