Erster Beschluss des neuen Stadtrates: zusätzliche Posten schaffen

Von Claus Jotzo

Die Menschen in der Stadt haben unzählige Probleme. Die Verwaltung beklagt Personalengpässe und Arbeitsüberlastung. Im diesjährigen Stadthaushalt klafft eine Millionen-Lücke bei der Gewerbesteuer. Über dem Etat fürs kommende Jahr hängt – neben anderen – das Damokles-Schwert in Form siebenstelliger Einnahmeverluste bei der in den Vorjahren zwei Mal erhöhten Grundsteuer. Und doch beschäftigt sich die erste Beschlussvorlage, die Oberbürgermeister Emanuel Letz dem sich am 4. Juli konstituierenden neugewählten Stadtrat vorgelegt hat, nicht mit Problemlösungen. Sondern mit der Möglichkeit zusätzliche Posten zu schaffen.

Das ist seit dem 1. Juli 2024 die Sitzverteilung im Stadtrat. Die AfD erzielte einen Gewinn von zwei Sitzen. Freie Wähler, FDP und Faire Liste gewannen je einen Sitz dazu, die CDU konnte trotz Stimmverlusten ihre 12 Sitze halten, die Grünen verloren drei, die SPD zwei Sitze, die Linke einen. PBK, BüFEP und FWG haben wie schon vorher je einen Sitz. Neu als 12te kommunalpolitische Kraft mit einem Sitz im Stadtrat: das BfKH.

Nicht irgendwo. Sondern im Stadtvorstand. Als vor rund 10 Jahren die Finanzlage der Stadt ähnlich prekär war wie heute, wurde in der Hauptsatzung der Stadt als eine der Einsparmaßnahmen bestimmt, dass neben dem Oberbürgermeister nur noch zwei hauptamtliche Beigeordnete gewählt werden dürfen. Mit der Verantwortung für wesentlich weniger Einwohner*Innen leisteten sich die Kommunalpolitiker*Innen in der Vergangeheit auch schon mal vier hauptamtliche Kräfte. Und auch sogenante ehrenamtliche Beigeordnete. Das hatte weniger den Grund der effektiven Verwaltungsarbeit. Sondern diente parteipolitischen Zwecken.

Denn es erleichterte die Bildung von Koalitionen ungemein, wenn jeder der beteiligten Fraktionen mindestens ein Stadtvorstandsposten zugestanden werden konnte. Damit war nach 2015 Schluss. Also sowohl mit den Zusatz-Posten. Als auch mit den Koalitionen. Zwischen 2019 und 2024 wurde dann wegen des erneuten Scheiterns verbindlicher Mehrheitsbildungen ganz demokratisch ein “offener Stadtrat” proklamiert. Also der Verzicht bestimmter Fraktionen auf gemeinsames Stimmverhalten bei Personal- und Sachentscheidungen. Geschadet hat das der Stadtpolitik nicht. Eher im Gegenteil.

Eine Reihe von Fehlern (Bebauung in der Hüffelsheimer Strasse am Kauzenberg und des THW-Geländes auf dem Kuhberg) wurde so mit unterschiedlichen Mehrheiten verhindert. Und in der Koalitionszeit beschlossene Fehler (etwa die Einführung des Tourismusbeitrages) wurden (im Beispielfall durch die Erhöhung und Verbreiterung des Gästebeitrages) korrigiert. Insgesamt wurde im Stadtrat sowohl in der Restamtszeit der Dr. Heike Kaster-Meurer als auch ihres Nachfolgers Emanuel Letz ab 2022 die Arbeit der Stadtverwaltung stärker als zuvor hinterfragt.

Das war vor allem für die Wortführer im Stadtrat und die Verwaltungsspitze ungleich mehr Arbeit, als die bequeme Koalitionspraxis, in der zu Lasten der Qualität der Entscheidungen der Beratungsaufwand erheblich reduziert war. Vor allem ist es der FDP-Oberbürgermeister, der bis zum 30.6. nur drei, seit dem 1.7. nur vier seiner 44 Stadtratskolleg*Innen als Parteifreunde bezeichnen kann, für den die Situation aus seiner Sicht unerfreulich ist. Als „eitle Selbstdarsteller“ bezeichnete die FDP Andersdenkende im Stadtrat.

