Umsiedlung der Mauereidechsen soll Bebauung im Brückes ermöglichen

Girlitz, Gartengrasmücke, Haselmaus, Mehlschwalbe und selbst die Breitflügelfledermaus sind aus unterschiedlichen Gründen kein Problem. Aber die Mauereidechsen. Deren Population ist zwar recht überschaubar (sie zählen sehr wahrscheinlich zum westfranzösischen Typ). Der ist wie viele der heimischen Reptilien im Bestand gefährdet und daher, wie alle Reptilienarten, gesetzlich geschützt.

Und zwar nach Bundesartenschutzverordnung und auf europäischer Ebene durch Anhang IV der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie [92/43/EWG]. Das bedeutet: wo sich die Mauereidechse sonnt, darf nicht gebaut werden. Zum Glück der Grundstückseigentümer liegt eine “extrem geringe Zahl von Sichtungen” vor und es sind “insgesamt suboptimale Rahmenbedingungen” gegeben.

Es sei “von einer sehr kleinen Teilpopulation einer deutlich größeren Gesamtpopulation auszugehen”. Und da es im direkten Stadtbereich genügend grosse Bestände gibt, kommt eine Umsiedlung in Frage. Im Zusammenhang mit Stuttgart 21 hat die über 3.000 Euro gekostet. Je Tier. Und dort waren es hunderte. An der Nahe sollte es deutlich billiger werden.

Denn Weinbergmauern als neues Habitat stehen in räumlicher Nähe zahlreich zur Verfügung. Damit dürften Denkmalschutz, Stellplatzzahl und Nachbarrechte die grösseren Probleme für die Bebauung der seit Jahrzehnten brach liegenden Flächen im Brückes (unsere Bilder) sein. Die Verwaltung schlägt eine Veränderung des dort geltenden Bebauungsplanes vor.

Pflegeheim der neuesten Generation geplant

Denn es ist ein Investor an die Stadt herangetreten, der ein “vollstationäres Pflegeheim der neuesten Generation” bauen möchte. Dessen Projekt wird heute um 17.30 Uhr im Planungsausschuß (PLUV), der öffentlich nur wenige Meter vom Baugrundstück entfernt im Else-Liebler-Haus tagt, vorgestellt und bewertet.

Ein Leckerli für die Kommunalpolitiker stellte das Bauamt in der Beschlußvorlage gleich an den Anfang: “es sollen im Zuge der Errichtung auch 60 Arbeitsplätze entstehen”. Die für diese Betriebsform nötigen “innerbetrieblichen Erfordernisse sowie erforderliche Grundrisszuschnitte machen eine Umsetzung des Bebauungsplans und dessen sehr dezidierte Vorgaben des Baufensters sehr schwer”, schreibt die Verwaltung.

Martinsberg nicht zusätzlich belasten

Daher habe der Investor eine Bebauungsplanänderung angestoßen. Das entsprechende Verfahren begann im Sommer 2018. Und rief eine Reihe von Anwohnern und sonstige Beteiligte auf den Plan. Deren Kritik bezieht sich auf vollkommen unterschiedliche Punkte. Eine Eingabe weist darauf hin, dass die geplanten 19 Parkplätze “zu Stoßzeiten noch nicht einmal für die Mitarbeiter, geschweige denn für Besucher, Handwerker etc. ausreichen. Es ist deshalb zwingend erforderlich, hier entsprechende Ersatzflächen in unmittelbarer Nähe zu schaffen und es ist unbedingt zu verhindern, dass die eh schon überlastete Straße (Buslinie) „Auf dem Martinsberg” zusätzlich belastet wird (evtl. Anwohnerparkausweise o.ä.)”.

Viel zu wenig Parkplätze

In diese Richtung argumentiert auch ein zweiter Einwender: “Tatsächlich kommen bis zu 25 Mitarbeiter in einer Schicht zusammen, so dass die Stellplätze schon allein für die Mitarbeiter zu wenig sind, ohne dass Besucher und Lieferanten Beachtung finden. Die nach dieser Rechnung verbleibenden neun Parkplätze sollen für Besucher und Lieferanten zur Verfügung stehen. Diese Zahl erscheint ebenfalls zu gering. Bei einer Anzahl von 86 Betten im Pflegeheim, sind neun Besucherparkplätze geradezu besuchsstarken Zeiten, wie an den Wochenenden, viel zu gering”. Daher stelle sich die Frage nach der Anwendbarkeit der örtlichen Satzung, da diese aus dem Jahr 2000 stamme “und deshalb auch an die aktuellen Verkehrsverhältnisse nicht mehr angepasst” sei.

