Am kommenden Mittwoch sollen sich die Mitglieder der örtlichen CDU treffen. Die Aufstellung ihrer KandidatInnen für die Kommunalwahl im Mai 2019 steht auf der Tagesordnung. Nicht auf der Vorschlagsliste des Vorstandes um Vorsitzende Erika Breckheimer: Werner Klopfer. Der ist immerhin der aktuelle Fraktionsvorsitzende. Eine offizielle Verzichtserklärung gibt es bis heute nicht von ihm. Richtig ist: Klopfer hatte vor rund zwei Jahren öffentlich angekündigt 2019 Schluss zu machen mit der Kommunalpolitik – seiner Frau zuliebe.
Kriegserklärung an Klopfer
Aber wer in den vergangenen Monaten als Beobachter von Stadtrats- und Ausschusssitzungen wahrnahm, mit wieviel Herzblut er sich einsetzte, mag an ein freiwilligen Verzicht kaum glauben. Auch fehlt eine Art Abschiedserklärung von ihm. Und so sieht der Vorstandsvorschlag eher aus wie eine Kriegserklärung an den erfolgreichen Weinmanager. Langjährige Beobachter der örtlichen Verhältnisse erleben damit ein Déjà-vu (keine Sorge, das ist nicht infektiös, Definition unten).
Eitel- und Streitigkeiten
Für die Bad Kreuznacher Kommunalpolitik ist die örtliche CDU so etwas wie der Marianengraben für unseren Planeten: ein kreativer Hotspot. Seit Jahrzehnten treiben parteiinterne Eitel- und Streitigkeiten die Christdemokraten auseinander und bringen in schöner Regelmäßigkeit neue Gebilde hervor. 1989 gratulierte der politische Gegner den CDUlern gar zu Zwillingen: als “Junge Liste” (später Stadtpartei) spaltete sich die Junge Union fast vollständig von den Altvorderen ab und errang aus dem Stand über 4% der Stimmen.
Inhaltliche Defizite
Doppelt so erfolgreich war die Kreuznacher Bürgerliste, in der sich überwiegend CDU-enttäuschte Geschäftsleute und Grossbürger zusammenschlossen. 2004 kamen dann FWG und Liste Faires Bad Kreuznach als Neueinsteiger dazu. Auch die sind, wie ein Blick auf deren KandidatInnenlisten zeigt, eher bürgerlichen Ursprungs und mit teils christdemokratischen Wurzeln. Wiederum waren es inhaltliche Defizite der CDU vor Ort und deren schwachbrüstige Bindekraft, die die neuen Gruppierungen ermöglichte.
CDU-Aderlaß auch 2014
Einen weiteren Höhepunkt feierte der Aderlaß der CDU vor und nach der Kommunalwahl 2014. Die Bildung der Freien Fraktion. Ein Kuriosum selbst für hiesige Verhältnisse. Denn diese Fraktion trat nie bei einer Wahl an, sondern ihre beiden Mitglieder aus der CDU aus. Dr. Herbert Drumm, früher sogar Kreisvorsitzender der Christdemokraten, auf dem Umweg Bürgerliste. Und Stephanie Engelsmann als “normale” Parteiflüchtige.
14 gewählt, 15 an Bord
Den Engelsmann-Abgang kompensierte die CDU 2016 durch (Wieder-)Aufnahme von Werner Klopfer. Dann stieß Wolfgang Kleudgen (früher Die Linke) dazu. Und nachdem der im Sommer 2018 weiter zur FWG wechselte, frischte die CDU ihr Personaltableau durch den Übertritt von Birgit Ensminger-Busse von der FDP zu den Christdemokraten auf. Seit dem liegt die CDU nach Sitzen gleichauf mit der SPD, obwohl die Sozialdemokraten 2014 von den WählerInnen einen mehr bekamen. Dieser nummerische Erfolg und mehr steht jetzt auf dem Spiel.
