Wer schlägt Markus Schlosser und Hans-Dirk Nies vor?

Beobachtet von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Die letzten Gremiensitzungen in Stadt und Kreis fanden noch direkt vor den Weihnachtsfeiertagen statt. Da ist nachvollziehbar, dass die normalen Mandatsträger*Innen die Zeit “zwischen den Jahren” zu einer kommunalpolitischen Entspannungspause nutzen. Zumindest auf Kreisebene endet diese spätestens, wenn die letzten Neujahrskracher verklungen sind. Denn am 9. Januar 2023 steht im Kreistag eine epochale Entscheidung an: die Wahl eines oder einer neuen Kreisbeigeordneten. Dabei ist die öffentlich einsehbare Lage dort noch komplexer, als 2018 bei der Beigeordneten- und 2021 bei der Bürgermeisterwahl in der Stadt. Damals war die Kandidatenliste überschaubar. Und vorab war immerhin klar, welche Partei bzw Fraktion welchen Kandidaten vorschlägt.

Das ist hinsichtlich des 9.1.2023 ganz anders. Zum einen wegen der wesentlich größeren Bewerber*Innenzahl. Denn, so hat es diese Seite bereits am 17.11.2022 formuliert: “zehn drängen an die Seite von Bettina Dickes”. Die Landrätin hat sich allerdings längs festgelegt, wen sie dort sehen möchte: Andrea Silvestri, die aktuell bereits ehrenamtliche Kreisbeigeordnete ist. Und nur allzugern ins Hauptamt wechseln möchte. Bei ihr steht fest: sie ist die Kandidatin der CDU-Kreistagsfraktion. Das und die Nähe zu Bettina Dickes ist gleichzeitig auch ihre größte Hypothek. Denn mit ihrer Wahl würde eine CDU-Kreisspitze festgeschieben. Zwar steht in nicht einmal mehr vier Jahren die Wiederwahl der Landrätin an.

Aber anders als Ex-Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meuer (SPD) hat sich Bettina Dickes weder durch ihre Amtsführung noch durch ihr Auftreten politische oder persönliche Feinde gemacht. Und muss daher auch einen Überraschungskandidaten nicht fürchten. Einen Kandidatin ist ja nicht einmal in Sicht, da – anders als bei der CDU – Kreispolitik bei den anderen Parteien und Wählergemeinschaften überwiegend Männersache ist. Ihre Wiederwahl ist daher aus heutiger Sicht wahrscheinlich. Aber genau diese gefestigte Position der Landrätin könnte für Silvestri wegen derer bekannter Nähe zu Bettina Dickes zum Problem werden. Denn eine hauptamtliche Beigeordnete Andrea Silvestri könnte von den Herren in mehreren Kreistagsfraktionen nicht nur als mittelfristige Zementierung von Frauenpower an der Kreisspitze, sondern auch als persönliche Stärkung für Dickes verstanden werden.

Natürlich spielen auch regionale Überlegungen eine Rolle. Auf die setzt die SPD mit ihrem Kandidaten Oliver Kohl aus Hennweiler (nicht zu verwechseln mit dem Winzenheimer Ortsvorsteher und Kreistagsmitglied Mirko Helmut Kohl von der CDU). Die Hoffnung der Sozialdemokraten: die sich im Vergleich zum Ostteil des Kreises mit der großen kreisangehörigen Kreisstadt Bad Kreuznach chronisch benachteiligt fühlenden Westler sehen schon aus diesem Grund über das rote Parteibuch gern hinweg. Immerhin gilt für Kohl: er kann sich darauf verlassen von seinen Genossen vorgeschlagen zu werden. Dieser Hinweis mag für Aussenstehende banal klingen. Am 9.1.2023 ist er von entscheidender Bedeutung.

Denn an diesem Tag zählen nur Stimmen, die für vorgeschlagene Kandidaten abgegeben wurden. Wer diese Hürde nicht genommen hat, kann nicht gewählt werden. Würde der Name einer nicht vorgeschlagenen Person von einem der wahlberechtigten 50 Kreistagsmitglieder auf den Stimmzettel geschrieben, wäre dieser ungültig. Dieser Aspekt ist etwa für Hans-Dirk Nies (SPD) von Bedeutung. Der Noch-Kreisbeigeordnete verbindet mit seiner Bewerbung konkrete persönliche finanzielle Interessen. Wobei jeder Euro, den Nies gut macht aus Steuergeld zu finanzieren ist. Wer Nies, der also nicht mit dem Wunsch der Wiederwahl, sondern nur des persönlichen Einkommens wegen erneut antritt, im Kreistag vorschlägt, darf sich bei der nächsten Kommunalwahl auf entsprechende Hinweise “freuen”.

