Beobachtet und kommentiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo
Man ist entweder Geheimniskrämer. Oder arbeitet transparent. Thomas Blechschmidt will beides. Er möchte hinter den Kulissen am großen Rad drehen. Aber den unüberhörbaren Ansprüchen der Einwohnerschaft auf Beteiligung gerecht werden. Und redet daher immer wieder von Offenheit. Praktiziert aber das Gegenteil. Beispiel “AG Haushaltskonsolidierung”. Als das Thema aufkam, die gescheiterte Gesprächsrunde wieder aufleben zu lassen, posaunte Blechschmidt hinaus: “aber nur öffentlich, sonst mache ich nicht mit”. Wir haben aus Überzeugung applaudiert. Die CDU-Stadtratsfraktion stellte einen entsprechenden Antrag. Der Stadtrat votierte dafür.
Dann die erste Sitzung im Neuanlauf: nichtöffentlich. Thomas Blechschmidt redete sich heraus: die Sitzungsleitung lag ja beim Oberbürgermeister. Der links neben ihm sass. Bezogen auf das Bosenheimer Bad hat Emanuel Letz nichts zu sagen. Denn bei dem Thema ist der Bürgermeister in seinen unterschiedlichen Zusatzfunktionen allein der Chef im Ring. Blechschmidt hätte also vorbildlich transparent vorgehen können. Statt dessen schon im Juni 2023 nach der Zwangsschliessung des Bades die Ankündigung Blechschmidts: “wir stellen die Ergebnisse der Sanierungskostenschätzung erst im BAD-Aufsichtsrat vor”. Der hat noch nie öffentlich getagt. Sondern immer nur geheim.
So auch am Montag dieser Woche. Nach der Sitzung habe ich mit verantwortungsbewußten Aufsichtsratsmitgliedern Kontakt aufgenommen. Um auszuloten, wie der tief im Finanzdesaster feststeckende BAD-Karren freigezogen werden kann. Am Dienstag nach der Sitzung hätte der Bürgermeister, um seinen eigenen Sprüchen wenigstens im Nachhinein Gewicht zu geben, die Öffentlichkeit über die tags zuvor im Aufsichtsrat mitgeteilten Sanierungskosten-Daten informieren können. Es kam nichts. Auch am Mittwoch gabs kein Tönchen zu hören vom Bürgermeister. Thomas Blechschmidt blieb stumm wie ein Fisch in der Dose.
Daher habe ich den am Mittwochabend um 19:30 Uhr im dortigen Gemeindehaus zu einer Ortsbeiratssitzung versammelten Mitgliedern des Bosenheimer Ortsbeirates als auch den rund zwei Dutzend anwesenden Bürger*Innen die Beschlussvorlage aus dem Aufsichtsrat samt Sanierungskostenschätzung vorgetragen. Klar war das ein Schock für diese Menschen. Ein Redakteur muss einmal mehr die den hauptamtlichen Verwaltungsmitarbeitern obliegenden Aufgaben übernehmen. Wer oder was hat Thomas Blechschmidt daran gehindert, an der Ortsbeiratssitzung am Mittwoch teilzunehmen? Wer oder was hat den Bürgermeister gezwungen zu schweigen?
Natürlich niemand. Wegen jedem Quatsch werden von dieser Verwaltung Sitzung für Sitzung Eilvorlagen präsentiert und Tagesordnungspunkte von heute auf morgen neu aufgenommen oder gestrichen. Selbst unter dem Punkt “Sonstiges” wären Informationen des Bürgermeisters (in Personalunion BAD-Aufsichtsratsvorsitzender und verantwortlicher Dezernent für die Beteiligungsverwaltung) sehr willkommen gewesen. Thomas Blechschmidt kam aber nicht. Und auch Ersatz schickte er nicht. Also habe ich die Fakten hier auf t-s-n veröffentlicht. Ab 3:32 Uhr am 19.10.2023 war der Text zu lesen. Unter der Überschrift “Bürgermeister Blechschmidt schlägt Schliessung des Bosenheimer Bades vor”.
Denn natürlich muss sich Thomas Blechschmidt aufgrund seiner Funktionen eine in seinem persönlichen Auftrag erstellte Vorlage, in der es wörtlich heisst “Der Aufsichtsrat der Betriebsgesellschaft für Schwimmbäder und Nebenbetriebe mbH (BAD) beschließt, den Betrieb des Freibades Bosenheim endgültig einzustellen”, zurechnen lassen. Um so bemerkenswerter, was wenige Stunden später geschah. Am Morgen um 9:59 Uhr flatterte folgende Einladung ins Redaktionspostfach: “Sehr geehrte Damen und Herren, wir laden Sie herzlich zu einem Pressegespräch am heutigen Tage um 11 Uhr.
Wir freuen uns, Sie in unserem Verwaltungsgebäude in der Kilianstraße 9, Bad Kreuznach begrüßen zu dürfen. Mit freundlichen Grüßen i. A. N. E. Kommunikation und Marketing”. Eine Stunde und eine Minute vor Sitzungsbeginn wird die Einladung verschickt. Ohne jede Themenangabe. Da schweigt ein politisch verantwortlicher Bürgermeister mehr als zwei volle Tage. Um dann von einer Stunde auf die andere plötzlich Redseligkeit zu behaupten. Wie wenig ernst die gemeint war, kann schon daran erkannt werden, dass es bis jetzt keine schriftliche Erklärung oder Zusammenfassung gab. Die wird von der Stadt sonst sogar verschickt, wenn jemand im Stadthaus beim Popeln erfolgreich war.
