Meinung: Dr. Kaster-Meurer + Heiko Kraft benutzen Kinder zu Wahlkampfzwecken

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Kinder sind in der Werbung ein Hingucker. Daher sind sie dort mit gesetzlichen Vorgaben gut geschützt. Bei den Winzenheimer Jerrys leider nicht. Weil deren Sitzungspräsident Heiko Kraft (SPD) nicht nur seinen Platz in der Bütt, sondern auch im Stadtrat mit allen Mitteln behalten möchte, kam es am Montag zu einem denkwürdigen Auftritt der elf Mädchen der Minigarde der Jerrys im Stadthaus. Auch dort möchte eine Person ihren Posten unbedingt sichern.

Anmerkung der Redaktion: die Anonymisierung der Mädchengesichter erfolgte durch uns.

Oberbürgermeisterin Dr. Kaster-Meurer. Die kandidiert als SPD-Spitzenkandidatin zum Stadtrat, obwohl sie das ehrenamtliche Amt gar nicht annehmen darf, solange sie hauptamtlich im Stadtvorstand sitzt. Jüngst sorgte die Oberbürgermeisterin mit von ihr unterzeichneten Einladungen der SPD-Initiative “Frauenpower” für Aufsehen. Damals gabs 50-Euro-Einkaufsgutscheine für die erwachsenen Mitfrauen. Die 5- bis 9jährigen Mädchen wurden mit Muffins, einer Tasse Schokolade, Kugelschreibern und Pins abgespeist.

SPD deutlich unter 20%

Ja. Die Europawahl-Umfragewerte für die SPD sind desaströs. Zwischen 15 und 18%. Die Sozialdemokraten sind hinter CDU und Grünen auf Platz drei abgerutscht, kämpfen mit der AfD um Platz 4. Das Ergebnis 2014 lag noch – deutlich stärker – bei 27,3%. Aber das Motiv, den sich abzeichnenden Niedergang abzuwenden, rechtfertigt nicht den Einsatz von Kindern als Wahlkampfwerbemittel. Genau das haben die SPD-Spitzenkandidatin und ihr Parteifreund am Montag getan.

Selbstdarstellung der OBin

Per Pressemitteilung aus dem Stadthaus flatterten den Redaktionen zwei Bilder der Stadtpressesprecherin Isabel Gemperlein auf den Tisch. Der Text der Pressemitteilung ist unten im Wortlaut abgedruckt. Wenn man ihr glauben darf, haben nicht etwa die Mädchen der OBin erzählen dürfen, wie hart und oft sie trainieren und was ihre Motivation ist. Sondern Dr. Kaster-Meurer nutzte die Kinder als Forum für ihre Selbstdarstellung.

Wahlen waren Gesprächsthema

Die “bevorstehenden Wahlen” waren laut Presseerklärung sogar amtliches Thema des Gespräches. Mit 5- bis 9jährigen Mädchen. Merkt denn im Stadthaus keine(r) mehr was? Läßt die Angst vor dem Machtverlust alle Hemmschwellen fallen? Ist die Instrumentalisierung von Kindern für persönliche und parteipolitische Interessen mittlerweile auch eine Methode der SPD?

Kapazität nur in der Bütt

Ich bin selbst seit über 20 Jahren Mitglied der Jerrys. Daher weß ich, dass ich mit meiner Sichtweise auch im Verein nicht alleine bin: in der Bütt ist Heiko Kraft eine Kapazität. Im Stadtrat ist er ein Duckmäuser. Seit über einem Jahr habe ich alle Stadtratssitzungen besucht. Heiko Kraft hat sich da insgesamt ein Mal zu Wort gemeldet. Einen vom ihm gestellten Antrag konnte ich nicht wahrnehmen. Auch an Ausschußsitzungen nimmt er kaum teil. Kommunalpolitische Initiativen: Fehlanzeige.

Heiko schwach statt Heiko Kraft

Wieso er überhaupt zum Stadtrat kandidiert? Die 200 Euro Sitzungsgeld hat er nicht nötig. Also bleibt wohl nur: sich wichtig tun. Dazu kleine Kinder zu benutzen ist für mich inakzeptabel. Das ist nicht Heiko Kraft. Das ist Heiko schwach. Wenn es dem Ober-Jerry und der Verwaltungschefin um die Kinder ginge, hätte das Gesprächsthema ein anderes sein und der Termin nach der Wahl stattfinden müssen. Der Erlebnisgewinn für die Mädchen wäre identisch gewesen*.

Es geht auch anders

Andere SPD-Kandidaten machen vor, wie Wahlkampf anständig geht: Gernot Bach, Annette Bauer, Wolfgang Bouffleur und Holger Grumbach haben wir am Infostand abgelichtet (“Meinung: Strassensperre als Lachnummer” am 4.5.19). Carmen Budde hatte schon vor Monaten die Idee, wie das städtische Innenmarketing verbessert werden kann. Darüber werden wir in den nächsten Tagen gern berichten. Klappern gehört also zum Handwerk: aber kein Wahlkämpfer ist gezwungen dazu Mistgabeln einzusetzen.

Nachspiel für Dr. Kaster-Meurer?

Für die Oberbürgermeisterin kann die Aktion noch ein Nachspiel haben. Schon vor Jahren urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass eine Trennung von Amtshandlungen und Werbemaßnahmen essenziell ist. Denn es gilt das “Gebot der Neutralität und äußerster Zurückhaltung im Vorfeld der Wahl”. Natürlich dürfen auch Amtsträger Wahlkampf machen – als Privatperson. Und nicht auf Kosten von Kindern und der Stadtkasse.

Die Presseerklärung im Wortlaut:

“Nr. 49/2019 Datum: 13.05.2019; An alle Medienvertreter; Minigarde der Winzenheimer Jerrys besucht Oberbürgermeisterin

Was macht eine Oberbürgermeisterin genau? Wie wird man das? Und für wie lange ist die Stadtchefin gewählt? Antworten auf diese und weitere Fragen bekamen die elf Mädchen der Minigarde der Winzenheimer Jerrys am Montag, als sie Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer in ihrem Büro im Stadthaus in der Hochstraße besuchten. Bei Muffins und einer Tasse gefüllt mit Schokolade, Kugelschreiber und Pin als Geschenk erzählte die Oberbürgermeisterin den fünf- bis neunjährigen „Jerrys“ kindgerecht aus dem Arbeitsalltag einer Stadtchefin und den vielfältigen Aufgaben der Stadtverwaltung: von den Grundschulen über den Bürgerservice hin zu den bevorstehenden Wahlen. „Es ist den ganzen Tag immer viel zu“, so Kaster-Meurer zu den wissbegierigen Mädchen. Die Frage, ob sie reich sei, musste die Oberbürgermeisterin ab er verneinen: „Wenn ich das wäre, würde ich in der Stadt ganz viele tolle Sachen umsetzen.“ Die Idee des Besuchs entstand während der diesjährigen Kindersitzung der Winzenheimer Jerrys im Februar, an der auch Kaster-Meurer teilnahm. „Das ist die Tante Heike, der ganz Bad Kreuznach gehört“, erklärte Sitzungspräsident Heiko Kraft damals dem närrischen Nachwuchs mit einem Augenzwinkern – die Idee war geboren.

Foto: Hatten beim Besuch im Stadthaus viel zu erzählen: die Minigarde der Jerrys mit OB Dr. Heike Kaster-Meurer, Sitzungspräsident Heiko Kraft und Trainerin Katrin Mengel”.

Anmerkung der Redaktion: wir haben das Bild nicht bearbeitet, sondern es genau in diesem Zuschnitt auf der Stadtseite vorgefunden (Quelle siehe unten).

*Dr. Kaster-Meurer und Heiko Kraft waren schon 2013 ein Dream-Team. Auch damals setzte die OBin einen städtischen Mitarbeiter (Dominik Braun von der städtischen Fachabteilung Tiefbau und Grünflächen) ein, um Kraft und sich ins Bild setzen zu können. Es ging um das gewichtige Thema “aktuelle Situation am Plaggen“. An der hat sich bis heute nichts geändert. Wie an dem auf der Stadtseite veröffentlichten Bildbericht. Auch der ist bis heute unverändert nachzulesen unter bad-kreuznach.de/politik-und-verwaltung/nachrichtenarchiv/jahresarchiv-2013/november-2013/oberbuergermeisterin-informiert-sich-ueber-situation-am-plaggen-im-stadtteil-winzenheim/