Und auch das Kreistagsmitglied, das Markus Schlosser (CDU) als Kandidaten benennt, muss mit Reaktionen rechnen. Denn obwohl Mitglied bei den Christdemokraten tritt der Stadtbeigeordnete ja gegen den offiziellen CDU-Vorschlag Andrea Silvestri an. Auch die Schlosser vorschlagene Person macht sich damit also nicht nur Freunde. Geradezu aussichtslos sind daher die kreisparteipolitisch unabhängigen, anderen fünf Bewerbungen. Denn wem es in diesen Tagen nicht gelingt eine Kreistagsfraktion oder ein Kreistagsmitglied davon zu überzeugen, die entsprechende Person beim Wahlakt am 9.1.2023 auch vorzuschlagen, darf für sich feststellen: ausser Spesen nichts gewesen. Ganz unabhängig von der Qualifikation. Die entsprechenden Regeln sind in der Landkreisordnung (LKO) festgelegt.

Für diese ist der rheinland-pfälzische Landtag verantwortlich. Wem also auffällt, dass die in der LKO festgelegten Bestimmung im krassen Gegensatz zur allgemein gewünschten Bestenauslese im Sinne der Einwohner*Innen stehen, sondern allein parteipolitische Machtausübung unterstützen, sollte sich an den Landtagsabgeordneten seines Vertrauens wenden. Und eine Änderung vorschlagen. Spekuliert wird eifrig, in welchem Wahlgang die endgültige Entscheidung fällt. Die Rechenwege für Wahlen durch den Kreistag sind in § 33 LKO definiert. Demnach ist gewählt, “wer mehr als die Hälfte der Stimmen erhält”. Die Verwaltungsvorschrift dazu stellt klar: “dafür ist die Zahl der anwesenden Kreistagsmitglieder maßgebend”. Wären alle 50 am 9.1.2023 da, läge das Quorum bei 26.

Weiter bestimmt die LKO: “erhält beim ersten Wahlgang niemand diese Stimmenmehrheit, so ist die Wahl zu wiederholen (zweiter Wahlgang). Erhält auch hierbei niemand mehr als die Hälfte der Stimmen, so erfolgt zwischen den beiden Personen, die die höchste Stimmenzahl erreicht haben, eine Stichwahl (dritter Wahlgang). Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los, wer in die Stichwahl kommt. Führt auch die Stichwahl zu gleicher Stimmenzahl, so entscheidet das Los, wer gewählt ist”. Der Losentscheid erfolgt durch die (nicht stimmberechtigte) Vorsitzende, Landrätin Bettina Dickes. Weil also im ersten und zweiten Wahlgang eine sehr hohe Stimmenzahl erreicht werden müßte, gehen die Beobachter mehrheitlich von einer Entscheidung erst im dritten Wahlgang aus.

Oder durch Losentscheid. Letzterer wäre in der Geschichte des Kreistages eine Premiere. Der Umstand, dass im ersten und zweiten Wahlgang alle vorgeschlagenen Kandidat*Innen, die dies wünschen, antreten können, gibt insbesondere jenen Fraktionen wie den Grünen, die nicht über einen eigenen Personalvorschlag verfügen und sich bisher nicht öffentlich auf eine Kandidatin oder einen Kandidaten festgelegt haben, die Möglichkeit zur taktischen Stimmabgabe (etwa durch die Abgabe von ungültigen Stimmen oder Enthaltungen), um die Spannung für den dritten Wahlgang hoch zu halten. Die Kreistagssitzung am Montag, den 9.1.2023 um 14:30 Uhr ist öffentlich und findet im Sitzungssaal (1. OG) der Kreisverwaltung Bad Kreuznach (Salinenstraße 47, 55543 Bad Kreuznach) statt.

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17.11.22 – “Zehn drängen an die Seite von Bettina Dickes”
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10.11.22 – “Markus Schlosser: vom Kirschrother Sandkasten in den Kreisvorstand?”
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