Hier geht es um Menschen. Um Millionenkosten. Da schweigt die Verwaltung. Nicht nur bedauerlich, sondern zu verurteilen ist, wie dann in diesem Gespräch die Kolleg*Innen einmal mehr getäuscht wurden über den Inhalt und den Ablauf des “Abstimmungsverfahrens”. Thomas Blechschmidt nennt das “Prüfung des Ewigkeitrechtes durch das Stadtrechtsamt”. Bekannt ist die Notwendigkeit dieses Verfahrens der Stadt seit mehr als 22 Jahren. Ausdrücklich beschlossen und konkret in Auftrag gegeben vom Stadtrat vor rund einem Jahr. Ergebnis bis heute: null (in Worten: null).
Die bisherige Hauptperson des Verfahrens, Stadtrechtsdirektor Fouad Yahia, darf nach der Freigabeerklärung des Oberbürgermeisters die Stadtverwaltung Richtung Mainz verlassen. Bis heute ist über seine Nachfolge nicht entschieden. Geschweige denn die Stelle besetzt. Das wird Monate dauern. Daher gibt es das Ergebnis der verwaltungsinternen Prüfung auch in diesem Jahr nicht. Sondern erst 2024. Ich setze hiermit einen guten Bosenheimer Winzersekt auf das Datum: nicht vor dem 9. Juni 2024. Denn an dem Tag findet die Kommunalwahl statt.
Und davor macht es sich in einem Land, in dem mittlerweile Jahr für Jahr mehr Menschen ertrinken, die als Kinder nicht schwimmen lernten, gar nicht gut, ein Freibad endgültig zu beerdigen. Dabei ist die Sach- und Rechtslage sonnenklar. Und könnte sofort, noch heute, entschieden werden. Wie ich dem Bürgermeister bereits persönlich versuchte zu erklären und mehrfach geschrieben habe, kann aus höchstrichterlich ausgeurteilten Gründen die allgemeine Finanznot einer Kommune nicht der Grund dafür sein, einen Eingemeindungsvertrag zu brechen. Sondern es kommt allein auf das Innenverhältnis der Vertragsparteien an.
Wer das zwischen Bosenheim und der Kernstadt nur oberflächlich kennt, muss die Schliessungspläne schon aus grundsätzlichen Gründen verurteilen. Denn auf der Gemarkung Bosenheim wird vielfach mehr Geld für die Stadtkasse erarbeitet, als in Form von Verwaltungsdienstleistungen pp zurückfliesst. Warum der Bürgermeister die Entscheidung trotzdem ins kommende Jahr verschiebt? Thomas Blechschmidt ist auch Kämmerer und Finanzdezernent der Stadt. Als solcher ist er verpflichtet der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) rechtzeitig vor dem Beginn des neuen Haushaltsjahres am 1.1. einen aktuellen Haushaltsplan vorzulegen.
Der muss eine schwarze Null aufweisen. Sonst gibts keine Genehmigung. Ohne die dürfen die Wahlkämpfer nicht einen einzigen Euro mehr ausgeben, als gesetzliche und vertragliche Pflichtausgaben bestehen. Wer wie die Altparteien seine Politik auf Versprechungen aufbaut, sieht also ohne Haushalt sehr alt aus. Vor allem die Hauptamtler wie Thomas Blechschmidt. Er wäre ohne Haushalt beruflich gescheitert. Die Standartausrede unfähiger Kommunalpolitiker*Innen, “die Bösen in Mainz und Berlin sind schuld”, ist in Bad Kreuznach leicht zu widerlegen. Es war die Stadt (auch Blechschmidt), die unbedingt in die Busgesellschaft der Landkreise (KRN) einsteigen wollte.
Das kostet jetzt Jahr für Jahr Millionen. Es war die Stadt, die dem Kreis praktisch kostenlos (vor Blechschmidt) die Stellplätze für Altglascontainer zur Verfügung stellte. Und jetzt Jahr für Jahr hunderttausende von Euro für die Beseitigung illegaler Müllablagerungen zu zahlen hat. Im November 2018 beschloss die damalige Stadtratsmehrheit die Abgabe des Jugendamtes, falls das Land keinen Finanzausgleich zur Verfügung stellt. Seit dem ist fünf Jahre lang nichts passiert. Auch keine Klage. In diesem Jahr – so Thomas Blechschmidt noch letzte Woche bei einer CDU-Veranstaltung – verlieren Stadt und Kreis dadurch je fünf Millionen Euro. Noch Fragen?
Die Finanzkrise Bad Kreuznachs ist hausgemacht. Wobei es dem FDP-OB ohnehin schwerfallen dürfte, seine im Land und Bund mitregierenden Parteifreunde zu kritisieren. Also muss Blechschmidt den Haushalt auf Biegen und Brechen so hinbekommen, dass sich der ADD-Prüfer nicht totlacht. Der Millionenaufwand für die jahrzehntelang aufgeschobene Sanierung des Bosenheimer Bades darf daher heute nicht amtlich zugegeben werden. Das kommt NACH der Kommunalwahl. Dann haben die Bürger*Innen ja keine Möglichkeit mehr zu protestieren. Auch wenn sich der ein oder die andere aus Wut über die eigene Gutgläubigkeit und Naivität am liebsten die Hand abhacken würde, mit der er-sie-es die Kreuzchen auf dem Wahlschein gemacht hat.
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19.10.23 – “Bürgermeister Blechschmidt schlägt Schliessung des Bosenheimer Bades vor”