Mit Geschlossenheit punkten
Inhaltliche Leuchtfeuer hat die städtische CDU-Parteileitung in den vergangenen Jahren nicht abgebrannt. Einzelne Vorstandsmitglieder wie Gerd Modes und Reinhold Kunz sind mehr für ihr Hobby “Fastnacht” bekannt, wo sie sehr erfolgreich beispielsweise Oberbürgermeisterin Kaster-Meurer (SPD) zu Ehren kommen lassen, als für christdemokratische Politinitiativen. Also könnte die CDU bei der Kommunalwahl nur mit Geschlossenheit punkten. Und die steht einmal mehr auf dem Spiel, wenn es jetzt erneut zum Bruch mit Werner Klopfer kommt. Der hat im zurückliegenden Sommer nicht nur die Nerven seiner politischen Gegner, sondern auch innerparteilich mit dem Märchen über die Gefahr vom “Schwarzen Mann” strapaziert.
Kompromiss: bis 2022
Trotzdem ist WK, wie ihn Freunde nennen, für die CDU eigentlich unersetzlich: ein altes Schlachtross, das die kommunalpolitischen Untiefen oft schon erkennt, bevor es mittendrin steht. Würde er bis zur OB-Wahl im Frühjahr 2022 weitermachen, hätte die CDU einen an Bord, der noch aus eigenem Wissen angeben kann, was vor 15, 20, oder 30 Jahren in Stadtrat und Verwaltung los war. Ausserdem: wer soll denn die CDU-Fraktion, die sich aus vielen Mitläufern und Egomanen und wenigen Sacharbeitern zusammensetzt, zusammenhalten, führen und motivieren? Die Helden, die erklären sich das zuzutrauen, sind einen Nachweis im echten Politikleben bis heute schuldig geblieben.
Kein einziger Wortbeitrag
Wer den eigenwillig-autoritären Führungsstil Klopfers kritisiert, muss sich fragen lassen, was er-sie-es selbst geleistet hat. Wahr- und ernstgenommen wird die CDU jedenfalls erst wieder seit Klopfers Wiedereintritt und dem von ihm bewirkten Bruch der Koalition mit der SPD. Es gibt in der aktuellen CDU-Fraktion gleich mehrere Mitglieder, die sich in den Stadtratssitzungen der vergangenen Jahre laut den öffentlich einsehbaren Protokollen nicht ein einziges Mal qualifiziert zu Wort gemeldet haben.
Selbstzerlegung
Und noch schlimmer: auch nicht durch einen Antrag oder eine Anfrage aufgefallen sind. Das ist natürlich bei der SPD nicht anders. Aber wollen sich die Christdemokraten tatsächlich Trost am Abgang einer Partei verschaffen, die auf Bundesebene den Weg in die politische Bedeutungslosigkeit eingeschlagen hat und von den BürgerInnen aktuell auf Platz 4 durchgereicht wurde, nur knapp vor Linken und FDP? Vor allem die Grünen, aber auch die Rechtsaussen könnten sich die Hände reiben: die CDU würde einmal mehr sich selbst zerlegen und die bürgerliche Mitte gleich mit.
Strigidus Minor
Definition Déjà-vu nach Wikipedia:
Als Déjà-vu (frz „schon gesehen“) bezeichnet man ein psychologisches Phänomen (psychopathologische Bezeichnung: qualitative Gedächtnisstörung), das sich in dem Gefühl äußert, eine neue Situation schon einmal erlebt, gesehen, aber nicht geträumt zu haben. Weitere Bezeichnungen für dieses Erlebnis sind Erinnerungstäuschung, identifizierende Erinnerungsfälschung, Bekanntheitstäuschung, Fausse reconnaissance (frz. „falsches Wiedererkennen“), Déjà-entendu-Phänomen bzw. Déjà-écouté-Phänomen (frz. „schon gehört“) oder Déjà-vécu-Erlebnis (frz. „schon erlebt“). Ein Déjà-vu tritt beim gesunden Menschen vereinzelt spontan, im Zustand der Erschöpfung oder bei Vergiftungen gehäuft auf.