Erschütterungen bei Bauarbeiten

Die Stellungnahme der Verwaltung dazu liest sich eher trocken: “Die Anzahl der geplanten Stellplätze überschreitet die Vorgaben der „Verwaltungsvorschrift über Zahl, Größe und Beschaffenheit für Kraftfahrzeuge vom 24.07.2000 (Min.Bl. S 231). und ist erfahrungsgemäß ausreichend für ein Seniorenpflegeheim, das Besucheraufkommen leider regelmäßig deutlich geringer ist als vielleicht erwartet oder gewünscht”. Der zweite Hauptablehnungspunkt bezeht sich schon auf die Baumaßnahme als solche: “es soll wohl ein enorm mächtiges Gebäude mit einer entsprechend großen und vor allem tiefen Tiefgarage entstehen. Aus den hieraus zwingend entstehenden Erschütterungen sind Schäden an der Bebauung oberhalb nicht nur zu befürchten sondern m. E. (als Bauingenieur mit Studienschwerpunkt Tragwerkslehre) sogar zu erwarten”.

Rechtsmittel angekündigt

Viele der oberhalb stehenden Gebäude seinen sehr alt. Es gebe ein teilweise noch unbekanntes Gewirr unterirdischer Gewölbekeller früherer Weingüter, auf denen viele Häuser sogar neu gegründet wurden. “Selbst eine Gefahr für Leib und Leben durch mögliche Einstürze sehe ich diesbezüglich deshalb keineswegs als ausgeschlossen. Allein aus diesem Grunde darf solche eine Baugenehmigung keinesfalls erteilt werden. Ich bitte um Verständnis, dass ich und weitere Bewohner mit allen uns zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln ggf. auf jeden Fall gegen eine solche Bebauungsplanänderung und damit verbundenen Bebauung vorgehen werden”.

Denkmalschutz betroffen

Und bei diesen rechtlichen Schritten könne sich die Anwohner noch auf einen dritten wesentlichen Themenkreis stützen: den Denkmalschutz. Nahezu alle Gebäude in der unmittelbaren Umgebung des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplanes sind von ihm erfasst. Es handele sich “um Kulturdenkmäler, die im Rahmen des gesetzlichen Umgebungsschutzes für Kulturdenkmäler (§ 4 Abs. 1 Satz 4 DSchG) von der Planung betroffen sind”. Dies sind aus Sicht der Anwohner insbesondere: Auf dem Martinsberg 3/5 (Einzeldenkmal) Brückes 3 (bauliche Gesamtanlage) Brückes 5 (bauliche Gesamtanlage) Brückes 14 (Einzeldenkmal) Brückes 16 (Einzeldenkmal) Brückes 18 (Einzeldenkmal) Brückes 20 (Einzeldenkmal).

“Kennzeichnung der Denkmäler erforderlich”

Gemäß § 9 Abs. 6 BauGB, § 172 BauGB und PlanzV 90, Anlage 14 hat eine nachrichtliche Übernahme der Denkmalliste im Verfahrensgebiet in die Begründung und Kennzeichnung der Denkmäler im Bebauungsplan zu erfolgen. Mindestens erforderlich wäre aus unserer Sicht eine Kennzeichnung der Denkmäler im Plan mit dem entsprechenden Symbol gemäß Planzeichenverordnung und Erläuterung des Planzeichens in der Legende, worum wir hiermit bitten. Die aktuelle Denkmalliste für den Kreis Bad Kreuznach kann auf unserer Website abgerufen werden unter http://www.landesdenkmalpflege.de/index.php?id=1879. Zur Übersicht, wo sich die derzeit bekannten Kulturdenkmäler in der Umgebung des Planungsgebietsbefinden, siehe die beigefügte Kartierung.”