OB Letz scheitert erneut: keine zusätzlichen Beigeordneten

Von Claus Jotzo

Länger als zwei Jahre ist Emanuel Letz (FDP) jetzt Bad Kreuznachs Oberbürgermeister. Daher kann man sein Vorgehen in Sachen Änderung der Hauptsatzung nicht mehr als Anfängerfehler bezeichnen. Wie diese Seite bereits am Dienstag dieser Woche berichtete, hatte Letz vorgeschlagen die Satzung in einem relevanten Punkt zu ändern. Aufgrund teurer und schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit hatten die damaligen Stadtratsmitglieder festgeschrieben, dass in Bad Kreuznach lediglich zwei von bis zu fünf gesetzlich möglichen Beigeordnetenposten vergeben werden dürfen. Mit dieser Regelung ist die Stadt neun Jahre lang gut gefahren.

Gegen den Antrag des OB gingen viele Hände hoch.

Weder Emanuel Letz noch seine Vorgängerin haben in all den Jahren je beklagt, dass die drei hauptamtlichen Stadtvorstandsmitglieder unter ihrer Arbeitslast zusammenbrechen oder diese nicht bewältigen können. Trotzdem wollte Letz jetzt die rechtliche Voraussetzungen schaffen, um weitere Beigeordnete (bis zu drei mehr) wählen zu können. Sein schriftlich und in der Stadtratssitzung am gestrigen Donnerstagabend (4.7.2024) mehrfach mündlich sinngemäß wiederholtes, einziges Argument: “es soll hier lediglich die Möglichkeit gegeben werden eine flexible Entscheidungsbefugnis des Stadtrates zu schaffen”.

Kein einziger Hinweis auf zu erbringende Arbeiten oder Vorteile für die Verwaltungsführung. Die Fragen mehrerer Stadtratsmitglieder (etwa Gerhard Merkelbach von der Fairen Liste) zu den Mehrkosten ehrenamtlicher und hauptamtlicher Beigeordneter wurden von Letz nicht beantwortet. Auch den Antrag des AfD-Fraktionsvorsitzenden Jörg Fechner, die Änderung der Hauptsatzung zunächst im noch zu wählenden neuen Hauptausschuss zu beraten, lehnte Letz ab. Die Quittung erhielt der Oberbürgermeister, als es zur Abstimmung über die von ihm vorgeschlagene Änderung kam: nur 9 von 45 Ratsmitgliedern stimmten dafür (u.a. er selbst und seine vier FDP-Parteifreunde).

Acht enthielten sich. 28 votierten mit Nein. Das Ergebnis stellt eine krachende Ohrfeige für den Oberbürgermeister dar. Und zeigt, das Emanuel Letz und seine Berater aus dem Scheitern beim Versuch einen neuen Dezernatsverteilungsplan im Stadtrat im Herbst 2022 durchzusetzen, nichts gelernt haben. Erneut wurde der Parteipolitik Vorrang vor den Sachargumenten gegeben. Auch die Pläne der FDP- und SPD-Parteistrategen, die CDU in eine Koalition mit ihnen zu motivieren, vor allem um den OB von berechtiger Kritik an seiner Verwaltungsführung zu entlasten und den eigenen Einfluss zu erhöhen, sind – zumindest vorläufig – gescheitert.

Offenbar hat sich in der CDU, die bei der Kommunalwahl ihre 12 Sitze halten konnte und damit deutlich stärkste Fraktion ist, zumindest derzeit die Erkenntnis durchgesetzt, dass es für die Stadt und die Einwohner*Innen nicht gut sein kann, wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt. Das Argument der Koalitionsbefürworter, nur eine solche Vereinbarung ermögliche die Lösung lange anstehender Probleme (Ost-West-Trasse, Senkung des Millionendefizits beim Jugendamt, Perspektive für das Bosenheimer Bad usw), ist schon durch die Geschichte der vergangenen 30 Jahre widerlegt. Erinnern wir uns.

Selbst in den drei Jahrzehnten vor 2015, in denen entweder CDU und SPD, SPD und FDP oder CDU, FDP und Grüne zusammen eine stabile Mehrheit hatten, wurden all diese Themen eben nicht entschieden und gelöst. Sondern lediglich vertagt. Und eine ganze Reihe von Entscheidungen der vergangenen Jahre, die im Stadtrat sogar fast einstimmig gefasst wurden (also getragen von der als “lösungskompetent” hochgelobten klaren Mehrheit), stellten sich im Nachhinein als krasse Fehlgriffe oder sogar problemverschärfend heraus. Beispiel Tourismusbeitrag. Dessen Einführung und Erhebung kostete die Stadt mehr Geld, als er eingebracht hat.

Zudem hat sein Scheitern viel kommunalpolitisches Porzellan zerschlagen. Still und leise wurde an seiner Stelle zum 1.1.2024 ein modizifierter, finanziell auskömmlicher Gästebeitrag eingeführt (ermöglicht durch Sacharbeit der Teams von Bürgermeister Thomas Blechschmidt und GuT-Geschäftsführer Dr. Michael Vesper). Ohne jeden öffentlich hörbaren Protest selbst der damit belasteten Hotels und Beherbergungsbetriebe. Allein dieses Beispiel belegt nachhaltig, dass die einfach strukturierte, rein auf Mehrheiten gerichtete Betrachtungsperspektive der Komplexität der real existierenden Aufgaben vor Ort nicht gerecht wird.

Zudem der von einigen Politikstrategen als ineffektiv bezeichnete “offene Stadtrat” genau das Gegenteil von dem ermöglicht, was seine Kritiker behaupten. Ohne Fesseln und Knebel parteipolitisch gefärbter Vereinbarungen können aktuell alle Fraktionen Sachanträge stellen und damit die von ihnen erkannten Probleme einer Lösung näher bringen. Warum plappern etwa die Befürworter einer Ost-West-Entlastungstrasse nur darüber, haben aber etwa bei den Etatberatungen der letzten fünf Jahre keinen einzigen Antrag für die Realisierung gestellt? Warum dauern allein die Planungen für den Neubau der seit vielen Jahren dringend benötigten sechsten Grundschule nunmehr über fünf Jahre?

Wieso ist der Stadtratsbeschluss vom 29.11.2018 zur Abgabe des Jugendamtes in seinem inhaltlichen Kern, nämlich einer deutlichen Senkung des alljährlichen Millionendefizites durch die (bundes- und landesgesetzlich definierte) wirtschaftliche Jugendhilfe, noch immer nicht umgesetzt – nach fast sechs Jahren? All diese Themen haben eines gemeinsam: Verwaltungsteile, die die Vorlage von Lösungsvorschlägen verweigern. Eine Mehrzahl von Stadtratsmitgliedern, die an den Themen nicht hart dranbleiben. Natürlich fehlt es auch an einer Öffentlichkeit, die sich engagiert. Eines ist jedenfalls nicht die Ursache der real existierenden Probleme: eine fehlende Koalitionsmehrheit im Stadtrat.