Falschparker – Report (94): rücksichtsloser gehts kaum

Die Verkehrsverhältnisse in der Innenstadt zeichen sich seit Jahren durch eine markante Tendenz zum rücksichtslos-egoistischen Verhalten einer kleinen Minderheit von Fahrzugführern aus: Einbahnstrassenleugnungen, rechtswidriges Linksabbiegen (für beides ist die Polizei zuständig), das Zuparken von Behindertenparkplätzen, Feuerwehrzufahrten, Geh- und Radwegen (die Kontrollaufgabe hierfür liegt beim Ordnungsamt der Stadt) sind an der Tagesordnung. Für jene, die dadurch gefährdet werden, macht das Besuche in der Innenstadt unattraktiv.

Warum 30 Meter weiter auf den – zu diesem Zeitpunkt sogar kostenfreien – Parkplatz fahren? Wenn man ohne jede Konsequenz Geh- und Radweg zuparken kann. Aber wehe, die bezahlte Parkzeit wird überschritten. Dann schlägt die Stadtmacht voll zu. Der Zorn in der Bevölkerung wächst.

Auf die entsprechende Kritik mehrerer Einzelhändler in der Stadtratssitzung am vergangenen Donnerstag (29.8.2024) reagierte Ordnungsdezernent Markus Schlosser mit dem Hinweis, mittlerweile lasse er seine Ordnungskräfte bis 22 Uhr im Stadtgebiet kontrollieren. Wo die das in den letzten Tagen gemacht haben, wissen wir nicht. Aber wir wissen, wo sie es nicht getan haben. Nämlich dort, wo seit Jahren Geh- und Radwege rücksichtslos zugeparkt werden. Gestern Abend gegen 20:15 Uhr nach der Sitzung des Planungsausschusses.

Beide Gehwege zugeparkt. Passanten mussten auf die Planiger Strasse ausweichen. Knöllchen gabs natürlich keine. Statt dessen werden Leistungen für die Stadtgemeinschaft wie Grünpflege und Information nicht im von Bürger*Innen gewünschten Umfange erbracht. Weil dafür ja kein Geld da ist.

Auf dem Weg ins Redaktionsbüro kommt unserem Fotografen in der Beinde ein Radfahrer auf dem Gehweg entgegen. Obwohl es dort einen Radweg gibt. Einige Schritte weiter, am Bourger Platz, konnte dann die Ursache ins Bild gesetzt werden: ein Transporter parkte den Radweg zu. Auf dem Weg zum Abendessen etwa 30 Minuten später dann in der Planiger Strasse eine krasse Situation. Dort sind in Höhe des Pocket-Parks und der Einmündung Bleichstrasse nur 20 km/h erlaubt, weshalb unser Fotograf nicht bremsen musste, als Fussgänger auf der Strasse schlenderten.

Unfassbar. Im Kurvenbereich entgegen der Einbahnstrasse geparkt. Am Bourger Platz aber nichts Ungewöhnliches. Der Fahrer dieses Pkw hat sich im Sultan-Imbiss gestärkt. Ein Knöllchen bekam er natürlich nicht. Statt dessen dürfen die rechtstreuen Bürger*Innen im kommenden Jahr noch mehr Grundsteuer zahlen.

Auch die haben das, wie der Radfahrer, nicht aus Jux und Dollerei getan: beide Gehweg waren zugeparkt. Und dann die dritte Erfahrung, die deutlich macht, warum die Ablehnung von Menschen, die behaupten, aus Not zu kommen, sich aber als Täter gerieren, in der Gesellschaft immer grösser wird. Als unser Fotograf die Falschparker ins Bild setzen möchte, will ihn ein Passant daran hindern. Der konnte zwar ausser den Worten SGB und Wohngeld kaum deutsch sprechen, wollte unserem Fotografen aber erklären, dass es nicht erlaubt sei (“persönliche Recht”) Autos auf Gehwegen abzulichten.

Seine gesten- und wortreich vermittelte Begründung: weil einer der Pkw einer ihm nahestehenden Person gehöre (“verstehst Du, Bruder”). Angesichts dieser Tatsachen gibt es immer noch Politiker*Innen, vor allem bei SPD, Grünen und Linken, die nicht verstehen, warum ein wachsender Teil der Bevölkerung, der derartige Erlebnisse zu seiner alltäglichen Lebensrealität zählt, Medien, die derartige Fakten einfach nicht berichten, als “Lügenpresse” denunziert. Fakt ist: unser Fotograf läuft seit sechs Jahren abends oder nachts durch die Innenstadt.

Nicht ein einziges Mal traf er dort einen Berufskollegen bei der Arbeit an. Klar. Wer nicht vor Ort ist und sich die Missstände nicht mit eigenen Augen anschaut, der kann die Menschen, die das Tag für Tag sehen und erleben, nicht verstehen. Wir berichten das. Was sicher ein Grund dafür ist, wieso sich mittlerweile jeden Tag tausende Leser*Innen bei t-s-n.de informieren. Obwohl wir nur einen Teil dessen, was passiert, berichten können. Offensichtlich ist das für viele aber ein relevanter Teil.