Gastbeitrag von
Dieter Gronbach
Im Vorfeld des Jubiläums „200 Jahre Jahrmarkt“ im Jahr 2010 hat die Stadtarchivarin Franziska Blum-Gabelmann eine hervorragende chronologische Zeitleiste mit dem Titel „Der Jahrmarkt Jahr für Jahr“ erstellt. Diese Zusammenstellung diente auch als wesentliche Grundlage für diese Übersicht. Die Daten vermitteln einen guten Überblick über wichtige Ereignisse in Zusammenhang mit dem Volksfest und enthalten Hinweise auf die im Stadtarchiv vorhandenen Belege und Zeugnisse. Nach diesen Quellen wurde eine „Markt-Commission“ erstmals 1881 in Stadtratsprotokollen erwähnt. Sie bestand zunächst aus 3 Mitgliedern, wurde aber 1894 auf 4, 1899 auf 5, 1902 auf 6 und 1913 auf 9 Mitglieder erhöht.
Dieses Gremium war offenbar nicht nur für den Jahrmarkt zuständig, sondern entschied auch über Zulassungen zu sonstigen Feierlichkeiten, wie z.B. zu Ostern 1913 über je eine Schiffschaukel auf dem Holzmarkt und dem Schaadt´schen Platz. In den „Zwanzigern“ des letzten Jahrhunderts war die Marktkommission in besonderer Weise gefordert. Der Jahrmarkt war während des Weltkrieges von 1914 – 1918 und der folgenden Zeit des revolutionären Umbruchs auch 1919 ausgefallen. Dr. Michael Vesper hat diese Zeit und die Turbulenzen in den Jahren bis 1924 im Jubiläumsbuch „200 Jahre Jahrmarkt“ näher beschrieben.
Danach gingen seit dem Sommer 1919 wieder vermehrt Bewerbungen von Schaustellern für einen eventuellen Jahrmarkt ein. Die Bewerber erhielten von der Stadtverwaltung ablehnende Bescheide mit der Begründung, dass kein Jahrmarkt stattfinden würde. Für 1920 wollte dies der Kreuznacher Gastwirt Otto Witte, der auch den Verein der Schausteller, Händler und Musikvereine führte, nicht hinnehmen. Nach seinen Feststellungen sollte der Verein alle Schaustellerplätze pachten und die Feste -natürlich auch den Jahrmarkt- selbst durchführen. Ob der Jahrmarkt 1920 stattfinden solle, war selbst bei den Entscheidungsträgern Markt-Kommission, Finanz-Kommission und Stadtverordneten-Versammlung umstritten.
Nachdem ein positiver Beschluss der Stadtverordneten-Versammlung am Veto der Polizei-Kommission (damals mit dem heutigen Ordnungsamt vergleichbar) u.a. wegen der fehlenden Ausschreibung scheiterte, wurde beschlossen, den Jahrmarkt abzusagen. Dann kam – laut Dr. Michael Vesper – die „große Stunde“ von Otto Witte. Es gelang ihm, die Zustimmung der französischen Militärregierung zu einem Jahrmarkt zu erhalten, mit der Auflage, dass die Stadtverwaltung die Genehmigung erteilt.
Jetzt mobilisierte Witte die Bürgerschaft und brachte 21 der 36 Stadtverordneten dazu, sich für die Durchführung des Jahrmarktes auszusprechen. Bürgermeister Fischer genehmigte dann „die Aufstellung eines Vergnügungsplatzes in Erinnerung an den Kreuznacher Jahrmarkt, der in besseren Zeiten hoffentlich in würdiger Weise wieder wird abgehalten werden können“. Die Witte-Veranstaltung wurde auch in der Folgezeit nie als Jahrmarkt gewertet und ist unter der Bezeichnung „Juxplatz“ in die Geschichte eingegangen. Beim Jahrmarkt 1921 wollte die Stadtverwaltung keinesfalls, dass sich die Ereignisse des Vorjahres wiederholen.
Noch im Juli erhielten Bewerber eine Absage mit der Begründung, dass der Jahrmarkt 1921 ausfalle. Danach sprach sich die Markt-Kommission jedoch für seine Durchführung aus, der die Finanz-Kommission und die Polizeibehörde widersprach. Auch Witte versuchte wieder – diesmal über den Reichbund der Kriegsgeschädigten – über die Platzvergabe Einnahmen zu erzielen. Nach vielem hin und her, u.a. einer Bürgerversammlung an der fast 500 Personen teilnahmen, wurde beschlossen, den Jahrmarkt in der Regie der Stadt und nicht eines privaten Organisators durchzuführen. Es war also der erste Jahrmarkt nach dem Weltkrieg, dem 1922 ein weiterer folgte.
