Bosenheimer Bad: keine Kohle für den Rechtsanwalt, wenn die Klage mutwillig erfolgte

Von Claus Jotzo

Wie ein Teil der Verantwortlichen bei der Stadtverwaltung tickt, zum Beispiel der Oberbürgermeister und das Rechtsamt, wird am Inhalt der Beschlussvorlage für die morgige Sitzung des Bosenheimer Ortsbeirates deutlich. Einmal mehr geht es um das Bosenheimer Schwimmbad (diese Seite berichtete). Während der Oberbürgermeister selbst in Gremiensitzungen und bei seiner Verwaltungsarbeit in unschöner Regelmässigkeit Rechts- und Formverstösse verwirklicht oder zuläßt, teils in Anwesenheit von Mitarbeitenden des Rechtsamtes, die dagegen nicht einschreiten, legt er an die Beschlüsse des Bosenheimer Ortsbeirates einen strengen, formalen Maßstab an.

3.4.2024: die Abstimmung über die Klage. Alle Ortsbeiratsmitglieder heben die Hand. Dazu schreibt Marion Kruger: “die Mitglieder des Ortsbeirats wussten in diesem Fall überhaupt nicht, über was sie genau abstimmen”.

Insbesondere an die vom 3. April diesen Jahres. Da hatte der Ortsbeirat einstimmig beschlossen den Planiger Verwaltungsjuristen Herbert Emrich mit einer Klage gegen die Stadt zu beauftragen. An der Sitzung nahm für die Stadtverwaltung der Beigeordnete Markus Schlosser ebenso teil, wie ich selbst. Daher kann ich aus eigenem Wissen feststellen, dass dort bezüglich von Wortmeldungen und anderen Details des Sitzungsablaufes nichts stattfand, was ich nicht bereits in unzähligen öffentlichen Sitzungen der städtischen Gremien zuvor erlebt habe. Das hat wohl auch Markus Schlosser so erlebt. Denn er legte gegen keinen Aspekt der Tagung des Ortsbeirates Widerspruch ein.

Der kam später vom Rechtsamt. Und führt zu der Zusatz-Sitzung am morgigen Mittwoch (22.5.2024). Wie man die Gräben vertieft und den Konflikt hochschaukelt, ist der Stadtverwaltung bestens bekannt. Und im Klageabweisungsschreiben des Rechtsamtes vom 26.4.2024 an mehreren Stellen dokumentiert. So schreibt Stadtrechtsdirektorin Kruger allen Ernstes, dass “die Mitglieder des Ortsbeirats in diesem Fall überhaupt nicht wussten, über was sie genau abstimmen”. Im Stadtrat, in dem beispielsweise in dessen letzter Sitzung mehrfach vom Oberbürgermeister angestrebte Abstimmungen von Ratsmitgliedern mit der Frage aufgeschoben wurden, über was denn nun abgestimmt werden soll, hat Kruger diese Interpretation noch nie abgegeben.

In der Bosenheimer Ortsbeiratssitzung, an der sie als Zuhörerin teilnahm, haben alle anwesenden Mitglieder des Gremiums durch Redebeiträge zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Klage wünschen. Und auch den Inhalt in eigenen Worten benannt. Also ich konnte das klar verstehen. Die Stadtrechtsdirektorin wohl nicht. Auch zur Klageerhebung hat Marion Kruger eine Meinung, mit der sie den Bosenheimer Ortsbeirat konkludent zu Stadtschädlingen abwertet: “Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die vorliegende Klage mutwillig erfolgte”, schreibt sie dem Verwaltungsgericht. Fakt ist dementgegen: die Stadt unterläßt jahrzehntelang die Sanierung des Bades.

Die Stadt macht über ihre BAD GmbH den seit mehr als 20 Jahren bekannten Wasserverlust zum Gegenstand einer Selbstanzeige samt Schließungsverfügung. Und ist dann so dreist, eine dagegen gerichtete Klage als “mutwillig” zu denunzieren. Diese Bewertung hat übrigens neben der Herabwürdigung der Motive der Mitglieder des Ortsbeirates auch eine weitere Bedeutung. Würde sich nämlich das Verwaltungsgericht dieser Sichtweise anschliessen (was ich nicht befürchte), erfiele der Kostenerstattungsanspruch des vom Ortsbeirat mandatierten Rechtsanwaltes. Dem OB und dem Rechtsamt ist dieser Aspekt so wichtig, dass er ausdrücklich in der neuen Beschlussvorlage ausgeführt wird (siehe unten).

