Kahlschlag auf der Schanze: Fraktion Faire Liste / BüFEP fasst nach

Zusammengefasst und kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Büsche, die Passanten hinterrücks anfallen. Gräser, die sich zusammenrotten, um arglose Spaziergänger zu drangsalieren. Das klingt nach einer Hollywood-Produktion. Aber nicht im fernen Los Angeles im US-Bundesstaat Kalifornien wurde diese Geschichte erdacht. Sondern im Bad Kreuznacher Stadthaus.

Der Auftrag an die kreativen Kräfte dort lautete: eine Begründung erfinden, mit der der von langer Hand geplante Kahlschlag auf der Schanze gerechtfertigt werden sollte. Da es für diesen Eingriff eine entsprechende Beschlusslage in den städtischen Gremien nicht gab, der König rechtzeitig vor der Kommunalwahl aber “neue Kleider” präsentieren wollte, entstand die geniale Idee von der Verkehrssicherungspflicht.

Das Wort wird in den städtischen Gremien schon seit Jahren als Totschlagargument verwendet. Immer wenn die Verwaltung im Tiefbaubereich Fragen nicht beantworten möchte, weil die Antworten für Verärgerung sorgen könnten, oder wenn Geld ausgegeben werden soll, ohne dass von den ehrenamtlichen Kommunalpolitiker*Innen allzu genau hingeschaut wird, begründet die hauptamtliche Verwaltung eine Maßnahme mit “Verkehrssicherungspflicht”. Aufmerksamen Beobachter*Innen ging das schon lange gegen den Strich. Vor allem wegen der durchgängigen Verwaltungsuntätigkeit dort, wo die Sicherheit von Passanten tatsächlich gefährdet ist. Erstaunlich ist die Sturheit, mit der die Stadtverwaltung an ihrer Legende festhält.

Obwohl doch die Fakten bis ins Details die Behauptungen aus dem Stadthaus widerlegen. Den Stadtratsmitgliedern Wilhelm Zimmerin und Gerhard Merkelbach, die die Fraktion Faire Liste / BüFEP bilden, antwortete die Verwaltung auf deren Anfrage (diese Seite berichtete): “die Beseitigung des Aufwuchses war aus Gründen der Verkehrssicherheit zwingend erforderlich”. Kein Wort der Erklärung, wie Grasbüschel und Sträucher an einer Stelle für Menschen gefährlich sein wollen, die sich dort gar nicht bewegen. Was nicht erklärt werden kann, wird nicht erklärt. Die Reaktion der Ratsmitglieder fasst das in fünf Worten treffend zusammen: “diese Antwort ist eine Zumutung”.

Die Nach-Frage der Fraktion Faire Liste / BüFEP im Wortlaut:

(Nach-) Anfrage nach § 33 Abs. 4 GemO (nicht § 33 Abs. 3 GemO)
Betreff: Kahlschlag auf dem Schanzenareal Flur 72 Nr. 1/8
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, zuerst danke für den Versuch einer zeitnahen Beantwortung. Leider ist jedoch wieder mal kein Abgleich auf Vollständigkeit der Antworten erfolgt. So sind die Antworten teilweise unvollständig, eher ausweichend oder gehen an den Fragen vorbei. Dies verursacht zum einen vermeidbare Mehrarbeit für uns als auch für Ihre Verwaltung. Darüber hinaus ist dies keine Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und schürt nur weitere Spekulationen. Wir bitten abermals, dies zu vermeiden und auf die Vollständigkeit der Antworten vor ihrer Versendung zu achten. Mangels dessen müssen wir jetzt folgende Rückfragen stellen:

1) Einsatz des städtischen Baumkontrolleurs
a) Wurde das Ergebnis dieser Begutachtung planerisch oder schriftlich festgehalten? Wenn ja, bitten wir um Vorlage oder um Vereinbarung eines persönlichen Termins zur Einsicht. Antwort Verwaltung: Das Ergebnis dieser Begutachtung ist planerisch und schriftlich festgehalten.
Rückfrage: Wir hatten ausdrücklich um Übermittlung der planerischen bzw. schriftlichen Begutachtung bzw. um einen Termin zur Einsicht gebeten. Daran halten wir fest.
b) Hat der Baumkontrolleur den letztendlich vorgenommenen Totalkahlschlag auf dem Schanzenareal
befürwortet?

Antwort Verwaltung: Die Beseitigung des Aufwuchses war aus Gründen der Verkehrssicherheit zwingend erforderlich.

Rückfrage: Die Antwort geht leider an unserer Frage vorbei. Deshalb fragen wir, ob der Baumkontrolleur nur aus Gründen der Verkehrssicherheit die totale Rodung des gesamten Areales von 3.600 qm² (mit allen Bäumen, Büschen etc.) befürwortet hat?
2) Hinzuziehung der unteren Naturschutzbehörde
a) Ist neben dem städtischen Baumkontrolleur eine Begutachtung durch die untere Naturschutzbehörde erfolgt? Wenn ja, wer war vor Ort?

Antwort Verwaltung: Die Begutachtung erfolgte durch den städtischen Gutachter für Baumschutz und den zuständigen Sachbearbeiter der Untere Naturschutzbehörde Bad Kreuznach.

Rückfrage: Wir hatten gefragt, wer genau von der unteren Naturschutzbehörde vor Ort war? Daran halten wir fest.
b) Wenn die untere Naturschutzbehörde beteiligt war, bitten wir um Mitteilung, ob diese
letztendlich den vorgenommenen Totalkahlschlag in dieser Form genehmigt, oder das
Einvernehmen hergestellt hat?

