“Vollkommen offen” schätzt Martin Reiber ein, wie das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG) über den Tourismusbeitrag urteilen wird. Für den Steuerberater Antonio Valentinos ist nach der fast dreistündigen mündlichen Verhandlung vom Dienstag 30.10.18 nur eines klar. Egal wie das Urteil ausfällt: die Begründung steht so oder so schon fest. Denn das Gericht hat klargestellt, welche Argumente gar keine Erfolgsaussicht haben.
Wenn sich die Beitragskritiker durchsetzen, dann wird das Gericht sich vor allem auf den Stadtratsbeschluss vom 25.10.18 beziehen. Angeführt von der CDU und mit Unterstützung von FWG, FDP, Parteilosen, Faire Liste und BüFEP hatten die Kommunalpolitiker die von der Verwaltung vorgeschlagenen Gemeindeanteile abgelehnt (diese Seite berichtete am 26.10.18 unter der Überschrift “Tourismusbeitrag: Stadtrat kippt Kalkulation”). Das OVG war von dieser “überraschenden Entwicklung” sichtlich beeindruckt und erkannte an, dass damit die Beitragskalkulation Schaden genommen hat. Ob der allerdings ausreicht, um die Satzung zu verwerfen, blieb offen.
Sollte die Stadt obsiegen, dann weil dem Gericht die diskutierten Kritikpunkte an der Kalkulation einzeln und in der Summe nicht schwerwiegend genug erscheinen, um “tabula rasa” zu machen. Das Gericht betonte den “grossen Ermessenspielraum”, den die kommunalen Gremien bei der Ausgestaltung von Satzungen haben. Ganz egal, wie die Entscheidung fällt, Antonio Valentino war von der Arbeitsatmosphäre vor dem OVG angetan. “Sehr sachlich, aber nicht hölzern, einfach angenehm” so sein Eindruck von Dr. Thomas Stahnecker. Das ist der Vorsitzende Richter des 6. Senats beim OVG in Koblenz, vor dem der Bad Kreuznacher Tourismusbeitrag verhandelt wurde. Und zwar in einer gemeinsamen mündlichen Verhandlung beider Normenkontrollanträge. Dem des Rechtsanwaltes Ralf-Dieter Kanzler vom Oktober 2017 (sachbearbeitender Rechtsanwalt Stephan Huth) und dem des Ponte-Vecchio-Gastwirts Valentino vom Januar 2018.
Die Stadtverwaltung wurde von Rechtsanwalt Dr. Andreas Dazert (Koblenz) vertreten. Er brachte Bürgermeister Wolfgang Heinrich, GuT-Geschäftsführer Dr. Michael Vesper und Stadtratsmitglied Dr. Herbert Drumm zur Verhandlung mit. Die begann mit einem intensiven Schriftsatzaustausch. Während sich diesbezüglich in den ersten Verfahrensmonaten wenig getan hatte, glühten die Faxgeräte in den letzten Tagen. Zusammen hunderte Seiten wurden zwischen den Parteien und dem Gericht hin und her geschickt. Die letzte Post wurde im Termin vom Gericht persönlich zugestellt. Dann kam es nicht zur sonst obligatorischen Einführung in den Sachverhalt, weil das Gericht dem intensivem Papierverkehr entnommen hatte, dass sich sowohl die beiden Kläger als auch die Stadt in der Sache auf Ballhöhe bewegen.
“Anwälte müssen zahlen”
Vorsitzender Dr. Stahnecker stieg daher direkt in die Verhandlung ein und präsentierte zunächst dem Kontrollkläger Kanzler den Widerspruch des Gerichtes zu dessen Vorbringen. Das Argument, Rechtsanwälte dürften nicht zu Tourismusbeiträgen veranlagt werden sei zwischenzeitlich durch eine neue Rechtslage nicht mehr haltbar. Und die Kritik daran, dass Anwälte relativ mehr zu zahlen haben, als Steuerberater, ist in den Augen des Gerichtes zwar verständlich – aber kein Grund, die Satzung aufzuheben.