Was in Planig und Bosenheim jede(r) weiss: Herbert Emrich hat dieses Mandat nicht mit materiellen Interessen übernommen. Sondern als Freund des Schwimmbades. Bei einem anderen Rechtsanwalt könnte der städtische Versuch der Beschädigung seiner Motive vielleicht verfangen. Bei Herbert Emrich nicht. Im Gegenteil. In Bosenheim und Umgebung wissen sie jetzt, dass die Stadt vor nichts zurückschreckt. Vor allem nicht davor, für die Bosenheimer einen ganz anderen Maßstab anzuwenden, als für sich selbst. Erinnern wir uns. 2018. Antonio Valentino’s Normenkontrollklage vor dem OVG. Dort habe ich für den (später erfolgreichen) Kläger gesprochen.

Für die Stadt sass auf der anderen Seite aber nicht die damalige Stadtrechtsdirektorin. Sondern ein Koblenzer Dr.jur. Mit viel Geld von der Stadt bezahlt. Verloren hat er trotzdem. Übrigens nicht nur diesen Fall. Auch beim Abwasserstreit der Stadt mit den Verbandsgemeinden Rüdesheim und Bad Kreuznach beauftragte die Stadt diesen Rechtsanwalt. Das Honorar war fünfstellig! Jetzt geht es um ein paar hundert Euro. Und da ist die Stadt gar nicht erfreut, dass der Ortsbeirat qualifizierte Hilfe in Anspruch nimmt. Wie krasser kann man mit zweierlei Maßstab messen? Leider ist all das möglich, weil im Stadtrat zu viele Abnicker und Wegdrucker sitzen.

Die Beschluissvorlage für die Sitzung des Ortsbeirates am 22.5.2024 im Wortlaut:

“Betreff: Kommunalverfassungsklage vom 9.4.2024, Beschlussvorschlag:

1.
Der Ortsbeirat des Stadtteiles Bosenheim der Stadt Bad Kreuznach genehmigt die Kommunalverfassungsklage vom 9.4.2024 gegen die Stadt Bad Kreuznach, die beim Verwaltungsgericht Koblenz unter dem Aktenzeichen 2 K 327/24.KO geführt wird.

2.
Der Ortsbeirat Bosenheim beauftragte Rechtsanwalt Herbert Emrich, dienstansässig in Bad Kreuznach, Bosenheimer Straße 2 – 4 mit der Prozessführung. Er ist berechtigt alle notwendigen und sachdienlichen Anträge in diesem Verfahren zu stellen und gegebenenfalls auch zurückzunehmen, die erforderlich sind um
a) die Bindungswirkung des öffentlich-rechtlichen Eingemeindungs-/Auseinandersetzungsvertrages vom 4.6.1969, abgeschlossen zwischen der selbständigen Ortsgemeinde Bosenheim und der Stadt Bad Kreuznach, soweit die vertraglichen Beziehungen sich auf das Betreiben bzw. die Unterhaltung des Schwimmbades in Bosenheim beziehen, gerichtlich klären zu lassen,
b) die ausreichende Finanzierung des Schwimmbades für dessen Betrieb und dessen Unterhaltung durch die Stadt Bad Kreuznach sicherzustellen und
c) die Stadt Bad Kreuznach zu verpflichten, das Schwimmbad tatsächlich zukünftig zu betreiben und zu unterhalten und zwar so, wie die Stadt Bad Kreuznach Freibäder in ihrem Stadtgebiet ortsüblich betreibt.

3.
Rechtsanwalt Herbert Emrich kann für seine anwaltlichen Tätigkeiten nur die Vergütung einfordern, die auf der Grundlage der Streitwertbeschlüsse der Verwaltungsgerichte sich aufgrund des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ergeben. Der Vergütungsanspruch entfällt, wenn die Gerichte gemäß dem Vortrag der Stadt Bad Kreuznach in deren Schriftsatz vom 26.4.2024, Seite 12 unter Ziffer III feststellen sollten, dass die Klageerhebung und deren Durchführung mutwillig erfolgt im Sinne der dazu ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, zitiert u.a. vom Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Stamm a.D. im Kommentar zur Gemeindeordnung von Gabler und andere § 28, Ziffer 4 GemO”.