Antwort Verwaltung: Die Maßnahme wurde vor Beginn der Arbeiten mit der Unteren Naturschutzbehörde abgestimmt.

Rückfrage: Die Antwort geht leider an der Frage vorbei. Deshalb fragen wir, ob die buntere Naturschutzbehörde der totalen Rodung des Areals von 3.600 qm² in Gänze zugestimmt hat? 3) Nach unserer Information hat das Bauamt die Rodung beauftragt
a) Gibt es eine schriftliche Auftragsbeschreibung für die Rodungsarbeiten? Wenn ja, bitten wir um Vorlage oder um einen Termin zur persönlichen Einsichtnahme.

Antwort Verwaltung: Ja

Rückfrage: Wir hatten um Vorlage der o. g. Auftragsbeschreibung oder einen Termin zur persönlichen Einsichtnahme gebeten. Daran halten wir fest.
b) Wurden die Rodungen durch eine Fremdfirma oder den Bauhof durchgeführt?
Antwort Verwaltung: Die Arbeiten wurden teilweise von einer Fremdfirma sowie von dem städtischen Bauhof ausgeführt.
Rückfragen:
– Welche Fremdfirma war im Einsatz?
– Welche Arbeiten hat der Bauhof und welche die Fremdfirma durchgeführt?

4) Landschaftsplanung laut Flächennutzungsplan 2005
Antwort Verwaltung: Angaben zu Bebauungsplanfestsetzungen siehe unter Allgemeines

Laut vorliegender Information gibt es, für das Gebiet einen Bebauungsplan (Bebauungsplan zwischen Hochstraße, Hofgartensstraße, Reitschule und Stromberger Straße (Nr. 1c/3). Laut Denkmaltopgraphie Kreis- und Stadt Bad Kreuznach handelt es sich beim Schanzenareal um eine denkmalrechtliche Gesamtanlage und somit um eine Denkmalzone, d. h. dass auch das Schanzenareal unter Schutz steht. Entsprechende Eingriffe unterliegen somit der denkmalrechtlichen Genehmigung durch die untere Denkmalschutzbehörde.
a) Sie weisen auf die Bebauungsplanfestsetzungen hin. Dieser Bebauungsplan bzw. die Festsetzungen sind nicht im Internet eingestellt. Wir bitten um Übermittlung (soweit möglich) in digitaler Form.
b) Inwiefern wurde in dem o. g. Bebauungsplan schon auf die Umweltbedingungen im Planungsgebiet eingegangen?
c) Wurde für die Totalrodung in Gänze die Genehmigung durch die untere Denkmalschutzbehörde eingeholt? Hat die untere Denkmalschutzbehörde dieser Totalrodung in Gänze zugestimmt?
d) Uns liegen Informationen vor, dass geplant ist, dass Schanzenareal, den Graben und ggf. den Spielplatz zu untersuchen und zu vermessen. Mögliche Projektpartner seien bereits mit der unteren Denkmalbehörde abgestimmt worden. Entsprechende Empfehlungen würden vorliegen.
– Um welche Art von Projektpartnern handelt es sich hierbei? Handelt es sich hierbei auch um mögliche Investoren?
– Was wurde mit der unteren Denkmalbehörde abgestimmt?
– Welche Empfehlungen liegen vor?

5) Veräußerung oder Vermarktung des Areals
Die Gesamtfläche KH Flur 72 Nr. 1/8 umfasst insgesamt 7.500 qm. Bei einem Bodenrichtwert von 290 € / qm ergibt sich ein
Verkehrswert von ca. 2,175 Millionen €. Nimmt man den Jahnhallenparkplatz sowie den restlichen Casinogarten noch hinzu, kommt man auf eine Fläche von ca. 1,5 ha in bester Citylage und einen Gesamtverkehrswert von ca. 4,9 Millionen €. Ein Kahlschlag in dieser Größenordnung erfolgt oftmals vor geplanten Bauvorhaben oder Veräußerungen. Deshalb bestehen von vielen Seiten Behauptungen, dass hier eine Veräußerung oder Vermarktung geplant ist. Deshalb fragen wir, ob seitens der Stadt eine Vermarktung oder Veräußerung des gesamten oder Teilen des Areals geplant ist?

Antwort Verwaltung: Für Veräußerungen ist das Stadtbauamt nicht zuständig. Auf die Bebauungsplanfestsetzungen wird auch in diesem Zusammenhang hingewiesen.

Diese Antwort ist eine Zumutung. Eine Weiterleitung an die zuständige Stelle sollte eine Selbstverständlichkeit darstellen. Wir fragen daher erneut: a) Ist eine Veräußerung oder Vermarktung des Areals (Schanzenareal, Jahnhallenparkplatz, Spielplatz, auch in Teilen) für die Zukunft geplant?
Mit freundlichen Grüßen Wilhelm Zimmerlin Gerhard Merkelbach”

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18.03.2024 – Stadt: “Rodungsarbeiten ausschließlich aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht notwendig”
18.03.2024 – “Kahlschlag auf der Schanze: die Presseerklärung der Grünen”
16.03.2024 – “Fraktion Faire Liste/BüFEP stellt Fragen zum Kahlschlag auf der Schanze”
26.02.2024 – “Verkehrssicherungspflicht a la Stadt: Bäume fällen ja – Treppen reparieren nein”
23.02.2024 – “Stadt hat Kahlschlag auf der Schanze als “Verkehrssicherungsmaßnahme” getarnt”
20.02.2024 – “Kahlschlag auch auf der Schanze an der historischen Stadtmauer”
18.02.2024 – “Kahlschlag im Salinental”