“Steuern keine Einnahmen”
Anschliessend musste dann Antonio Valentino miterleben, wie die Richter nacheinander eine Reihe der von seinem Steuerberater vertretenen Kritikpunkte widerlegten. So sei die viel zu niedrige Ansetzung von Gewerbe-, Umsatz- und Einkommensteuer auf der Einnahmenseite deshalb nicht relevant, weil Steuereinnahmen dort gar nicht eingebucht werden müssen, auch wenn die Stadt das so gemacht hatte. Die von Antonio Valentino beklagten Mängel im Erhebungsverfahren schätzten die Richter nicht so dramatisch ein, wie der Kläger.
Aufwandsüberschreitung strittig
Zum Hauptthema entwickelte sich schnell die von Steuerberater Martin Reiber schriftsätzlich umfangreich dargelegte Gefahr der “Aufwandsüberschreitung”. Also die Sorge, dass schon jetzt absehbar am Ende mehr Beiträge kassiert werden, als zur Defizitdeckung benötigt werden. In diesem Zusammenhang war sowohl die Schätzung der Höhe der Beitragseinnahmen sowie die Definition des Minus bei den Tourismusausgaben der Stadt und ihrer Gesellschaften strittig. Während Valentino, argumentativ unterstützt von den Rechtsanwälten Kanzler und Huth, die Beitragseinnahmen für 2017 auf einen siebenstelligen Betrag schätzte, bestand Dr. Vesper auf den von ihm berechneten “ca. 560.000 Euro”.
560.000 oder 2,1 Millionen?
Der GuT-Geschäftsführer bezog sich mit seiner Vorhersage auf die Erfahrungen beim Fremdenverkehrsbeitrag für 2016, der bisher in Höhe von 315.000 Euro berechnet wurde und am Ende 350.000 Euro einbringen soll. Das mit ungefähr 2.300 Bescheiden. Weil beim Tourismusbeitrag einige hundert Bescheide mehr erwartet werden, kommt Dr. Vesper dort auf rund 200.000 Euro höhere Einnahmen. Diese GuT-Rechnung hatte Valentinos Steuerberater schon vor dem Verwaltungsgericht bestritten und ausgerechnet, dass für 2017 bis zu 2,1 Millionen erzielt werden können. Rechtsanwalt Kanzler bezifferte die möglichen Einnahmen auf “zwischen 1,3 und 1,9 Millionen Euro”.
Baudenkmal Bäderhaus
Dem hielt Dr. Dazert für die Stadt entgegen, dass es letztlich ohne Bedeutung sei, ob die Einnahmen sich in der von der GuT geschätzten oder von den Kritikern befürchteten Grössenordnung bewegen, da das Defizit wesentlich höher läge. Das wurde insbesondere von Valentinos Steuerberater nachhaltig bestritten. Er legte dar, dass von der Stadt eingestellte Kosten in Höhe von über 2 Millionen Euro nicht berücksichtigt werden dürfen, weil diese nicht ursächlich Tourismusausgaben seien. So werde das Bäderhaus als Baudenkmal erhalten und bei den Crucenia Kurthermen schlage ein Hochwasserschaden noch heute zu Buche.
Führt DAWI zu Dudu?
Zu einem Problem für die Stadt könnten auch mehrere Stadtratsbeschlüsse werden, mit denen auf Vorschlag der Verwaltung über 3 Millionen Euro Zahlungen aus dem Stadthaushalt an die GuT und die Bäder GmbH zu sogenannten “DAWI-Leistungen” nach europäischem Finanzrecht deklariert wurden. Valentinos Steuerberater hatte sich hierzu bei der EU informiert und warnte: würde die Tourismusbeitragssatzung nicht entweder vom OVG oder durch Stadtratsbeschluss aufgehoben, werde er Brüssel darüber informieren, dass in Bad Kreuznach als “DAWI-Leistungen” aus der Stadtkasse gezahlte Beträge in der Beitragsbuchhaltung noch einmal auftauchen. Reiber dazu in einer Erklärung für diese Seite: “Das Bussgeld, dass die EU dann verhängt, wird deutlich über den Beitragseinnahmen liegen”. Am Ende habe die Stadt weniger Geld in der Kasse, einige tausend BürgerInnen verärgert und einen erheblichen Vertrauensschaden angerichtet. Seine Entscheidung wird das Gericht schriftlich mitteilen. Erfahrungsgemäss dauert dies einige Wochen (weiterer Bericht folgt).