Gewerbesteuer: differenzierte Analyse nötig

34.696.233,80 Euro flossen 2018 in die Stadtkasse. Über 6 Millionen Euro mehr als geplant. Das lässt einen Teil der Kommunalpolitiker träumen. Von einem ähnlich guten Schnitt auch in 2019. Der könnte dann genutzt werden, um in eine rosige Zukunft der Stadt zu investieren. Die Befürworter dieser Vorgehensweise, wie CDU-Spitzenkandidat Manfred Rapp, weisen darauf hin, dass auch in den Vorjahren jeweils mehr eingenommen wurde, als im Etat vorgesehen war. Das stimmmt auch. Aber weil die Verwaltung sich – richtigerweise – sehr streng an Datenschutz und Steuergeheimnis zu halten hat, darf sie nur andeuten, welche Hintergründe das hat.

Nur 25 Millionen aus 2018

Diese Seite hat das Gewerbesteueraufkommen 2018 von Steuerberater Martin Reiber unabhängig untersuchen lassen. Und dessen Analyse zeigt ein ganz anders Bild, das im Ergebnis die zurückhaltende Einschätzung der Kämmerei stützt. Tatsächlich liegt das in 2018 in Bad Kreuznach erwirtschaftete Gewerbesteueraufkommen nämlich nur bei 25.011.797. Also sogar rund 3 Millionen Euro unter dem Ansatz im Haushalt. In diesem Betrag sind 1.273.934 Euro berücksichtigt, die bei jenen Unternehmen anteilig in 2018 anfallen, die abweichende Wirtschaftsjahre (etwa vom 1.7. bis zum 30.6.) haben.

Sogar noch Steuer aus 2000

Das bedeutet: immerhin 9.684.436,80 Euro wurden kassenwirksam in 2018 von der Stadt eingenommen. Aber eben nicht im vergangenen Jahr erwirtschaftet, sondern in den Vorjahren. Das reicht zurück bis in das Jahr 2000. Aus dem stammen zwar nur rund 2.200 Euro. Trotzdem bemerkenswert, wenn auch nach 18 Jahren noch Geld eintrudelt. Aus 2002 (für die jüngeren LeserInnen: da war Gerhard Schröder noch Bundeskanzler und Deutschland erreichte unter Rudi Völler das WM-Finale) konnten 1.648.423 Euro kassiert werden, für 2004 weitere 666.815 Euro. Bis 2015 kommen dann aus jedem einzelnen Jahr jeweils sechsstellige Beträge dazu.

Finanzamt hat gut gearbeitet

Für 2016 sind im Nachhinein sogar noch mal 4.057.388 Euro angefallen und 1.507.484 Euro für 2017. Wie kann es aus so lange zurückliegenden Jahren noch so hohe Gewerbesteuereinnahmen geben? Martin Reiber dazu: “Da profitiert Bad Kreuznach schlicht und einfach von der Leistung im Finanzamt Bad Kreuznach”. Das sei, so der Steuerberater, eines der leistungsstarken in Rheinland-Pfalz. Sowohl bei der Veranlagung als auch bei der Vollstreckung. “Viele Prüfungen und Hartnäckigkeit bei der Beitreibung von offenen Steuerschulden” ist nach Reibers Einschätzung der Grund für den Geldsegen.

Abnehmende Tendenz

Und Reiber warnt: weil das Finanzamt eben in den vergangenen Jahren so gut gearbeitet hat, sind die fürs Steueraufkommen relevanten mittleren und großen Betriebe, Freiberufler und Selbstständige zu einem großen Anteil auch mit den modernen Methoden, die der Finanzverwaltung noch nicht so viele Jahre zur Verfügung stehen, geprüft. Folge: Mehrergebnisse bei der Körperschaft- und Einkommenssteuer, wie sie in den vergangenen Jahren möglich waren und zu den Gewerbesteuernachzahlungen in 2018 und den Vorjahren führten, werden tendenziell abnehmen.

“konservativ, also realistisch”

Reiber geht daher – auch unter Berücksichtigung der sich bundesweit abschwächenden Konjunktur – davon aus, “dass die Stadt in den kommenden Jahren (ohne Sondereffekte oder Finanzgerichtsurteile) kaum mit Gewerbesteuereinnahmen über 30 Millionen Euro rechnen kann”. Martin Reiber schätzt daher den Ansatz der städtischen Kämmerei, die für 2019 wie in 2018 eine Einnahme von 28 Millionen Euro bei der Gewerbesteuer ansetzt, als “eher konservativ, also realistisch” ein. Sicher könne man auch einen Ansatz von 29 oder gar 30 Millionen rechtfertigen. “Aber dann ist Ende 2019 das Jammern und Zähneklappern groß, wenn das zu optimistisch war”.

Antizyklisch investieren

Reiber ist zudem ein Anhänger der antizyklischen Investitionspolitik und weist bezogen auf Bauprojekte auf die immer noch voll ausgelasteten Handwerksbetriebe hin. “Viele meiner Mandanten in dem Bereich sind jetzt schon bis Sommer oder Herbst ausgebucht”. Schwäche sich die Konjunktur weiter ab, seien die Kommunen in 2020 und 2021 gefordert, die dann nachlassende Auftragslage aus der Privatwirtschaft durch Projekte der öffentlichen Hand aufzufangen. “Zudem wird man dann auch billiger bauen können”. Reibers Fazit zum warmen Gewerbesteuerregen in die Stadtkasse 2018: “erarbeitet haben es die Bürger und Unternehmen, veredelt wurde das Ergebnis vom Finanzamt und jetzt liegt es an Verwaltung und Kommunalpolitik, dass es solide bleibt”.