1923 bestand hingegen wegen der Wirtschaftskrise und der Massenarbeitslosigkeit Einstimmigkeit in allen Gremien bei der Absage des Volksfestes. In den Folgejahren konnte der Ausschuss bis zum Kriegsausbruch 1939 seiner geregelten Arbeit, die in erster Linie in den Zulassungen der Schausteller und Gastronomen bestand, nachgehen. Der erste Jahrmarkt nach dem II. Weltkrieg fand 1948 statt. Umfangreiche Nachweise für eine Mitarbeit der Jahrmarktskommission bei der Durchführung des Volksfestes nach dem II. Weltkrieg sind erstmals im Jahr 1951 aktenkundig.
Danach gehörten der Kommission sieben Mitglieder (Ratsmitglieder oder berufene Mitglieder) sowie drei Mitglieder der Verwaltung und ein Vertreter des ambulanten Gewerbes, also insgesamt elf Mitglieder, an. Einer der ersten Beschlüsse des Gremiums war die Vergabe des Auftrages zum Entwurf eines neuen Jahrmarktsplakates. Den Zuschlag erhielt Pit Mahr für sein „lachendes Brückenhaus“. Dieses Motiv ist auch heute noch – farblich und stilistisch dem Zeitgeschmack angepasst – das Wahrzeichen des Kreuznacher Jahrmarktes. An der Spitze der Vertreter aus der Verwaltung standen der Jahrmarktsbürgermeister (Beigeordneter Wilhelm Fechter) und auch wieder ein Marktmeister (Vincent Groß).
Bis heute gilt diese Organisationsform. Die erste Frau, die als ordentliches Mitglied nach dem II. Weltkrieg im Jahr 1957 in die Kommission gewählt wurde, war Maria Hartmann, die dem Gremium bis 1960 angehörte. In diese Zeit fällt auch die Umbenennung der „Jahrmarktskommission“ in „Jahrmarktsausschuss“. In der „Siebener-Besetzung“ zuzüglich der beiden Verwaltungsvertreter (Jahrmarktsbürgermeister und Marktmeister) arbeitete der Ausschuss über 30 Jahre zusammen und bereitete auch die Jubiläen 1984 und 2010 vor. Zwar war der Namen des Gremiums zwischenzeitlich offiziell in „Ausschuss für Messen und Märkte“ geändert worden.
Aber für die meisten Bürger ist es bei der altbekannte Bezeichnung „Jahrmarktsausschuss“ geblieben. Die Funktion des „Jahrmarktsbürgermeisters“ war in den vergangenen Jahrzehnten sowohl beim Oberbürgermeister, dem Bürgermeister oder einem Beigeordneten angesiedelt. Nach Wilhelm Fechter (mit einer Unterbrechung bis 1961) übten Franz Dankelmann (bis 1969), Josef Schmidt (bis 1984), Dieter Gronbach (bis 1989), Helmut Schwindt (), Rolf Ebbeke (), Karl Heinz Gilsdorf (bis 2010), Udo Bausch (bis 2018) und seit 2018 Markus Schlosser, der auch z.Zt. im Amt ist, diese begehrte und symbolträchtige Position aus.
Marktmeister waren nach Vincenc Groß (bis 1962) Karl Heinz Katzenbächer (bis 1964, später Hauptamtsleiter), Otto Mayer (bis 1977), Manfred Schäfer (bis 1987, später Hauptamtsleiter), Rainer Zimmermann (bis 2008), Markus Franz (bis 2017) und danach der aktuelle Marktmeister Mathias Weyand. Die verhältnismäßig geringe Zahl von Personen, die in einem Zeitraum von über 70 Jahren am Jahrmarkt auf der Verwaltungsseite verantwortlich beteiligt waren, zeigt, dass eine hohe personelle Konstanz gegeben war. Dies gilt in noch größerem Umfang für die Ausschussmitglieder, die mit einem Motivwagen unter dem Motto „Die Ehemaligen 200plus“ am Jubiläumsumzug 2010 (200 Jahre Jahrmarkt) teilnahmen.
Sieben Ausschussmitglieder mit dem Marktmeister kamen auf stolze 214 Jahre Zugehörigkeit zum Jahrmarktsausschuss und übertrafen daher die Jubiläumszahl! In den letzten Jahren war eine solche Kontinuität nicht mehr gegeben und vielleicht auch nicht mehr zeitgemäß. Durch mehrere Wechsel von Fraktionsmitgliedern waren wiederholte Änderungen der Ausschussbesetzung notwendig. In den letzten Jahren wurde die Zahl der Ausschussmitglieder auf 13 (Jahrmarktsdezernent und 12 vom Stadtrat bestimmte Mitglieder) vermehrt, weil sich die Zahl der im Stadtrat vertretenen Fraktionen erhöht hatte und sich jede im Ausschuss repräsentiert sehen wollte.
Dieter Gronbach ist seit 2010 Vorsitzender des Freundeskreises Kreiznacher Johrmarkt e.V. und war von 1979 bis 2003 als Ausschussmitglied 20 Jahre und fünf Jahre als Jahrmarktsbürgermeister der Stadt Bad Kreuznach für das größte Volksfest der Region mitverantwortlich