Als Wahlkampf-Propaganda wurde eine Art “Dolchstosslegende light” verbreitet: laut FDP mache der OB seine Arbeit gut, werde aber durch fehlende Mehrheiten im Stadtrat ausgebremst. Die ganz erheblichen Defizite und Fehler, die Emanuel Letz ganz allein zu verantworten hat, wurden von den Liberalen schlicht totgeschwiegen und ausgeblendet. Da die aus Sicht des OB und der FDP erhoffte Unterstützung aus der Wählerschaft ausblieb und die Liberalen im Stadtrat statt bisher vier von 45 in den kommenden Jahren nur fünf von 45 Stadtratsmitgliedern stellen, soll Bad Kreuznach jetzt wieder eine Koalition bekommen.

Für eine Ampel reicht das Wahlergebnis von SPD und Grünen nicht, die zusammen fünf Stadtratssitze verloren haben. Da auch die Linke vom Wähler halbiert wurde, käme selbst eine Koaliton aus OB, SPD, Grünen, FDP und Linken/PBK nur auf 20 von 45 Stimmen. Da passt es gut, dass sich bereits lange vor der Kommunalwahl der CDU-Spitzenkandidat Dr. Helmut Martin (MdL) zum Steigbügelhalter für die FDP-Vorstellung von Mehrheit erklärt hat. Schon auf der Mitgliederversammlung der Christdemokraten, in der die Stadtratskandidat*Innen aufgestellt wurden, erklärte Martin seine Absage an den “offenen Stadtrat”.

Und seine Absicht eine Koalition zu schmieden. Das ginge rechtlich und politisch natürlich auch ohne zusätzliche Posten. Wäre dann aber für die betroffenen Akteure weniger attraktiv. Vor allem die SPD (und ihre Fraktionsvorsitzende Dr. Claudia Eider), die seit der Abwahl der roten Heike im Stadtvorstand nicht mehr vertreten ist, steht diesen Plänen aufgeschlossen gegenüber. Eine Koalition aus dem OB, der CDU (12 Sitze), der SPD (8 Sitze) und der FDP (4 Sitze) hätte nicht nur eine komfortable Mehreit im Stadtrat. Sondern würde der SPD einen Platz im Stadtvorstand sichern. Der könnte nach der bsiherigen Rechstlage aber erst im Herbst oder Winter 2025 vergeben werden.

Wenn nämlich die Nachfolge des aus der CDU ausgetretenen Beigeordneten Markus Schlosser ansteht. So lange möchte allerdings bei den neuen Koalitionären niemand warten. Denn wer weiss, wohin der derzeitige Niedergang die SPD noch führt. Und innerhalb der CDU gibt es (noch) politisch wache Rechenkünstler, die festgestellt haben: den 12 Sitzen der CDU im Stadtrat wäre dann nur noch ein Stadtvorstandsmitglied zugeordnet (Bürgemeister Thomas Blechschmidt), den ebenfalls 12 Sitzen von SPD und FDP zsuammen aber zwei (OB und die neue Beigeordnete). Selbst dem rhetorisch begabten Dr. Helmut Martin würde es schwer fallen, das seinen Christdemokraten als Erfolg zu verkaufen.

Also muss mindestens noch ein Zusatzposten für die CDU her. Den gibt die aktuelle Satzungslage der Stadt aber nicht her. Weshalb OB Letz vorschlägt (Drucksachennummer 24/197), § 6 der Hauptsatzung der Stadt Bad Kreuznach zu ändern. Ausdrücklich weist Letz darauf hin, dass die Stadt laut § 50 Absatz 1 Satz 1 der Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz (GemO) “bis zu 5 Beigeordnete bestellen” dürfte. Und verschleiert die tatsächlichen Pläne mit der lapidaren Erklärung: “es soll hier lediglich die Möglichkeit gegeben werden eine flexible Entscheidungsbefugnis des Stadtrates zu schaffen”. Na dann …

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite: