“Geschwärzt um zu vertuschen”

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Mit Deckblatt, vierseitigem Inhaltsverzeichnis und drei Anlagen ist er 154 Seiten stark. Der Prüfbericht des Landesrechnungshofes zur Haushalts- und Wirtschaftsführung der Gewobau GmbH. Die Erhebungen vor Ort fanden – mit Unterbrechungen – vom Mai bis zum Oktober 2016 statt. Schon in dieser Phase war die Geschäftsleitung stark eingebunden.

Kurzer Dienstweg

Immer wenn den Prüfern etwas auffiel oder ein Dokument fehlte, fragten sie nach. Mißverständnisse und Verständnislücken wurden so schon auf dem kurzen Dienstweg geklärt. Ziel der Prüfung ist – ganz anders als bei der durch Emittlungsbehörden wie Staatsanwaltschaft oder Polizei – vordergründig nicht die Aufklärung von rechtwidrigen Sachverhalten und das Ermitteln von persönlicher Schuld.

Schutz kommunalen Vermögens

Dem LRH geht es allein um den Schutz kommunalen Vermögens. Und um die Durchsetzung sachgerechter Handlungsweisen im Umgang damit. Daher werden in dessen Prüfberichten auch nicht erbsenzählerisch alle kleineren und geringfügigen Verstösse protokolliert. Derartige Details sprechen die Prüfer in fast allen Fällen mündlich an. Der Geprüfte sichert Besserung zu. Damit ist das Thema in der Regel abgehakt.

Fakten bereits am 21.11.16

Gespräche – und nicht etwa Vermerke – sind also ein Hauptarbeitsmittel des LRH. Im Fall der Prüfung bei der Gewobau fand die entscheidende Aussprache bereits am 21. November 2016 statt. Also schon vor 2 Jahren und 5 Monaten setzte der LRH Oberbürgermeisterin Dr. Kaster-Meurer in Anwesenheit u.a. des Geschäftsführers über konkrete Ermittlungergebnisse in Kenntnis.

Dr. Kaster-Meurer blieb stur

Ab diesem Tag war Dr. Kaster-Meurer, so sieht das BüFEP-Stadtrat Wilhelm Zimmerlin, in der Pflicht die erkennbaren Nachteile oder Schäden von der Gewobau abzuwenden. Üblicherweise machen das Verantwortliche dann auch. Nur die in Bad Kreuznach praktizierte sture Haltung der Oberbürgermeisterin, bestimmte Handlungsweisen zu verteidigen und Entschuldigungen zu suchen, führte dazu, dass die vorläufige schriftliche Fassung, der sogenannte “Entwurf der Prüfungsmitteilungen” vom 29. Mai 2017, so umfangreich ausfiel.

Mit Stellungnahme

Hätte Dr. Kaster-Meurer die Hinweise und Anregungen des LRH vom 21.11.16 in einem grösseren Umfange aufgegriffen, wäre schon der Vorbericht schmaler ausgefallen. Zum eingangs beschriebenen stattlichen Umfang der am 21. November 2017 ausgedruckten Endfassung des Berichtes kommt es auch deshalb, weil darin die Stellungnahmen der Oberbürgermeisterin und der Geschäftsleitung – soweit relevant – enthalten sind.

Für 10.000 Euro geschwärzt

Der Bericht ist also auch eine Kommentierung. Insofern kommt den von einem Gewobau-Rechtsanwalt vorgenommenen Schwärzungen (Kosten allein dafür: rund 10.000 Euro) eine besondere Bedeutung zu. Und natürlich der Erklärung, die Geschäftsführer Karl-Henz Seeger dazu öffentlich gegeben hat. In der Allgemeinen Zeitung vom März 2019 heisst es dazu unter der Überschrift “Gewobau kontert Landesrechnungshof”:

“Zum Schutz der Mitarbeiter”

“Problematisch sind hier Ausführungen im Bericht, die einzelne Personen, also Mitarbeiter, betreffen. Die mußten nun geschwärzt werden”. Auch im Öffentlichen Anzeiger werden die Schwärzungen als “zum Schutz der Mitabeiter” vorgenommen erklärt (ÖA vom März 2019 unter der Überschrift “Geheimnis um Prüfbericht zur Gewobau gelüftet”).

Schwärzungen betreffen meist Seeger

Wer nun die geschwärzte Fassung und das Original vergleicht, stellt fest: massenhaft betreffen Schwärzungen nur einen einzigen Gewobau-Mitarbeiter. Nämlich Geschäftsführer Karl-Heinz Seeger. Zimmerlins Kommentar: “überwiegend wurde geschwärzt, um den Geschäftsführer betreffende Sachverhalte zu vertuschen”.

Gern dokumentieren wir das an einem Beispiel. Seite 28 des Berichtes. In der geschwärzten Fassung sind nur einzelne Worte zu lesen. Wer zum exklusiven Kreis derer zählt, denen die Originalfassung vorliegt, stellt fest: auf dieser Seite geht es nur um Karl-Heinz Seeger. Und das ihm vom LRH vorgeworfene Fehlverhalten.

Ermüdend sachlich

In dem geschwärzten Text kommen eine Reihe von schon fast ermüdend sachliche Sätze vor: “Bei betrieblichen Gründen oder wegen Arbeitsunfähigkeit kann ausnahmsweise eine Übertragung auf das nächste Kalenderjahr erfolgen. In diesem Fall muss der Urlaub bis spätestens 31. Mai angetreten sein”. Warum wurde dieser Satz geschwärzt? Welcher Mitarbeiter ist in dieser allgemeinen Rechtsinformation benannt?

Es ging um den Urlaub des Geschäftsführers. In der Allgemeinen Zeitung wird Karl-Heinz Seeger mit der Aussage zitiert: “Es ist doch logisch, dass ich, wenn ich schon auf Urlaub verzichte, mir wenigstens den entgangenen Lohn auszahlen lasse, oder?” Fest steht: entgangen ist Seeger nach seinen eigenen Angaben gegenüber dem LRH der Urlaub, nicht der Lohn. Seine Gehälter wurden ihm immer ausbezahlt.

“Nicht sachgerecht”

Und “logisch” ist für den Landesrechnungshof etwas ganz anders: “Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben. Mithin bestand keine Rechtsgrundlage oder Ermächtigung zum Abgelten von Urlaub”. Schon bei dieser Aussage werden nicht nur unabhängige Juristen hellhörig. Aber es geht noch weiter: “Darüber hinaus waren die vorgenommen Urlaubsabgeltungen insbesondere auch aus nachfolgenden Gründen nicht sachgerecht:

“Intransparent”

“Die Zahlbarmachung im Januar 2014 ist unbegründet, da die Möglichkeit bestand den Resturlaub zu übertragen und rechtzeitig anzutreten. Im Oktober 2016 wurden 30 Arbeitstage abgegolten, obwohl der Resturlaub 2015 nach eigenen Angaben allenfalls 26 Arbeitstage betrug. Mithin wurden bereits vorab anteilig 4 Arbeitstage aus dem Geschäftsjahr 2016 abgegolten. Eine Abgeltung von etwaigen zukünftigen Resturlaubstagen ist intransparent.

“46 Tage verfallener Urlaub”

Selbst unter der Annahme, dass die tarifrechtlichen Voraussetzungen für eine Urlaubsübertragung bis zum 31. Mai des Folgejahres vorlagen, beinhalteten die zahlbar gemachten 53 Tage zeitlich verfallenen Urlaub von mindestens 46 Urlaubstagen. Verfallener Urlaub kann bereits dem Grunde nach nicht abgegolten werden. Nach alledem sind die (übertragenen) Urlaubsansprüche zumindest der Höhe nach nicht gegeben.

“Nicht rechtmässig”

Die vom Geschäftsführer an sich selbst veranlassten Zahlungen zur Urlaubsabgeltung in Höhe von 22.300 Euro sind nicht rechtmässig.” Und natürlich ist auch das Fazit geschwärzt, dass der LRH aus alledem gezogen hat: “Der Gesellschafterversammlung obliegt es, die Rechtmässigkeit der Zahlungen an den Geschäftsführer konkret zu prüfen und Erstattungsansprüche geltend zu machen”.

Fakten unterdrückt

Wie gesagt. Diese Passagen waren geschwärzt. Laut Öffentlichen Anzeiger hat Dr. Kaster-Meurer in dem Pressegespräch gesagt: “Sie wolle aber nicht, “dass der Verdacht aufkommt, es soll etwas verheimlicht werden”. Aso. Gut zu wissen. Müsste nur noch geklärt werden, warum die Oberbürgermeisterin dann zuließ, dass geschwärzt wurde. Und die Schwärzungen verteidigt. Und nur auf dem Weg über diese Seite fast alle Stadtratsmitglieder und die staunende Öffentlichkeit erfahren, was Sache ist.

Nur Seite 28

Und all das betrifft nur Seite 28. Eine von 154 Seiten. Die Redaktion dieser Seite ist seit dem Juni 2018 an diesem Thema ganz nah dran. Wir haben alle relevanten Beteiligten offiziell angefragt. Der einzige Mensch, der sich um die Wahrheit gekümmert und seine Zeit und sein Geld eingesetzt hat, sie ans Licht zu bringen, war bis heute Wilhelm Zimmerlin.

Aufstehen gegen Vertuschung

Und wenn man die Kampagne sieht, mit der er diskreditiert werden soll (gesonderte Berichte folgen), fühlt man sich an einen amerikanischen Polit-Thriller erinnert. Staatsfeind Nr. 1. Im Film hat der Gute gewonnen. Mal sehen ob in der Realität vielleicht doch noch der ein oder die andere Charakter zeigen. Und gegen Vertuschung und Täuschung aufstehen.

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