Kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo
Der Wechsel gehört zwingend zur Demokratie. Aber wie alles hat auch der Wechsel seine nachteilige Seite. Mit jedem personellen Wechsel in gesellschaftlichen Verantwortungspositionen gehen Erfahrungen und Detailwissen verloren. Daher sind alle demokratischen Kräfte im Sinne der Sache verpflichtet, Wechsel so kolateralschadenarm wie möglich zu gestalten. Das gilt auf kommunaler Ebene ganz besonders. Denn anders als in Land und Bund findet hier weder amtlich noch durch die Medien eine vollständige Dokumentation des politischen Geschehens statt. Parteiinteressen sollten daher hinter den Interessen der Einwohner*Innen zurückstehen.
Das umzusetzen haben die Stadtgrünen auf ihrer Mitgliederversammlung nicht geschafft. In dem sie Lothar Bastian den Stuhl vor die Tür gesetzt haben (diese Seite berichtete). Ohne Ankündigung. Ohne den Versuch eines Kompromisses. Lothar Bastian hatte, auch wegen der Erfahrung bei der Listenaufstellung vor fünf Jahren, sein Interesse an einer erneuten Kandidatur auf einem der Plätze mit Mehrfachnennung (ohne die ein persönlicher Wahlerfolg = Einzug in den Stadtrat auf der grünen Liste faktisch unmöglich ist) rechtzeitig intern angemeldet. Er bat bescheiden um Platz acht. Zu einem Zeitpunkt, als vom Vorstand zehn jener Plätze mit Mehrfachnennung in Aussicht gestellt wurden.
Wegen der von den Grünen erfreulich konsequent betriebenen Frauenquote waren das wichtige Rahmendaten. Denn die Plätze acht und zehn waren der Quote wegen die beiden letzten aussichtsreichen und für nicht weibliche Bewerber möglichen. Mitten in den eingangs der Sitzung entschiedenen Regularien wurde dann festgelegt die Zahl der Mehrfachbenennungsplätze auf neun zu verringern. Damit war klar, dass Platz acht der letzte war, auf dem Lothar Bastian mit Aussicht auf einen Erfolg bei der Kommunalwahl antreten konnte. Dort kam es zu einer Kampfkandidatur. Die Lothar Bastian verlor. Woraus er die Schlussfolgerung zog: “die Grünen brauchen mich nicht mehr”.
Und auf eine weitere Kandidatur, die ihm ohnehin keine Chance bei der Kommunalwahl am 9.6.2024 gegeben hätte, verzichtete. Mit Lothar Bastian wurde nicht irgend ein Grüner parteiintern entsorgt. Bastian ist nicht nur Gründungsmitglied des Bad Kreuznacher Ortsverbandes. Sondern auch streitbar. Weniger Ideologe. Mehr Sacharbeiter. Und vor allem in einigen Punkten Vorbild und Brückenbauer. Für bessere Bedingungen für das innerstädtische Radfahren trat Lothar Bastian schon ein, als dies noch nicht gesamtgesellschaftlich en vogue war. Trotzdem blieb er Autofahrer. Als er sich ein kleines Cabriolet als einzigen Pkw leistete, hatte das innerparteilich teils hässliche Kritik zur Folge.
Von Belebung der Innenstadt hat Lothar Bastian nicht nur geplappert. Sondern vor rund 40 Jahren im Zwingel am Kauzenberg ein stadtgeschichtlich bedeutendes Haus gekauft. Und sein Geld in dessen sorgfältige Sanierung investiert. Als er dabei entdeckte, dass das alte Gemäuer über einen Eiskeller verfügte, betrieb er großen materiellen und persönlichen Aufwand, um diesen wieder herzustellen und zugänglich zu machen. Dabei entdeckte er im Keller seines Hauses eine weitere stadtgeschichtlich relevante Sensation: einen Stollen, der tief unter den Kauzenberg führt. Und angefüllt war mit dem Müll längst vergangener Jahrzehnte.
Mit einer Gruppe von Einwohner*Innen, angeführt von Steffen Kaul, wurden diese Schätze geborgen und für die Neuzeit gerettet. Bis heute lässt Bastian in seinem Privathaus regelmäßig öffentliche Führungen zu. Und ermöglicht so den Betrieb des kleinsten Museums der Region: des Eiskeller-Museums. Mit all diesen Lebensentscheidungen hat Lothar Bastian Brücken gebaut zu Menschen in anderen politischen Lagern. Wer eben selbst auch Auto fährt und trotzdem für Radfahrerinteressen eintritt, wirkt glaubwürdiger bei den Anhänger*Innen motorisierten Fortbewegung.
Wer sein Geld in die Rettung eines alten Hauses investiert und günstigen, qualitativ hochwertigen Wohnraums schafft, kann den Bau sozialen Wohnraumes glaubwürdiger von anderen fordern. Zudem ist Lothar Bastian der einzige noch aktive Grüne, der die früher mal parteiintern geforderte Rotation praktisch vollzogen hat: 1997 legte er sein Ratsmandat nieder und machte eine Ämterpause. Es ist ein Qualitätsverlust für die Stadtpolitik, wenn Lothar Bastian tatsächlich kommunalpolitisch nicht mehr weiter mitarbeiten könnte.
Bemerkenswert ist. Genau mit diesem Argument, Erfahrung und Wissen weiter einbringen zu können, hatte sich Hermann Bläsius in der Aufstellungsversammlung der Grünen vorgestellt und beworben. Und sehr zutreffend darauf hingewiesen, dass neben Engagement und Empathie und auch Detailwissen und Erfahrung zwingend erforderlich sind, um eine ganzheitliche Kommunalpolitik aktiv mitgestalten zu können. Es gibt eben Dinge, die durch nichts substituiert werden können. Die Kenntnis vergangener Entscheidungsprozesse gehört dazu. Lothar Bastian kann den persönlichen Teil seiner Enttäuschung mit einem guten Roten runterspülen. Für die Einwohner*Innen ist es nicht so leicht. Ihnen geht ein streitbarer, unabhängiger Kopf verloren.